Sendeverbot wegen Imageschädigung: Eine Nicht-Weihnachtssendung bei Radio Darmstadt, Dokumentation - Teil 1

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Am 25. Dezember 2006 war bei Radio Darmstadt die Sendung "Weihnachten zwischen Besinnung und Besinnungslosigkeit" zu hören. Neben einer leicht kritischen Selbstreflexion über den Zustand des Senders war eine Rezension des neuesten Buchs von Horst-Eberhard Richter über "Die Krise der Männlichkeit" zu hören.

Der Programmrat von Radio Darmstadt beschloß auf seiner nachfolgenden Sitzung am 8. Januar 2007, dem Autor der Sendung eine Abmahnung und ein Sendeverbot auszusprechen. Der Autor wurde weder zur Programmratssitzung eingeladen noch zu den erhobenen Vorwürfen angehört. Auch im Nachgang zur Sitzung wurde dem Autor der Sendung bis zum heutigen Tag (8. Februar 2007) nicht mitgeteilt, welche Teile der Sendung aus welchem Grund beanstandet worden waren. Dies ist insofern von Bedeutung, als der Autor sich von seiner Sendung distanzieren und diese Distanzierung auch noch begründen soll. Solange diese Distanzierung nicht vorliegt, werde das Sendeverbot nicht aufgehoben, so der Programmrat in seinem Beschluß.
Audio
20:23 min, 19 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 09.02.2007 / 00:00

Dateizugriffe: 624

Klassifizierung

Beitragsart: Anderes
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Andere, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Walter Kuhl
Radio: RadaR, Darmstadt im www
Produktionsdatum: 25.12.2006
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Am 25. Dezember 2006 war bei Radio Darmstadt die Sendung "Weihnachten zwischen Besinnung und Besinnungslosigkeit" zu hören. Neben einer leicht kritischen Selbstreflexion über den Zustand des Senders war eine Rezension des neuesten Buchs von Horst-Eberhard Richter über "Die Krise der Männlichkeit" zu hören.

Der Programmrat von Radio Darmstadt beschloß auf seiner nachfolgenden Sitzung am 8. Januar 2007, dem Autor der Sendung eine Abmahnung und ein Sendeverbot auszusprechen. Der Autor wurde weder zur Programmratssitzung eingeladen noch zu den erhobenen Vorwürfen angehört. Auch im Nachgang zur Sitzung wurde dem Autor der Sendung bis zum heutigen Tag (8. Februar 2007) nicht mitgeteilt, welche Teile der Sendung aus welchem Grund beanstandet worden waren. Dies ist insofern von Bedeutung, als der Autor sich von seiner Sendung distanzieren und diese Distanzierung auch noch begründen soll. Solange diese Distanzierung nicht vorliegt, werde das Sendeverbot nicht aufgehoben, so der Programmrat in seinem Beschluß.

Auf der Programmratssitzung wurden einzelne - aus ihrem argumentativen Kontext gerissene - Schnipsel der Sendung vorgespielt. Zum Teil suggerieren diese Schnipsel das genaue Gegenteil von dem, was der Autor der Sendung tatsächlich gesagt und argumentativ ausgeführt hat. Ein Beispiel: es wird moniert, daß ich die Finanzierung des Senders in Frage stelle. Die anschließende Argumentationsführung, mit der ich unter Bezug auf die Sendelizenz darlege, daß selbst ein Sender mit ausgiebig dudelnder Partyfraktion eine Sendeberechtigung besitzt und daß selbst ein solcher Sender Anspruch auf Förderung aus den Rundfunkgebühren haben muß, wurde komplett ausgeblendet.

Die Absurdität dieses Vorgangs liegt nicht nur im Scheinverfahren ohne jede Verteidigungsmöglichkeit begründet, sondern auch darin, daß dem Autor der Sendung die Gründe für das Sendeverbot trotz mehrfacher Aufforderung nicht mitgeteilt werden, so daß eine Distanzierung schon faktisch nicht möglich ist. Ein solches Verfahren weckt Erinnerungen an die Scheinverfahren der Heiligen Inquisition oder an die Schauprozesse des 20. Jahrhunderts.

Daß es gar nicht um die Sendung selbst geht, sondern um die Ausschaltung eines bestimmten Sendenden vom Sendebetrieb, macht der Programmrat in seinem weiteren Vorgehen deutlich. Auf die Nachfrage der Redaktion "Alltag und Geschichte", ob zur Sicherung des von der Redaktion zu gestaltenden Programms wenigstens eine nicht beanstandete Sendung des Autors aus der Vergangenheit gesendet werden könne, wurde dies ohne weitere Begründung abgeschmettert.

Die Medienaufsicht der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk wurde inzwischen eingeschaltet. Dies auch vor dem Hintergrund, als der Programmrat auf derselben Sitzung zwei weiteren Mitgliedern der Redaktion "Alltag und Geschichte" ein Sendeverbot erteilt hatte, da sie aus dem Trägerverein des Radios ausgeschlossen worden seien (ebenfalls ohne Anhörung und damit sogar eindeutig satzungswidrig). Laut Sendelizenz ist die Mitgliedschaft im Trägerverein jedoch nicht Voraussetzung für die Nutzung des Radios. Das Redaktionsstatut des Trägervereins sieht sogar ausdrücklich vor, daß die Redaktionen verpflichtet sind, einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Sendezeit Nicht-Mitgliedern zur Verfügung zu stellen.

Worum geht es in der Sendung selbst? Es ist Weihnachten, und auf allen Kanälen in Fernsehen und Hörfunk wird munter Weihnachten zelebriert. Radio Darmstadt war bei seiner Lizenzierung angetreten, eine Alternative anzubieten zu einer "Programmvielfalt", die in selbst auferlegter Gleichschaltung zu erstarren drohte. Deshalb wird in der Sendung eine entsprechende Passage aus dem Lizenzantrag vom Herbst 1996 zitiert. Im Anschluß daran versucht der Autor, die Veränderungen in Programm und Trägerschaft des Radios soziologisch zu beleuchten. Ein Radio, das denselben Unsinn sendet wie alle anderen Radios auch, hat sich von seinen ursprünglichen Idealen entfernt. Warum ist das so und wie wirkt sich dies aus? Dies sind Fragen, die den Autor in einer ersten Bestandsaufnahme interessiert haben und auf die eine erste Antwort zu geben versucht wird. Die daran anschließende Rezension des Buchs von Horst-Eberhard Richter wurde nicht beanstandet, vertieft jedoch einige der vorangegangenen Gedankengänge.

Was hat der Programmrat beanstandet? Im September 2006 hatte der Programmrat sogenannte "Sendekriterien" verabschiedet, die er jedoch nicht allgemein bekannt gemacht hatte. Schon aus dem ersten Punkt dieser Kriterien wird deutlich, worum es geht: imageschädigende Inhalte von Sendungen werden untersagt. Zwar wird nirgends definiert, welches das Image ist und was dieses Image schädigen könnte, doch ist genau diese Vagheit der Hebel, mißliebige Redakteurinnen und Redakteure mundtot zu machen. Zitat:

"Jegliche Imageschädigung von Radar ist zu unterlassen. Dazu gehört auch die öffentliche Verunglimpfung von Sendenden bei Radar, öffentliche Kränkungen und öffentliches Verballhornen von auf Radar gesendeten Beiträgen. Öffentlich schließt insbesondere Äußerungen über den Ether (sic!) ein, sowie Äußerungen über Online-, Print- und AVmedien.

Anmerkung: Es geht hier nicht darum eine sachlich geführte Diskussion abzuwürgen. Es geht lediglich darum klarzustellen, daß ein beleidigender Tonfall (sic!) oder andere unsachliche Äußerungen, die lediglich gemacht werden, um andere Personen zu beleidigen, nicht toleriert werden."

Der Verunglimpfungsparagraph ist bekanntlich Bestandteil des politischen Strafrechts, ein Zensurparagraph. Eine solche Bestimmung hat in einem Radio, das einem Bundesverband *freier* Radios angehört, nichts zu suchen. Wenn man und frau weiterhin noch berücksichtigt, daß diese Sendekriterien derart einfältige Bestimmungen enthalten wie

"Beschimpfungen vermeiden, oder diese (wenn unbedingt notwendig) deutlich als ‘Kommentar' kennzeichnen"

dann muß sich der Programmrat von Radio Darmstadt fragen lassen, ob er überhaupt eine Ahnung vom geltenden Presserecht besitzt. Selbst entlarvend sind die Ausführungen der Antragstellerin für das Sendeverbot:

"Dies wird deshalb besonders kritisch betrachtet, da Walter zuvor nicht die entsprechenden Gremien in offizieller Form auf die offensichtlich aus seiner Sicht bestehende Problematik ansprach, sondern gleich die Öffentlichkeit suchte. Die redaktionelle Freiheit kann aber dort, wo sie die Rechte andere (sic!) verletzt, nur unter sorgsamster Abwägung ausgelebt werden. Dies hat hier nicht den Anschein."

Hier steht es also deutlich geschrieben: Ein Sendeverbot allein aufgrund eines "Anscheins", nicht aufgrund presserechtlich oder lizenzbezogen zu beanstandender Tatsachen. Die Antragstellerin ist Rechtsanwältin, sie weiß also, was sie tut.

Die zum Sendeverbot führende Sendung wird in zwei Teilen dokumentiert, die Zwischenmusik wurde aus urheberrechtlichen Gründen ausgespart. Teil 1 ist der beanstandete Teil, Teil 2 die Rezension des Buchs von Horst-Eberhard Richter. Beide gehören jedoch zusammen. Hochgeladen wurde der Radiomitschnitt in Mono-Qualität.