MAldito Tango

ID 21801
 
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Die CD Maldito Tango des argentinischen Sängers Melingo fasziniert durch einen an Tom Waits erinnernden Gesang und der Offenheit, die diese Produktion gegenüber anderen Musikstilen an den Tag legt.
Audio
07:34 min, 7096 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 02.04.2008 / 12:09

Dateizugriffe: 363

Klassifizierung

Beitragsart: Rezension
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Musik
Entstehung

AutorInnen: Thomas Schroedter
Kontakt: tomschrott(at)yahoo.com
Radio: PalmaresPB, Paderborn im www
Produktionsdatum: 02.04.2008
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Melingo, Maldito Tango, Mañana/ Naive
In seinem Roman „Der Bandoneonspieler“ beschreibt Vincenzo Todisco, wie wenig der Tango in die Schweiz passt und der "Held"; des Romans flüchtet in die Welt seines Großvaters nach Argentinien, wo dieser sich als Bandoneonspieler Che Guevara angeschlossen hatte. Der Weg von der Begeisterung für diesen Tanz führt im Roman aus der Konsumwelt der Eidgenossen, mit ihrer seelischem Leere und ihrer gespielten Sinnlichkeit, zu den Wurzeln des Tangos, in ein Argentinien, das so gar nichts mit der Wirklichkeit im Grandhotel am See in der Schweiz gemein hat. Genau daran muss ich denken, wenn sich Maldito Tango von Melingo sich zum wiederholten Male in meinem CD Player dreht. Vor meinen Augen bewegen sich Mittelstandspäärchen, die sich zu den Klängen von Bandeon, Gesang und Gitarre im Kreise, bevor sie sich an der Bar niederlassen um ein Gläschen trockenen Wein oder Prosecco zu trinken, zu einem Preis, für den man an einer Tankstelle ein bis zwei Flaschen in gleicher Qualität bekommen würde.
Die Begeisterung dieser Menschen, für die "diese starke Komponente des bajofondo (des Tief-Unten, der Unterwelt), der Dunkelheit, der Sehnsucht, der Traurigkeit, des Elend"; des Tangos hat etwas Fremdes, dass mich immer schnellstens von solchen Veranstaltungen verschwinden lässt. Exotismus, womit die Begeisterung für eine Kultur, des sogenannten Wilden, oder auch des verucht Fremden bezeichnet wird, hat zu oft eine Nähe zu einem sehr subtilen Rassismus.
Aber wie soll man mit der Faszination umgehen, die von einer Produktion wie Melingos „Maldito Tango“ ausgeht? Vielleicht ist es dazu ratsam in der musikalischen Biographie von Melingo zurückzugehen. Zwischen 20.000 und 30.000 Menschen, die man Desaparecidos nennt, verschwanden in der Zeit der Militärdiktatur in Argentinien spurlos. In den achtziger Jahren, mit dem Ende dieser Terrorherrschaft waren es Rockbands, wie Los Abuelos de la Nadaund Los Twist, in denen Melingo mitspielte, die eine kulturelle Reaktion auf die Militärdiktatur und deren Ende repräsentierten. Das rebellische Element dieser Zeit verbindet sich auf Maldito Tango mit Themen des Bajofondo in Melingos Tangointerpretatiomen, die sich in der Welt der Verlierer des städtischen Lebens Südamerikas oft kreuzen.
Es geht in den Liedern Melingos um die Leute, die man hierzulande neudeutsch Prekariat nennt, die es aber auf eine Art und Weise schaffen das Leben zu leben, wie es sich einer sozialwissenschaftlichen Rationalität weitgehend entzieht. Sie sind es, die den Stoff für diese CD Produktion liefern. Das geschieht in einer Form die sich nicht auf das trotzig Freche des Punks reduziert. Auch die machistische Attitüde der Rockmusik taucht eigentlich nur als ironisch verarbeitet auf. Die so entstehende Vermischung von traditioneller Musik verrauchter Kneipen und jugendkulturellem Aufbegehren des späten 20. Jahrhunderts werden versehen mit einem Gesang, der Melingo schon einmal die Bezeichnung „Tom Waits“ des Tango einbrachte. Eine solche Musik hat es nicht verdient, lediglich auf dem Abschlussballs des örtlichen Tango-Volkshochschulkurses eingeschränkt zu werden. Diese Musik gehört genau so auf die Bühnen autonomer Jugendzentren und in Eckkneipen von denen es auch in Deutschen Städten einige zwielichte gibt. Ich bin sicher, das Verständnis dieser Musik wäre in solch einem Ambiente sehr nah an den Realitäten, die sie beschreibt. Ich bin genau so sicher, dass diese Musik dort auf die gleiche Faszination stoßen würde, die sie bei denjenigen auslöst, für die sie ein Art Sehnsucht nach exotischer Unterfütterung ihres spießigen Lebens ist. Da sind wir dann auch wieder bei Pablo, dem Antihelden in „Der Bandoneonspieler“. Er empfindet nichts als Verachtung der für den wohlhabenden Architekten, zu dem seine Frau Nadja, die Mutter seines Sohnes, übergelaufen ist. Sicherlich wird diese CD wohl in erster Linie von eben solchen Architekten gekauft werden -und man kann für Label und Künstler hoffen, dass es möglichst viele davon gibt. Aber richtig erfreulich wäre es, wenn diese CD auch den Zugang zu genau denjenigen findet, die hier viel viel näher am Milieu des besungenen argentinischen „bajofondo“ ihren kulturellen Weg bestreiten.
Thomas Schroedter

Kommentare
06.04.2008 / 17:14 theo,
gesendet am 6.4.2008 zwischen 14.00-15.00 in "Aus Politik und Gesellschaft"
danke