Klimawandel - Scenario Bayern 2030

ID 15660
 
Bei allen Klimabetrachtungen werden immer wieder Zahlen genannt. Seien es Temperaturen zu Wasser und zu Land, die irgendwann mal bei uns und anderswo herrschen werden, seien es Jahreszahlen, die sich auch laufend ändern. Dies ist das eigentliche Problem der fortschreitenden Klimaerwärmung: Es ist ja noch lange hin. Wir Menschen haben schon Schwierigkeiten, mit den unmittelbaren und in naher Zukunft bevorstehenden Herausforderungen geistig fertig zu werden. Wie sieht es dann bei Problemen aus, deren Auswirkungen sich in spürbarer Form erst in 20-30 Jahren zeigen werden? Wir leben im „Hier und Heute“ und meinen, noch irgendwie so „durchrutschen“ zu können. Eine fatale Einstellung, die aber irgendwie auch nachvollziehbar ist, angesichts der komplexen Zusammenhänge und unterschiedlichen Berichte.

Um mögliche - eher sogar „sehr wahrscheinliche“ – Auswirkungen unseres Klimawandels zu verdeutlichen haben wir für Sie einen kleinen Report zusammengestellt. Zeitungs- und Radiomeldungen aus dem Jahr 2030. Wir bleiben hierbei auch ganz in der Nähe, im Umfeld von München. Denn alles andere ist ja sowieso „weit weg“. Das, was unmittelbar vor unserer Haustüre passiert, das werden wir täglich spüren, sehen, ja sogar riechen.

Audio
09:50 min, 9216 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 18.02.2007 / 11:18

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Umwelt
Entstehung

AutorInnen: Alexander v. Dercks (Greenpeace München)
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 24.01.2007
keine Linzenz
Skript
Süddeutsche Zeitung, Sonntag, 9.Juni 2030
Nach dem letzten, wiederum sehr milden Winter ohne nennenswerten Niederschlag, ist nunmehr das letzte kleine Stück des Zugspitzgletschers geschmolzen. Damit hat Deutschland seinen letzten Gletscher verloren. Während es Mitte der 20er Jahre durch das verstärkte Abschmelzen zu häufigen Hochwassern kam, die jedoch überwiegend vom Sylvenstein-Stausee abgefangen werden konnten, wirkt sich der Mangel an nachfließendem Gletscherwasser nun auf die Isar aus. Der Sylvenstein-Stausee ist derzeit nur zu einem Drittel gefüllt und nennenswerter Zufluss ist nicht zu erwarten. Um die Stromeinspreisung der Isarkanal-Kraftwerke aufrecht zu erhalten wurden bereits fast alle Speicherschleusen geöffnet. Trotzdem läuft das Kraftwerk bei Schäftlarn nur noch mit 60% Leistung. Wie der Vorstandssprecher der Isar-Amperwerke Laurent Müller in einer Pressekonferenz am Freitag mitteilte wird das Unternehmen nicht umhin kommen, die Leistung in den Monaten Juli und August weiter herunter zu fahren. Dies geschähe auch deshalb, weil die Isar-Amperwerke verpflichtet seien, die für den Fischbesatz erforderliche Wassermenge in der Isar zu belassen. Zu diesem Thema würden jedoch weiter Gespräche mit dem Umweltministerium geführt, so Müller. Man räumte auf der Pressekonferenz jedoch auch ein, dass auch Atomkraftwerke nicht in der Lage wären, den fehlenden Strom zu ersetzen. Sollte die Wasserknappheit anhalten, woran derzeit niemand mehr zweifelt, so würde man wegen des fehlenden Kühlwassers die letzten 4 noch laufenden Reaktoren in Deutschland abschalten müssen.

Das Landratsamt Garmisch hat zudem beschlossen, ab kommenden Winter jeglichen Gebrauch von Schneekanonen zu untersagen. Zwar waren solche ohnedies nur mehr in ganz wenigen Gebieten im Einsatz. Die Entscheidung hätte auf Grund des immensen Wasser- und Energieverbrauchs eigentlich schon vor Jahren fallen müssen. „Besser spät als nie“ – so der lakonische Kommentar von Landrat Josef Maurer von der CSU.


Radio Bayern 5, Montag, 1.Juli 2030
Wie das Wasserwirtschaftsamt mitteilt gibt es derzeit große Probleme mit der Reinigung der Abwässer der Landeshauptstadt und der angeschlossenen Gemeinden. Zwar konnten erhebliche Einsparpotentiale in den vergangenen Jahren und ein derzeitiger Kubikmeterpreis von 6,50 Euro dazu beitragen, dass der Wasserverbrauch insgesamt um 22 Prozent zurück ging. Die nun anfallenden Abwässer der im Netz zusammengeschlossenen Gemeinden mit 2,8 Millionen Menschen sind jedoch deutlich stärker belastet und übersteigen die Reinigungskapazitäten der Kläranlagen. Insbesondere nach Starkregen müssen über sog. Vorfluter große Menge ungeklärten Wassers zurück in die Isar geleitet werden, wodurch die Wasserqualität der Isar immer häufiger mit „bakteriell hoch belastet“ eingestuft werden muss. Aus diesem Grund wurde für die gesamte Isar zwischen Wolfratshausen und der Mündung in die Donau ein permanentes Badeverbot verhängt.


Münchner Merkur, Mittwoch, 14. August 2030
Extrem hohe Ozonwerte, verbunden mit Temperaturen um die 32 Grad, haben den Krankenhäusern in den vergangenen drei Wochen „volle Häuser“ beschert. Obwohl seit fast zwei Jahrzehnten immer wieder temporär innerstädtische Fahrverbote erlassen wurden, konnte man die Belastung insgesamt nicht in den Griff bekommen. Alleine in München starben bisher 160 Menschen, bei denen die Folgen der Ozonbelastung als Ursache des Todes angenommen werden. Hinzu kommen bislang 370 Menschen – vor allem ältere -, die wegen Kreislaufversagen aufgrund der dauerhaft hohen Temperaturen starben. Am gestrigen Dienstag wurden am Altstadtring 290 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft gemessen. Gerhard Breisinger vom Landesumweltamt erläuterte, dass damit der Grenzwert von 240 Mikrogramm weit überschritten worden sei. Wem immer es möglich sei sollte zu Hause bleiben und auf alle körperlichen Aktivitäten verzichten. Ozon sei in dieser Konzentration ein gefährliches Gift, das weit unterschätzt werde.

Der Stadtrat hat heute beschlossen, den Gebrauch von Klimaanlagen in Büros zu untersagen. Die angespannte Stromversorgung ließe keine Alternative zu. Wie schon im vergangenen Jahr sind einige Unternehmen dazu übergegangen, verkürzte Arbeitszeiten von 6 bis 12 Uhr einzuführen. Auch im öffentlichen Dienst hat man reagiert: Die Postzustellung erfolgt nunmehr in den Nachtstunden, in denen eine erträgliche Temperatur herrscht.


Radio Bayern 3, Donnerstag, 22. August 2030
Die letzte Verkaufsstelle von Fisch aller Art, die Nordseehalle am Viktualienmarkt, hat heute erklärt, dass sie ab 1. September nur noch lokalen Zuchtfisch wie Forelle und Karpfen verkaufen werde. Aufgrund der in den Weltmeeren zusammengebrochenen Fischbeständen sei es weder vermittelbar noch für den Konsumenten bezahlbar, Salzwasserfisch zu beschaffen. Selbst die Bestände der Makrele, die aufgrund rigider Fangquoten bis zuletzt ein Hoffnungsträger der Fischer war, konnte sich nicht mehr erholen. Außerdem sorgte ein Anstieg der Wassertemperatur um 2,8 Grad seit der Jahrtausendwende in der Nordsee für ein weitgehendes Absterben der Nahrungsgrundlage der Makrele. Das Bundesgesundheitsministerium rät den Verbrauchern, den Jodbedarf durch Tabletten zu decken.


Tölzer Anzeiger, Mittwoch, 9.Oktober 2030
Der erneut heiße Sommer, verbunden mit geringen Niederschlagsmengen seit März, hat bei den Landwirten im Voralpenland zu einer katastrophalen Situation geführt. Mancherorts konnte nur ein einziger Grassschnitt zur Fütterung der Kühe beitragen. Jetzt, wo Silos und Heuböden für den Winter prall gefüllt sein müssten, herrscht weitgehend Leere. Im Landkreis Miesbach-Bad Tölz wurden über 800 Stück Vieh vorsorglich geschlachtet. Die Verfütterung von Soja scheitert an den hohen Kosten, die beim Transport aus den traditionellen Anbauländern wie z.B. Brasilien anfallen. Zwar ist der Landkreis aufgrund einer vorausschauenden Energiepolitik, deren Grundstein im Jahr 2000 gelegt wurde, in seiner Energieversorgung autark. Wasser und Futter sind aber für die Landwirte ein unlösbares Problem geworden. Sollte die Entwicklung anhalten werden im nächsten Jahr nur wenige Bauern ihren Betrieb aufrecht erhalten können. Dies wird auch gravierende Auswirkungen auf die Versorgung der Stadtbevölkerung mit Fleisch, Milchprodukten und Eiern haben. Schon jetzt werden 70% unserer landwirtschaftlichen Produkte aus Ländern wie Russland und Schweden importiert. Der Milchpreis liegt derzeit im Schnitt bei knapp 4 Euro pro Liter.


Allgemeine Forstwirtschaftliche Zeitung AFZ,
Dienstag, 29. Oktober 2030
Die Lage in den bayerischen Wäldern ist katastrophal. Kam es schon seit den Jahren 2018 und 2019 immer häufiger zu massenhaften Vermehrungen der Nutzholzkäfer wie Buchdrucker und Kupferstecher, so war die bayerische Forstwirtschaft in diesem Jahr mit einer nie dagewesenen Käferplage konfrontiert.

Nach einem milden Winter sorgte ein trockener Frühling und ein heißer Sommer für ideale Voraussetzungen für Mehrfachbruten. Die ohnedies stark geschwächten Fichtenbestände mussten großflächig gefällt und an Ort und Stelle entrindet werden. Die wirtschaftlichen Schäden für Staats- und Privatwald liegen bei etwa 38 Milliarden Euro. Doch dies ist nur ein Teil des Problems. Damit verbunden wird ein massiver Einbruch der gesamten Bauwirtschaft in den nächsten Jahren sein, wenn das Holz fehlt. Hinzu kommt eine weitere Ausdörrung des Bodens durch den nicht mehr vorhandenen Kronenschirm der Bäume. Die Trockenheit wird eine Wiederaufforstung nahezu unmöglich machen, denn die Jungpflanzen brauchen in den ersten Monaten nach dem Setzen zumindest hin und wieder kräftigen Regen.


Der Loisachbote, Montag, 18. November 2030
Erneut haben heftige Regenfälle zu katastrophalen Zuständen im Loisachtal geführt. Trotz der inzwischen 2,50 Meter hohen Verbauungen im Bereich der Ortschaften und Absiedelung von ca. 4.000 Bewohnern begruben die Wassermassen erneut zahlreiche Häuser und Gehöfte unter sich. Dabei starben 29 Menschen.

Plötzlich eintretender, sintflutartiger Regen sorgte am Samstag für eine Flutwelle, deren Scheitelpunkt in der Nacht zum Sonntag Oberau erreichte. Die monatelangen Hitzeperioden in den letzten zwei Jahrzehnten und der damit verbundene massive Befall mit Borkenkäfern hatten den Fichten und Tannen im Werdenfelser Land den Garaus gemacht. Für die Wassermassen gab es kein natürliches Hindernis mehr. Besonders verheerend wirkte sich aus, dass einzelne abgestorbene Baumstämme mitgerissen wurden und zunächst eine natürliche Sperre bildeten. Als diese brach kam es im oberen Loisachtal zur Katastrophe. Die Wassermassen wälzten zudem Geröll in unvorstellbarem Ausmaß mit sich, das nunmehr die Ortszufahrten von Oberau und Farchant blockiert. Diese Ortschaften werden mehrere Tag aus der Luft versorgt werden, da selbst für schwere Räumfahrzeuge kein Durchkommen ist. Der Landrat hat die Bundeswehr angefordert, um die Arbeiten und die Versorgung der Bevölkerung mit Bergepanzern zu unterstützen.

Süddeutsche Zeitung, Sylvester 2030
Zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union werden alle Mitgliedländer im abgelaufenen Jahr ein Schrumpfen der Wirtschaft verzeichnen. Grund hierfür sieht die Europäische Zentralbank in der geringeren volkswirtschaftlichen Leistung auf Grund häufiger Naturkatastrophen und des damit verbundenen Ausfalls von produktiver Arbeitszeit. „Ein rechtzeitiges und beherztes Reagieren der Staatengemeinschaft auf den sich konkret abzeichnenden Klimawandel zu Beginn dieses Jahrtausends hätte uns diese Entwicklung erspart“ sagte der Präsident der EZB, Lothar Jesinger.