Buchtipp: Planet der Slums

ID 16343
 
Slum ist nicht gleich Slum – das macht Mike Davis in seinem globalen Ansatz deutlich. So gibt es große Unterschiede bei den geschätzten 200.000 verschiedenen Slumvierteln auf der Welt: die Semi-Slums in Chinas Städten gehören dazu, die Megaslum-Gebiete rund um Mexiko-City oder die Slums in Afrika, wo es praktisch keine Infrastruktur gibt. Das Bevölkerungswachstum in den Städten wird die dort bereits bestehenden Probleme aber noch radikal verschärfen.
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mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 12.04.2007 / 11:33

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Klassifizierung

Beitragsart: Rezension
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales
Serie: Radio Palmares - Magazin
Entstehung

AutorInnen: Markus Kilp
Kontakt: tomschrott(at)yahoo.com
Radio: PalmaresPB, Paderborn im www
Produktionsdatum: 11.04.2007
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Anmoderationsvorschlag:

Mike Davis ist ein Autor mit viel Gespür für relevante Themen: Mit seinen 1990 erschienen "City of Quartz“ - Ausgrabungen der Zukunft in Los Angeles" schrieb der Historiker einen Klassiker der Stadtsoziologie. Inzwischen hat sich Davis globaleren Themen zugewandt: Mit „Die Geburt der Dritten Welt“ legte er 2002 eine vielbeachtete Studie über den Zusammenhang von Weltklima und Weltökonomie im imperialistischen Zeitalter vor. Ende 2005 erschien sein Buch zur „Vogelgrippe“ in Deutschland – zeitgleich mit dem Auftreten der Krankheit in Europa. Unser Buchtipp im April ist nun seine neueste Studie: „Planet der Slums“. Markus Kilp hat das Buch für uns gelesen:


Text / Sprecher1:
Irgendwann in diesem oder im darauffolgenden Jahr werde – so Mike Davis - die urbane Wende stattfinden: das bedeutet, es werden erstmals mehr Menschen in den Städten leben als auf dem Land. Das zukünftige Bevölkerungswachstum wird dementsprechend ausschließlich in den Städten stattfinden. Welche politischen und sozialen Folgen das vor allem für die sogenannte dritte Welt hat, macht Mike Davis in seinem neuen Buch deutlich. „Planet der Slums“ heißt es und ist ein typisches Mike Davis-Buch. Warum typisch Mike Davis?
Er packt erneut ein ganz aktuelles und heißes Eisen an: Ein Thema, das bei vielen auf der Agenda steht, aber an das sich niemand wirklich ranwagte. Und wieder einmal bemüht der Soziologie unzählige Studien, Fakten und Untersuchungen, um ein schwieriges Thema transparenter zu machen. Ermöglicht hat ihm das - so Davis selbst - eine Untersuchung mit dem Titel „The Challenge of Slums“, die 2003 vom "Habitat"-Programm der UNO erstellt wurde.


Nach der konservativen Rechnung dieses Berichts leben gegenwärtig mehr als eine Milliarden Menschen in Slums.
Aber Slum ist nicht gleich Slum – das macht Davis in seinem ebenfalls globalen Ansatz deutlich. So gibt es große Unterschiede bei den geschätzten 200.000 verschiedenen Slumvierteln auf der Welt: die Semi-Slums in Chinas Städten gehören dazu, die Megaslum-Gebiete rund um Mexiko-Städte oder die Slums in Afrika, wo es praktisch nichts gibt.

Eins macht Mike Davis dazu ganz klar: Das Bevölkerungswachstum in den Städten wird die bereits bestehenden Probleme noch radikal verschärfen. Zum Beispiel in Südasien: die Zunahme städtischer Haushalte bezieht sich hier zu 90% auf Slums. In Bombay rechnet man beispielsweise mit einem Bevölkerungsanstieg auf 33 Millionen Menschen – wobei bezweifelt wird, ob solch ein Molloch überhaupt lebensfähig sein wird.

Mike Davis entwirft hier nicht nur einen Ausblick auf zukünftige Probleme, er analysiert und kritisiert auch Fehler in der neoliberalen „Entwicklungspolitik“ von Weltbank und IWF. Warum vewandeln sich beispielsweise afrikanische Dörfer und Oasen in hoffnungslos überbevölkerte Millionenstädte? Das hat – so Davis – auch seine Ursachen: in diesem Fall in der Deregulierung der afrikanischen Binnenmärkte und drastisch gekürzten Infrastrukturmaßnahmen: Die Bauern auf dem Land hat schlicht keine Lebensgrundlage mehr.




„Die klassische Urbanisierung, wie wir Sie von Manchester, Chicago oder Berlin kennen“ – so sagt Davis in einem Interview - „finde man heute nur noch in China. Überall sonst wüchsen Städte weitgehend ohne Industrialisierung, schlimmer noch: ohne Entwicklung“.

Mit „Planet der Slums“ legt Mike Davis erneut eine faktenreiche – wichtige – soziopolitische Studie vor.
Auch wenn der Leser manchmal von Fakten überrollt wird und dabei über den Planeten von Slum zu Slum springen muss, ist das Buch gut lesbar. Anschauliche Beispiele sorgen für Klarheit.
Weitergehende Lösungsansätze für die beschriebenen Probleme bietet Mike Davis allerdings nicht. Dazu sind auch seine erläuternden Thesen zu knapp gehalten. Allerdings hat er im Nachwort bereits eine Nachfolgebuch angekündigt – darin soll es um Widerstandformen in Slums gehen. Ich bin schon gespannt.


Abmoderationsvorschlag:

„Planet der Slums“ von Mike Davis ist im Februar bei Assoziation A erschienen. Knapp 250 Seiten gibt es im gut sortierten Buchladen oder an den entsprechenden Büchertischen für 20 Euro.