Interview mit Anne Nivat zur Situation in Tschetschenien - Teil 4

ID 2206
 
Interview zur Situation in Tschetschenien im Dezember 2001. Viel hat sich daran nicht geändert, mensch bräuchte dazu wohl noch einen anderen Menschen, der oder die dezidiert sagen kann, dass sich nix geändert hat.
Fragen auf deutsch, Antworten auf englisch.
Audio
06:41 min, 3131 kB, mp2
mp2, 64 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 28.10.2002 / 14:34

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Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: english
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Walter Kuhl, Redaktion Alltag & Geschichte
Radio: RadaR, Darmstadt im www
Produktionsdatum: 28.10.2002
keine Linzenz
Skript
Frage 13:

Was denken Sie, was man Sinnvolles tun kann? //

Wenn Leute die Berichte aus Tschetschenien hören oder lesen, sind sie wirklich betroffen. Aber gleichzeitig wirkt diese russische Propaganda, die auch in fast allen westlichen Mainstream-Medien betrieben wird; weil auch das Verhältnis zwischen Russland und den westlichen Ländern so kompliziert ist.
Niemand versteht wirklich, was in Tschetschenien abgeht. Und niemand weiß, was zu tun ist. Es ist sehr schwierig, wirklich konkret etwas zu tun, denn es sind keine Hilfsorganisationen vor Ort. Natürlich kann man helfen, indem man die “Ärzte ohne Grenzen” unterstützt oder das Rote Kreuz. Aber das wichtigsten findet Anne Nivat, aufmerksam zu sein, die Situation genau zu analysieren, selbst meinungsbildend zu wirken. Ganz offensichtlich ist dieser Krieg auch nützlich – für Russland – aber auch für einige Tschetschenen. Jeder Krieg ist auch nützlich.
Die Leute in Russland sind davon überzeugt, dass der Krieg gegen Tschetschenien ein gerechfertigter Krieg ist. Bei ihren Reisen in den nördlichen ehemaligen Sowjetrepubliken hat sie es oft erlebt, dass die Leute ihr nicht geglaubt haben, aber Anne Nivat hat selbst erlebt, wie ganze Dörfer kaputtgebombt wurden.
Sie würde sich sehr wünschen, dass die Menschen in Russland wie im Westen sich frei informieren könnten, aber es kommt nur sehr wenig Information durch. Journalismus ist wie Mode: Im Winter 1999/2000 war Tschetschenien das Thema, jetzt ist das komplett vorbei.


Frage 14:

Ich nehme an, die Politiker haben auch ihre eigenen Quellen, um genau zu wissen, was sie in Tschetschenien – oder gegen Tschetschenien – unterstützen. //

Die Politiker wissen genau, was in Tschetschenien vor sich geht. Aber sie wollen es nicht wahrnehmen. Sie greifen sich nur die Informationen heraus, die ihnen helfen, ihr eigenes Handeln zu legitimieren.
Das sei leider nur allzu menschlich.


Frage 15:

Wenn Sie berichten, aus Tschetschenien heraus, aus Russland heraus, für westliche Medien – gibt es überhaupt westliche Medien, die ein Interesse daran haben, darüber zu berichten? Und: Für welche Medien berichten Sie gerade? //

Es gibt gerade kein Interesse mehr an der Situation in Tschetschenien. Wenn nicht etwas Neues vorfällt, werden keine Artikel über Tschetschenien erscheinen. So funktionieren die Medien.


Frage 16:

So, das wäre jetzt, was ich zu fragen gehabt hätte. Trotzdem nochmal die Frage, ob Ihnen noch was Wichtiges einfällt? //

Immer wieder kommen Menschen auf sie zu, die ihr das Kompliment machen, dass sich ihr Buch lese wie eine Erzählung. Aber es ist keine Erzählung. Anne Nivat wäre froh, wenn das, was in ihrem Buch steht, nur Fiktion wäre – aber kein Wort davon ist erfunden.