Deutsches Filmwunder - Nazis immer besser

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Anlass des Features ist das gleichnamige Buch von Dietrich Kuhlbrodt - längst fällig zum Boom von Filmen wie 'Der Untergang' oder 'Napola'. Ein Überblick über 50 Jahre bundesdeutsche Filme zum Nationalsozialismus. Mit Helge Schneider (Mein Führer), Bruno Ganz (Der Untergang) und Eduardo Bender (Der Ärgermacher) - und weiteren Filmausschnitten. Und eine nachdrückliche Buchempfehlung!
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15:32 min, 14 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 03.04.2008 / 19:33

Dateizugriffe: 897

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur, Politik/Info
Serie: 35 Millimeter
Entstehung

AutorInnen: Andreas Reimann
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 25.04.2007
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
(leander...)

Ich weiss es wird einmal ein wunder geschehen – das sang zarah leander 1942 in dem Propagandafilm 'Die große Liebe'. Nun ist ein solches filmwunder geschehen, 50 Jahre nach dem sogenannten untergang des dritten reichs – ein deutsches Filmwunder.

(Untergang)

Der Filmkritiker Dietrich Kuhlbrodt, Jahrgang 1932 hat über dieses leinwandmirakel ein Buch geschrieben - Deutsches Filmwunder – nazis immer besser. Ein bewusst polemischer Titel.

Dietrich Kuhlbrodt gehörte schon immer zur Generation einer engagierten, leidenschaftlichen Filmkritik in Deutschland - Langweilig spröde Traktate über flmwissenschaftliche Themen sind nicht seine Sache. Kino ist ein Teil persönlicher Geschichte, und Kuhlbrodt hat entsprechend ein polemisches, subjektives Buch geschrieben. Verschärft wird das ganze noch dadurch, dass der schauspieler Kuhlbrodt selbst in einigen Filmen Nazis gespielt hat. Und es ist gut, dass er hier auf alle falsche Bescheidenheit verzichtet und uns diese Episoden nicht erspart. Angezogen hat er die Naziuniform vor allem für Christoph Schlingensief. Krisenexperiment nennt die Kulturwissenschaft das.

(...)

'Es geht nicht an, den faschismus als ein dem eigenen Selbst gegenüberstehendes Fremdes zu begreifen' - das stammt nicht von Dietrich Kuhlbrodt, sondern von Klaus Theweleit. Theweleit bildet einen zentralen Bezugspunkt für Kuhlbrodt – und wer aus Theweleits Büchern den subjektiven und assoziativen Schreibstil kennt, wird davon bei Kuhlbrodt einiges wiederfinden.

Den Faschismus nicht als ein dem Selbst gegenüberstehendes Fremdes zu begreifen bzw. abzutun – das ist nicht nur eine selbstkritische haltung des oft in Naziuniformen steckenden Schauspielrs Kuhlbrodt, sondern auch des Filmkritikers.

Deutscher Faschismus im deutschen Kino also. Die Zeit war längst reif für dieses Buch. Nazis sind ein populärer Dauerbrenner im deutschen Kino – das war in den 50er Jahren so, als Paul May seine unsäglichen 08/15 – Militärdramen gedreht hatte, und es ist in den 2000ern so. Im Fernsehen haben wir Guido Knopp und im Kino das Wunder von Bern – und natürlich die üppigen Dritte-Reich-Gemälde von Eichinger und co. Der Untergang ist out – die Auferstehung des Dritten Reichs ist in! Zumindest auf Zelluloid!

(....Napola???)

Kubhlbrodts Buch bietet einen Überblick über 50 Jahre deutsches Kino. Von der Zensur amerikanischer Filme wie Casablanca, African Queen oder Berüchtigt bis zu den über 500 Militär- und Kriegsfilmen der 50er Jahre. Damals stand Deutschland im Zeichen der Wiederbewaffnung, und im Kino wurde das Bild vom aufrechten Wehrmachts-Soldaten gepflegt. Böse waren nicht die Soldaten, böse waren die Nazifunktionäre, die dem redlichen Schütze Arsch die Drecksarbeit überliessen und zu guter Letzt auch noch alles versaut haben.
Oh ja, Hätten wir Deutsche damals nicht die Nazis gehabt, dann hätten wir sicher den Krieg gewonnen. Eine gern gesehene Botschaft im Kino der 50er jahre.


Heute brauchen wir die bösen Nazis gar nicht mehr, um den eigenen Opa in einem besseren Licht zu sehen – heute bekommen wir in den moralisch biederen Melodramen von Napola bis Sophie Scholl, von Rosenstrasse bis zum Untergang den Schlag des menschelnden und sogar verbesserten Nazis vorgesetzt. Wie bitte? Hitler war menschlich? Na, dann - mein Opa auch!

(....)

Also - Nazis immer besser! So ja auch der Titel des Buchs. Besondere Aufmerksamkeit widmet Kuhlbrodt dem Jahr 1977. Damals erschien nicht nur Joachim Fests Hitler-Film, sondern auch Jürgen Syberbergs monumentaler Streifen `Hitler – ein Film aus Deutschland`. Hitler – das Faszinosum. Hitler, das Monster.
Was war das Dritte Reich? Genau, eine One-man-Show des Irren aus Braunau. Ich wars nicht – der Hitler wars.

Den Stoff für diese emotionale Entlastung lieferte Joachim Fest mit seinen Hitler-Büchern und dann auch noch mit seinem Film. Kuhlbrodt nennt es knapp und ironisch 'das fest-Gefühl'.
Ein Fest der Sinne bietet dann auch Syberbergs ambitioniertes 7 Stunden
langes Opus. Hitler steckt in uns, das ist ein Ausgangspunkt Syberbergs, der ihn von Joachim Fest unterscheidet. Aber Syberberg bleibt auf halbem Wege stehen, wie Kuhlbrodt schreibt, noch schlimmer, er gleitet ab ins Pathetische. Dem setzt Kuhlbrodt die Arbeiten Klaus Theweleits gegenüber, namentlich die Männerfantasien, erschienen zur gleichen zeit wie Syberbergs Film.

Theweleit ist vor allem eines wichtig:
Wer Geschichte erkennen will kommt nicht ohne eine Erfahrung des eigenen Unbewussten aus.
Theweleit will damit eine aktive Auseinandersetzung ermöglichen, um den Faschismus im eigenen Unbewussten zu erkennen. Und was macht Syberberg? Er entwirft ein Kolossalgemälde des Abendlandes mit Hitler als Hauptdarsteller. Der Zweck des Ganzen? Keine Erkenntnisse wie bei theweleit, sondern eine Verteidigung des Irrationalen. Syberberg will uns mit seinem Film von den Zwängen des kritischen Rationalismus frei machen und vom Rechts-Links-Schema des Antifaschismus. In Syberbergs Film raunt und rauscht es wie in einer Waschmaschine. Wagnermusik satt. Statt Ironie waltet das Pathetische, statt auf aktive Analyse – wie bei theweleit - setzt Syberbergs Film auf die passive Macht der Verführung.

(Wagner??)

Wer nun glaubt, Kuhlbrodt plädiere mit seinem Buch für pädagogisch saubere Lehrfilme ist schief gewickelt. Im Gegenteil. Als Winfried Bonengel 1993 den aalglatten Neonazi Ewald Althans in seinem heiß umstrittenen Dokumentarfilm 'Beruf Neonazi' ohne didaktisches Federlesen porträtiert, gehört Kuhlbrodt zu denen, die den Film verteidigen. Die Debatte um das unkommentierte Porträt eines führenden Neonazis erreichte seinen absurden Höhepunkt, als die Justiz eingeschaltet wurde – freilich nicht um den Nazi aus dem Film vor Gericht zu bringen, sondern den Film selbst.

Es wurde zur Bekenntnisfrage ob man einen Film wie Beruf Neonazi ohne pädagogischen Kommentar an die Öffentlichkeit lassen soll oder nicht. Und es traf ja nicht nur den Regisseur Bonengel, auch 'Stau – Jetzt geht's los' von Thomas Heise hatte Anfang der 90er den Mut das Leben von Neonazis in Halle zu zeigen –
ohne die Krücke eines Kommentars

Wie will das deutsche Publikum im Kino Nazis erleben? Offenbar nur aus größtmöglicher Distanz, durch zwischengeschalteten Kommentar. Kinobilder zu kommentieren, läuft in der Regel auf das Einordnen in Schubladen hinaus. Der Gefühlsgehalt der Bilder wird durch den Kommentar zu Nichte gemacht. Und eines dürfte dann klar sein: die anderen sind die Faschisten, und nicht ich! Und der eigene Opa war ja auch nur ein Opfer Hitlers gewesen.

Angela Merkel forderte damals 1993 die Abrüstung auf den Bildschirmen – während zeitgleich alles auf das Blauhelm-Urteil warteten: Deutsche sollen wieder im Ausland kämpfen. Und der Focus fragte damals: – wer bitte stoppt denn nun die Gewalt im Fernsehen...

Wie gefährlich sind Filme über Nazis? Sind sie womöglich in der Lage, die Zuschauer zu Nazis zu machen? Kuhlbrodt lässt sich auf diese medienpädagogische Debatte gar nicht erst ein. Und das ist gut so. Mag sein, schreibt Kuhlbrodt, dass eine Dokumentation wie beruf neonazi durch einen Kommentar oder einen Vortrag ergänzt werden soll – aber was ist dann mit Filmen wie Napola oder der Untergang – da kommt keine Filmbewertungsstelle auf die Idee, die Filmvorführung an Bedingungen zu knüpfen.

Kuhlbrodt macht anhand vieler Beispiele deutlich, dass es gerade die kleinen, wenig repräsentativen Filme sind, die gegängelt, in Frage gestellt und schließlich im Fernsehen auf die hinteren sendeplätze geschoben werden – wenn die Programmverantwortlichen es überhaupt so weit kommen lassen. Ein Film wie Hitlers Hitparade, in denen unterschiedlichstes Bildmaterial von Wochenschauen, Spielfilmen bis hin zu damaligen Trickfilmen gegeneinander geschnitten werden – übrigens auch wieder unter Verzicht auf eine Kommentierung – ein solcher Film wird 2005 von der Programmdirektion des ZDF erst gar nicht gesendet. Und das, obwohl das ZDF an der Produktion des Films selbst beteiligt war. Auf konsequente Weise werden in Hitlers Hitparade Durchhalteschlager von Zarah Leander oder Marikka Röck mit Bildern von Pogromen und dem Warschauer Ghetto kontrastiert. Eben noch macht sich das Kabarett der Querpfeifen über die 'Konzertlager' lustig, da sehen wir einen Schulungsfilm über den Umgang mit Zyklon B – und der Mahnung, das Giftgas gehöre in 'geübte Hände' – Und: Ach ja, 'Händewaschen nicht vergessen!'

Der Programmdirektor des ZDF begründet seine Ablehnung von Hitlers Hitparade wie folgt:

Wir haben über Jahre ...161 ...der Ereignisse“

Offenbar hält das ZDF sein Publikum für ziemlich dämlich – nach Jahren des Politboulevards a la Guido Knopp erklärt das ZDF die Zuschauer als nicht genug mündig für einen verstörenden Film wie Hitlers Hitparade.

Wie gesagt, es gibt eben nicht nur das etablierte und repräsentative Format der verbesserten Nazis, mit den melodramatischen Episoden unserer netten Opis – egal ob bei Guido Knopp oder mit Bruno Ganz – Kuhlbrodt stellt der Knoppisierung und Eichingerei die Arbeiten von Christoph Schlingensief, Jörg Buttgereit oder Romuald Karmaker entgegen. Kleine, wenig repräsentative Filme, oft gedreht ohne Vorgaben einer Filmförderstelle. Oder OI-Warning von den Gebrüder Reding oder auch Muxmäuschenstill von Marcus Mittermaier, der Film über einen smmarten Ordnungsfanatiker in der Berliner Republik.

Schlingensief, Buttgereit? Ist das nicht schlechter billiger Geschmack? - Jawohl, sagt Kuhlbrodt, ganz ihrer Meinung!
Aber wenn dieses deutsche Format der totalen Nazinormalität, das biedere und kitschige TV-oder Kino-Schmierenstück nicht nur fiktiv benutzt wird und zur Unterhaltung dient, sondern – und nun Zitat Kuhlbrodt –
„tatsächlich und zur politischen Restauration, dann schreien mich diese nun gar nicht mehr unschuldigen Bilder an:
Zerkratz mich, besudel mich, spray Graffiti drauf, mach was!“

Dietrich Kuhlbrodt: Deutsches Filmwunder – Nazis immer besser, 199 Seiten, Konkret Literatur Verlag 15 euro

Kommentare
06.01.2010 / 11:24 johannes,
gesendet am 6.1.2010 in GEGENLICHT-Das Filmmagazin
schönes Feature, herzlichen Danke