Buchbesprechung: "Der Bankier" von Werner Rügemer

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Buchbesprechung des Buches "Der Bankier - Ungebetener Nachruf auf Alfred Freiherr von Oppenheim" von Werner Rügemer (Autor) erschienen im Nomen-Verlag, Frankfurt

Mögliche Anmoderation könnte lauten: "Wenn von Banken die Rede ist, denkt jeder sofort an die Deutsche Ackermann-Bank, oder auch an die Dresdner Bank. Doch auch kleine Privatbanken, von denen kaum jemand jemals gehört hat, können es ganz schön faustdick hinter den Ohren haben. Hermann Ploppa stellt ein Buch über die Kölner Bank Salomon Oppenheim und Companie vor ..."
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Upload vom 23.03.2007 / 17:23

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Hermann Ploppa
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 23.03.2007
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Im Januar 2005 starb im einundsiebzigsten Lebensjahr der Kölner Bankier
Alfred Freiherr von Oppenheim. Er blieb bis zu seinem Tode persönlich
haftender Inhaber der über zweihundert Jahre alten Privatbank Salomon
Oppenheim und Companie. Die Springer-Zeitung DIE WELT feierte den Freiherrn
zu Lebzeiten als "den letzten Grandseigneur der deutschen Hochfinanz".
Nun stellen wir uns unter einem "Grandseigneur der deutschen
Hochfinanz", der einer zweihundert Jahre alten Privatbank vorsteht, einen
Herrn vor, der gesättigt ist durch auf ewig unkaputtbaren Reichtum. Einen
Herrn, der die schönen Künste fördert und menschenfreundliche Stiftungen
ins Leben ruft. Alfred Freiherr von Oppenheim hat ein geschätztes
Privatvermögen von 3 Milliarden Euro. Er steht auf der Liste der reichsten
Deutschen auf Platz 25, und er ist auf der Weltrangliste der reichsten
Menschen auf Platz 247 zu finden. Die von Oppenheims betreiben zu ihrem
Divertissement das berühmte Rennpferdgestüt "Schlenderhan". Und die von
Oppenheims haben dem Kölner Dom zwei große Fenster gespendet.
Dennoch war der bankierende Freiherr keineswegs altersmilde. Vielmehr
hat er die Oppenheim-Bank zu Europas größter Privatbank gemacht. Und das
mit durchaus aggressiven, zeitgenössischen Methoden. Im Jahre 2003 konnte
"Alfi", wie ihn seine Freunde nennen durften - den Gewinn seiner Bank
innerhalb eines Jahres um 71% steigern.
Wie der adlige Grandseigneur der Hochfinanz das geschafft hat, zeigt
der Publizist Werner Rügemer in seinem Buch mit dem unschuldigen Titel:
"Der Bankier". Der Untertitel des Buches ist schon weniger unschuldig. Der
lautet nämlich: "Ungebetener Nachruf auf Alfred Freiherr von Oppenheim". Es
ist schon klar, daß Herren des großen Geldes Dr. Werner Rügemer nicht für
den geeigneten Mann zur Pflege ihres Angedenkens ansehen werden. Denn
Rügemer publiziert seit Jahren über Auswüchse in der Finanzwelt und schaut
als Mitglied des Vereins Business Crime Control den Reichen und Mächtigen
ganz genau auf die Finger. Viele seiner Erkenntnisse hat Rügemer im Jahre
2004 in seinem Buch "Die Berater" der interessierten Allgemeinheit
zugänglich gemacht.
Und es sind überraschende Einblicke in die Welt der Oppenheim-Bank.
Wer glaubt, daß ein rüpelhafter Ton gegen den Sozialstaat eine Spezialität
der hungrigen Neureichen aus der Heuschrecken-Szene ist, der muß hier
vernehmen, was der Freiherr von Oppenheim zu schwadronieren wußte:
"Den Bürgern muß das süße Gift staatlicher Zuwendungen entzogen werden ..."
Und weiter: "Es ist Zeit die Gesellschaft auf ein langjähriges
Entzugsprogramm einzustellen."

Starker Tobak.
Doch es blieb nicht bei kraftvollen Trompetenstößen. Oppenheim und
seine Freunde gründeten 1954 die "Staatsbürgerliche Vereinigung", um
Spendengeld gezielt an Politiker und Parteien am Fiskus vorbei zu
navigieren. 1980 spendete der Freiherr 1.3 Millionen Mark aus seiner
Portokasse an Helmut Kohl, um schon mal den Boden zu bereiten für das
Entzugsprogramm. Aber auch für Rudolf Scharping wurde großzügig gespendet.
Verteidigungsminister Scharping revanchierte sich, indem er den Weg frei
machte für die Privatisierung der Bundeswehr-Liegenschaften im Gesamtwert
von 10 Milliarden Euro.
Werner Rügemer ist, genau wie die Oppenheim-Bank, in Köln ansässig.
Und so erzählt er uns ein paar deftige Döntjes aus der Kölschen Klüngel-
Szene.
Da war z.B. in den Neunziger Jahren der sozialdemokratische
Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier. Der fand plötzlich, daß Köln dringend
die Köln-Arena, eine Mehrzweckhalle für 18.000 Menschen, brauchte. Und um
die Arena sollte sich das technische Rathaus gruppieren. Und wir wissen
alle, daß private Geschäftsleute ein so ehrgeiziges Projekt am
effizientesten und kostengünstigsten bewerkstelligen können. Da war es doch
sehr nett, daß die Oppenheim-Bank mit einer eigenen Immobilienfirma die
Planung, Bauleitung und Verwaltung übernahm.
Nun sitzen die Kölner in einem Knebelvertrag. Sie müssen für dreißig Jahre
eine immer weiter ansteigende Staffelmiete aufbringen. Zufälligerweise
wurde Ruschmeier wenige Tage nach dem Ende seiner Amtszeit 1998
Geschäftsführer bei Oppenheim & Companie ...
Zum Glück leben wir ja in einer Demokratie. So wählten die Kölner die
korrupten Sozialdemokraten ab. Da Freiherr von Oppenheim ein kluger Mann
war, hatte er das vorausgesehen und rechtzeitig massiv in die CDU und in
deren neuen Oberbürgermeister Fritz Schramma investiert. Schramma sah die
Zeit gekommen für den Bau neuer Messehallen. Zum Glück gab es die Esch-
Oppenheim-Immobilien-Holding, die für die vier Messehallen einen Endpreis
von 330 Millionen Euro und damit etwa 200 Millionen mehr verlangte als ein
Mitanbieter. Schließlich muß auch der Kostenfaktor "Projektentwicklung" mit
56 Millionen Euro berücksichtigt werden.
Damit die Messe-Gesellschaft den von Esch-Oppenheim projektierten Mietpreis
überhaupt aufbringen kann, müßte sie 20.7 Millionen Euro pro Jahr mehr
verdienen als jetzt. Für den zu erwartenden Fehlbetrag wird also der Kölner
Steuerzahler in Vorlage treten müssen ...
Aber Oppenheim gibt sich nicht mit kommunalen Schnäppchen zufrieden.
Durch Beteiligungsfirmen mit Namen wie: "Argantis" erwirbt das Oppenheim-
Imperium mittelständische Unternehmen und holt in einem "Verwertungszyklus"
von durchschnittlich sieben Jahren traumhafte Renditen für ihre Teilhaber
heraus.
Oppenheim, diese noble altehrwürdige Privatbank, mischt voll mit in der
Heuschreckenszene.
Geschickt hatte es der Oppenheim-Clan in den Fünfziger Jahren
verstanden, sich als Nazi-Opfer darzustellen. Auch das spielt mit bei der
Immunität gegen kritische Beobachtung, die dem Gebaren der Oppenheim-Bank
immer noch zuteil wird. Rügemer erinnert in seinem Buch daran, daß die
Oppenheim-Bank zu den Stützen der Kriegswirtschaft des Nazi-Systems gehört
hat. Ganz offiziell zählte das Oppenheim-Imperium, das ab 1938 bis zum
Kriegsende unter dem Namen des Teilhabers und späteren Adenauer-Vertrauten
Robert Pferdmenges auftrat, zu den "kriegswichtigen" Banken, die - so
Rügemer - "den finanziellen Rückhalt des NS-Regimes bildeten." Die
Oppenheims genossen Reisefreiheit wie kaum ein reichsdeutscher
Volksgenosse, und sie managten die Arisierungen in besetzten Ländern.
Wie das? Die Oppenheims waren doch selber Juden?
Dieser makabren Absonderlichkeit forscht Rügemer nicht nach. Einen Hinweis
könnte jedoch ein Eintrag des US-Botschafters in Berlin, William E. Dodd,
vom Freitag, dem 19. Januar 1934 in sein Tagebuch geben. Dort heißt es:

"Mit meiner Frau und meinen Kindern war ich auf der Party von Baron
Eberhard von Oppenheim, der als Jude immer noch in seinem bisherigen
Lebensstil in unserer Nähe wohnt. Viele deutsche Nazis waren zugegen. Es
wird berichtet, daß Oppenheim der Nazi-Partei 200.000 Mark gespendet hat.
Dafür hat dann die Partei eine Ausnahme gemacht und ihn zum Arier erklärt."

Während der jüdische Hamburger Bankierkollege Max Warburg noch versuchte,
die Reste seines Einflusses zugunsten der jüdischen Gemeinde in Hamburg
einzusetzen, dann aber 1938 selber fliehen mußte, betrachteten sich die
Oppenheims nicht mehr als Juden, sondern als Arier.

Das Buch von Werner Rügemer enthält solide recherchierte Berichte. Wir
finden dort aber auch eine lebendige Reportage von der Trauerfeier für den
verstorbenen Freiherrn, die im Kölner Dom stattfand. Wir sehen vor uns
diese Gesellschaft von Persönlichkeiten, die als Politiker oder Medienleute
dem Freiherrn zu dessen Lebzeiten loyal zugearbeitet haben, und nachdem sie
ihre Beute dem Herrn dargebracht hatten, dankbar von Oppenheim ihre
Belohnung zugeteilt bekamen wie dereinst die Hintersassen ihr Lehen vom
Landesherrn zuerteilt bekamen.
Nun wird man sich vielleicht wundern, daß einige Textzeilen
geschwärzt sind. Werner Rügemer versichert uns, daß das Verständnis des
Gesamtzusammenhanges dadurch nicht wirklich versperrt sei. Die geschwärzten
Stellen seien eher läppische Nebensächlichkeiten.
Der Verursacher dieser Text-Verstümmelungen ist ein übereifriges
Anwaltsbüro in Berlin, das im Namen der Oppenheim-Familie die
Veröffentlichung des Rügemer-Buches verhindern wollte.
Es gibt einen Anwälte-Überschuß in Deutschland, und es grassiert in diesem
Berufsstand eine hektische Suche nach Arbeitsgelegenheiten. Deshalb wird
augenblicklich mit Abmahnungen und einstweiligen Verfügungen
herumgestochert, daß es nur so seine Art hat.
Hier ist der Gesetzgeber dringend gefordert, einen energischen und vor
allen Dingen wasserdichten Riegel vorzuschieben. Anderenfalls wäre die
Meinungs- und Pressefreiheit nachhaltig in Gefahr. Die Kontrolle der
Reichen und Mächtigen durch eine aufmerksame und freie Öffentlichkeit ist
immer ein ganz wichtiges Element unserer Demokratie gewesen.