Sylvia Rivera

ID 23262
 
Seit einigen Jahren gibt es zur Erinnerung an Sylvia Rivera in New York den "Sylvia Rivera Way", das "Sylvia Rivera Law Project" und die MCC-Kirchengemeinde richtete "Sylvia´s Place" für obdachlose Jugendliche ein.
Wer war Sylvia Rivera?
Sylvia Rivera: "Wir müssen heute wieder gegen die Regierung kämpfen. Wir müssen gegen ihre Politik kämpfen.
Sie reduzieren das medizinische Hilfsprogramm ...Sie schränken die Hilfen für Menschen mit AIDS ein. Sie wollen Frauen etwas von ihrer Sozialhilfe wegnehmen... Sie werden auch die Unterstützungen für alte und behinderte Menschen weiter kürzen...
Diese Leute, die Einschnitte in den sozialen Hilfen wollen, machen Millionen und Millionen und Millionen von Dollar als Generaldirektoren."
"Ich bin froh, dass ich beim Stonewall-Aufstand dabei war. Ich erinnere mich daran, wie jemand einen Molotov Cocktail warf und ich dachte: „Mein Gott, die Revolution ist da. Die Revolution ist endlich da!“...
Ich bin froh, dass ich in jener Nacht dabei war. Es war der Moment als ich sah, wie sich die Welt änderte, für mich und meine Leute. Selbstverständlich haben wir noch einen langen Weg vor uns."
Audio
45:16 min, 28 MB, oga
vorbis, 88 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 14.07.2008 / 13:58

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Schwul, Frauen/Lesben, Internationales
Entstehung

AutorInnen: Christina Schieferdecker
Radio: frs, Stuttgart im www
Produktionsdatum: 14.07.2008
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Der folgende Text ist länger als der Sendungstext - vielleicht möchte jemand ja selbst etwas machen..

Sylvia Rivera

1. Bis Stonewall

Der CSD geht zurück auf Ereignisse, die sich 1969 in und um die Bar mit Namen Stonewall Inn in der Christopher Street in New York ereigneten. In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni wehrten sich die Gäste des Stonewall Inn gegen unangebrachte Schickane und Übergriffe durch die New Yorker Polizei. Sylvia Rivera war eine davon. Sylvia Rivera ist eine Stonewall Veteranin und die Mutter der amerikanischen Transgender-Bewegung.

Sylvia Rivera wurde am 2. Juli 1951 (als Rey Rivera Mendoza) geboren und starb am 19. Februar 2002 in New York an den Folgen von Leberkrebs. Sylvia Rivera wäre also diesen Monat 57 Jahre alt geworden. Am 27 Juni 1969, als sich die Unruhen um die Bar Stonewall Inn ereigneten, stand Sylvia Rivera kurz vor Ihrem 18. Geburtstag.

Ich werde im Folgenden übrigens fast immer von Transgendern reden. Sylvia Rivera nennt sich selbst mal Drag Queen, mal Transvestit und mal Transgender. Transgender ist der Oberbegriff hierzu, auch in den USA. Ich werde beim Wort Transgender deshalb bleiben, um keine Verwirrung zu erzeugen.

In den 60er Jahren bis in die 70er, und manchchmal sogar noch heute, wurden Transsexuelle, Drag Queens, Transvestiten häufig als Homosexuelle bezeichnet, bzw. zu den Homosexuellen gezählt. Selbst heute behauten deutsche so genannte Wissenschaftler immer noch, Transsexualität wäre eine Vorstufe der Homosexualität. Mit solch einem Blödsinn, vor allem aus der Ecke der Psychoanalytiker, musste man sich damals besonders herumschlagen. Zudem gab es noch nicht dieses Bewusstsein der Betroffenen, wer sie sind und dass sie auch Menschenrechte haben, für die sie eintreten können. Dieses Bewusstsein entwickelte sich erst nach Stonewall und diese Entwicklung ist noch immer nicht abgeschlossen.

Doch zurück zu Sylvia Rivera.

Seit ihrem 10. Lebensjahr lebte Sylvia Rivera auf der Straße und schlug sich durch so gut es ging. Auch in ihrem weiteren Leben gab es immer wieder Zeiten, in denen Sylvia Rivera obdachlos war und auf der Straße lebte. Diese Zeit hatte sie sehr geprägt. So kämpfte sie auch für obdachlose Jugendliche, vor allem für obdachlose Transgender, doch dazu später mehr.

Über ihre Erfahrungen mit der Polizei in den 60er Jahren und ihr Leben auf der Straße, erzählte Sylvia Rivera in einem Interview mit Lelie Feinberg folgendes:

„Ich verließ mein zu Hause 1961 mit zehn Jahren. Ich ging auf der 42. Straße anschaffen. Die frühen 60er waren keine gute Zeit für Drag Queens, für sehr weibliche Jungs oder Jungs, die wie wir Makeup trugen. Damals wurden wir von der Polizei zusammengeschlagen, von jedem wurden wir zusammen geschlagen. Mein wirkliches Outing als Drag Queen hatte ich erst in den späten 60ern.

Wenn Drag Queens verhaftet wurden, wurden sie gedemütigt. Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich verhaftet und eingesperrt wurde. Ich war nicht mal komplett als Drag Queen gekleidet. Ich ging die Straße entlang und die Bullen haben mich einfach geschnappt. Wir glaubten schon immer, dass die Polizisten unsere wahren Feinde waren. Wir erwarteten nichts anderes, als von ihnen wie Tiere behandelt zu werden - und das wurden wir auch.

Wir wurden in eine Zelle gesteckt, wie ein Haufen Exzentriker. Wir wurden respektlos behandelt. Viele von uns wurden geschlagen und vergewaltigt. Als ich für 90 Tage ins Gefängnis musste, haben sie versucht, mich zu vergewaltigen. Ich habe ganz schön zugebissen und es dem Mann ausgetrieben.

Die 60er Jahre waren in New York für Transgender und Homosexuelle eine schwere Zeit mit immer wieder erneuten Demütigungen durch die Polizei oder die Justiz, und durch die Politik, die ja durch die Gesetzgebung diese Demütigungen erst möglich machte. Eines dieser Gesetze erlaubte es der Polizei Menschen fest zu nehmen und zu demütigen, die ihrer Meinung nach nicht zu ihrem Geschlecht passend gekleidet waren. Die Namen verhafteter Menschen wurden auch nicht selten, wenn es für die Zeitung interessant war, an die Presse weitergegeben, so dass man immer in der Gefahr stand, zwangsgeoutet zu werden. Auch heute noch bedeutet ein Outing für transsexuelle Menschen in Deutschland den Verlust des Arbeitsplatzes. Für Transgender und Transsexuelle hat sich seit damals nicht viel verändert. Für Homosexuelle schon, aber das ist nicht das Thema dieser Sendung. Ich weiche ab.



2. Stonewall

Auf Grund der Erzählung von Sylvia Rivera könnt ihr euch sicherlich vorstellen, dass viele Transgender, wenn sie das Wort Polizei hörten, mehr als nur wütend waren. Als dann die Polizei am 27. Juni 1969 eine Razzia im Stonewall Inn durchführte und vor allem Transgender verhaftete, war das eine Demütigung zu viel.

Ein Grund für die Razzia der Polizei im Stonewall Inn war die Wahlkampfpolitik von John Lindsay. John Lindsay war neuer Bürgermeister von New York geworden und wollte sich bei der Bevölkerung beliebt machen, indem er New York von so genannten unerwünschten Gruppen säubern lies. Zu diesen unerwünschten Gruppen gehörten vor allem Homosexuelle, Transgender, aber auch Schwarze und Latinos. Das Stonewall Inn war damals keine reine Homosexuellen Bar. Es war eine Bar unter vielen, eine in der jedoch viele Homosexuelle, Transvestiten, Drag Queens, Transsexuelle verkehrten.

Am Tag der Razzia, am 27 Juni war zuvor die Beerdigung von Judy Garland gewesen. Judy Garland starb am 22. Juni in London und wurde am 27. Juni 1969 in Greenburgh, nördlich von New York, beigesetzt. Judy Garland war damals ein wichtiges Idol der Schwulen- und Lesbenszene. Ihr Lied Over The Rainbow aus dem Film Der Zauberer von Oz wurde zur Hymne der Lesben- und Schwulenbewegung. Die Regenbogenfahne ist bis heute das Emblem der Schwulen- und Lesbenbewegung. Mehre tausend Schwule, Lesben und Transgender nahmen am 27. Juni auf der Beerdigung Abschied von Judy Garland. Und solch einen Tag hatte sich die New Yorker Polizei für eine Razzia im Stonewall Inn ausgesucht.

Von dieser Nacht im Stonewall Inn erzählte Sylvia Rivera im bereits genannten Interview mit Leslie Feinberg folgendes:

1969, die Nacht des Stonewall-Aufstands, war eine sehr heiße und schwüle Nacht. Wir waren im Stonewall und die Lichter gingen an. Wir alle hörten auf zu tanzen. Die Polizei kam rein. Sie hatten schon Anfang der Woche ihr Schmiergeld erhalten. Aber Inspektor Pine kam mit seinen Moralwächtern rein um mehr von den Regierungsgeldern zu verschwenden.

Wir wurden aus der Bar geführt und wie Vieh vor den Polizeibussen zusammen getrieben. Die Bullen schoben uns hoch in die Wägen gegen die Gitter und Zäune. Die Leute fingen an Geldstücke auf die Bullen zu werfen. Und dann kamen die Flaschen.

Und dann letzt endlich verbarrikadierten sich die Moralwächter im Stonewall-Gebäude, weil sie tatsächlich damals Angst vor uns bekamen. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass wir so reagieren würden.

Wir waren nicht mehr bereit, weiterhin diesen Scheiß hin zu nehmen. Wir hatten so viel für andere Bewegungen getan. Die Zeit war reif.

Durch den Krawall aufmerksam geworden, gesellten sich zu den Besuchern des Stonewall Inn auch noch andere Menschen hinzu. Es kamen Homosexuelle, die Nachts noch unterwegs waren und den Krach hörten und aus dem nahe gelegenen Park stießen Obdachlose zu den kämpfenden Menschen hinzu. Ein bunter Haufen also, der in dieser Nacht, vom 27. auf den 28. Juni 1969 das Stonewall Inn belagerte und damit die Polizei darin einschloss. Sylvia Rivera erzählt über den weiteren Fortgang der Ereignisse dieser Nacht folgendes:

Ein Reporter der Village Voice war zu dieser Zeit in der Bar. Und laut den Archivberichten der Village Voice, gab ihm Inspektor Pine eine Pistole und sagte ihm: „Wir müssen uns unseren Weg hier rauskämpfen." Das war nachdem ein Molotov-Cocktail geworfen wurde und während wir versuchten, die Tür des Stonewall Inn, mit einer aus dem Boden gerissenen Parkuhr einzuschlagen. Deshalb waren sie bereit sich in dieser Nacht ihren Weg nach draußen freizuschießen.

Schließlich tauchte nach etwa 45 Minuten eine taktische Polizeieinheit auf. Viele Menschen vergessen, dass wir sie tatsächlich für 45 Minuten gefangen hielten.

In dieser Nacht, in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969 kam es zu 13 Festnahmen. Die Zahl der verletzten Demonstranten ist nicht bekannt. Es wurden jedoch mindestens zwei Demonstranten von der Polizei schwer verletzt. Die Zahl der Protestierenden vor dem Stonewall Inn wurde auf 2.000 Personen geschätzt, gegen die etwa 400 Polizisten eingesetzt wurden.

In der darauf folgenden Nacht kam es zu erneuten Protesten. Sie waren jedoch weniger gewalttätig als in der Nacht zuvor. Dann regnete es zwei Tage lang und am fünften Tag kam es erneut zu Ausschreitungen und Protesten. An diesem Tag kamen erneut etwa 1.000 Menschen bei der Bar Stonewall Inn zusammen und verursachten erneut erheblichen Sachschaden. Aufgestauter Zorn und Empörung gegen die Art, wie Transgender und Homosexuelle seit Jahrzehnten von der Polizei behandelt worden waren, entluden sich. Ein neues Selbstbewusstsein war geboren.

Alle von uns nahmen zu dieser Zeit an so vielen Bewegungen teil. Jeder war irgendwie beteiligt an der Frauenbewegung, an der Friedensbewegung, an der Bürgerrechtsbewegung. Wir waren alle Radikale. Ich glaube das ist es, was uns dazu brachte zu kämpfen.

Und was Sylvia Rivera und andere dazu brachte, ihre eigene Bewegung zu gründen.



3. GLF- und GAA-Gründung

So wurde direkt nach den Unruhen um die Bar stonewall Inn im Juni oder Juli 1969 die Gay Liberation Front gegründet und gegen Ende des Jahres, im Dezember 1969 wurde die Gay Activists Alliance gegründet.

In einem Interview mit Mitgliedern der Gay Liberation Front, das in der San Francisco Free Press veröffentlicht wurde, heißt es auf die Frage, was die Gay Liberation Front sei:

„Wir sind eine revolutionäre homosexuelle Gruppe von Männern und Frauen, die sich mit der Erkenntnis gebildet hat, dass komplette sexuelle Befreiung für alle Menschen nicht verwirklicht werden kann, wenn nicht die existierenden sozialen Institutionen abgeschafft werden. Wir lehnen den Versuch der Gesellschaft ab, uns sexuelle Rollen und Definitionen unserer Natur aufzuerlegen. Wir treten aus diesen Rollen und unsinnigen Mythen heraus. Wir werden sein, wer wir sind. Zur gleichen Zeit schaffen wir neue soziale Formen und Beziehungen, das bedeutet Beziehungen, die auf Brüderlichkeit, Kooperation, menschlicher Liebe und ungehinderter Sexualität basieren. Babylon hat uns gezwungen, uns einer Sache zu verpflichten ... der Revolution."

Bereits sehr früh zeichnete sich eine Spaltung innerhalb der Gay Liberation Front an der Frage ab, ob die Gay Liberation Front andere militante linke Organisationen wie z.B. die Black Panther Party unterstützen solle. Da vielen die Forderungen der Gay Liberation Front zu zahm waren und sie glaubten mehr erreichen zu können, wenn man sich auch mit anderen kritischen Organisationen und Bewegungen zusammen tat, gründeten Mitglieder der Gay Liberation Front eine neue Organisation: die Gay Activists Alliance. Die Gay Activists Alliance verstand sich als eine gewaltfreie, politisch neutrale, militante homosexuelle Bürgerrechtsorganisation, die - im Gegensatz zur Gay Liberation Front - „jede Beteiligung an einem Aktionsprogramm, das keinen offensichtlichen Bezug zu Homosexuellen hat" vermeiden wollte. Die Ziele der Gay Activists Alliance waren Menschenrechte, Würde und ein freies Leben für alle homosexuellen Menschen.

An diese Ideale glaubte auch Sylvia Rivera und schloss sich zunächst der Gay Liberation Front und dann der Gay Activists Alliance an - um dann bitter enttäuscht zu werden. Doch dazu später mehr.

Wie schon erwähnt, wurden damals unter dem Begriff "Gay", unter dem Begriff "homosexuell", sowohl Homosexuelle, als auch Transsexuelle, Transvestiten, feminine Jungs usw. gesehen. Weshalb sich zunächst auch alle unter dem Oberbegriff Gay vereinigten und glaubten zusammen zu gehören.



4. STAR

Um 1970 herum, Syvia war gerade mal 19 Jahre alt, gründete Sylvia Rivera mit Ihrer Freundin Marsha P. Johnson eine weitere Organisation, mit dem Namen STAR. Der Name STAR stand für Street Transvestite Action Revolutionaries.

Sylvia hatte lange auf der Straße gelebt und wollte etwas für die heimatlosen Transgender der Straße machen. Sylvia Rivera sorgte sich um die Kids, die, wie sie, im Alter von 10 oder 11 auf der Straße landeten und, innerhalb weiniger Jahre, entweder erstochen wurden oder an einer Überdosis starben oder für die das Leben nur noch eine ausweglose Einbahnstraße war.

Sylvia Rivera erzählte Leslie Feinberg über STAR folgendes:

Die Idee zur Gründung von STAR hatten wir 1970 bei einem Sit-in bei der Wine-Stone-Hall in der New Yorker Universität. Später dann hatten wir eine Niederlassung in New York gehabt, eine in Chicago, eine in Kalifornien und England.

STAR war für die auf der Straße lebenden homosexuellen Menschen da, für die auf der Straße lebenden heimatlosen Leute und für jeden, der zu dieser Zeit Hilfe benötigte. Zunächst schmuggelten Marsha und ich immer Leute in unsere Hotelzimmer. Dann entschieden Marsha und ich uns, ein Gebäude für STAR zu unterhalten. Wir versuchten von den von der Mafia kontrollierten Bars, weg zukommen.

Wir bekamen ein Gebäude in der östlichen 2. Straße. Marsha und ich hatten entschieden, dass es Zeit war, uns selbst und unseren anderen Kindern und Jugendlichen zu helfen. Wir haben Leute gefüttert und haben Leute gekleidet. Wir sorgten für den Unterhalt des Gebäudes.

Wir wollten nicht, dass sich die Kinder auf den Straßen herum trieben. Wir wollten nicht, dass sie Essen stehlen mussten. Es gab immer etwas zu Essen im Haus und jeder hatte seinen Spaß. Und so lief es zwei oder 3 Jahre.

Wir saßen dann irgend wann da und fragten uns: "Warum leiden wir"? Als wir mehr und mehr in die verschiedenen Bewegungen verwickelt wurden, haben wir uns gesagt, „Warum bekommen immer wir die Folgen und die volle Wucht dieser Scheiße ab?"

Später dann, als die Young Lords [eine revolutionäre Puertorikaner-Jugendgruppe] nach New York City kamen, war ich schon in der Gay Liberation Front. Damals, Ende der 70er, gab es eine Massendemonstration die von East-Harlem ausging. Der Protest richtete sich gegen die Unterdrückung durch die Polizei und wir entschieden uns, uns der Demonstration mit unserem STAR Banner anzuschließen. Das war das Erste Mal, dass unser STAR Banner in der Öffentlichkeit gezeigt wurde, das Erste Mal, dass STAR als eine Gruppe öffentlich auftrat.

Ich traf mich an jenem Tag mit einigen der Young Lords. Ich wurde eine von ihnen. Ständig brauchten sie irgendeine Hilfe, ich war immer für die Young Lords da. Es war einfach die Achtung und der Respekt, den sie uns als Menschen gaben. Sie haben uns viel Respekt entgegengebracht.

Es war ein sagenhaftes Gefühl für mich, zu den Young Lords zu gehören, dass ich als Drag Queen und meine Organisation STAR ein Teil der Young Lords waren.

Ich traf den Vorsitzenden der Black Panther Partei Huey Newton 1971 in Philadelphia auf der Peoples' Revolutionary Convention. Huey entschied, dass auch wir ein Teil der Revolution wären, auch wir waren revolutionäre Leute. Ich war eine Radikale, eine Revolutionärin. Ich bin noch immer eine Revolutionärin. Ich war stolz, das Leben auf der Straße gemeistert zu haben, und dass ich geholfen habe, Gesetze zu ändern und was sonst noch.

Das S.T.A.R.-House, wie es dann genannt wurde, existierte dann tatsächlich nur etwa 2 Jahre lang, dann wurde es wegen finanzieller Probleme und wegen Bebauungsplänen geschlossen. Obwohl STAR nur 2 Jahre existierte, ist STAR historisch bedeutend. STAR war das erste Haus/Heim seiner Art in New York City und war deshalb das Vorbild für zukünftige ähnliche Projekte.



5. Der Verrat

1971 arbeitete Sylvia Rivera außerdem in der Gay Activists Alliance mit. Sie arbeitete daran, eine Homosexuellen-Rechts-Erklärung heraus zu bringen. Sie wurde sogar in diesem Zusammenhang verhaftet, weil sie die Wände der New Yorker City Hall in einem Kleid und in High Heels bestieg und in eine geschlossene Versammlung platze, die sich mit eben diesen Rechten befassen sollte.

Mit der Zeit wurde die Gay Activists Alliance die wichtigste Bürgerrechtsbewegung für die Rechte Homosexueller und Transgender - und Sylvia Rivera war eine ihrer härtesten und engagiertesten Kämpferinnen.

Doch trotz Sylvia Riveras heroischen Bemühungen, wurden Transgender wie sie immer mehr innerhalb der Gay Activists Alliance an den Rand gedrängt und diskriminiert. Man glaubte, da man nun eine große Organisation war, auf sie und die Transgender verzichten zu können.

Als es dann Zeit wurde, mit Politikern zu verhandeln, vergaß man einfach den engagierten Einsatz von Sylvia Rivera und allen anderen Transgendern. Die Gay Activists Alliance schmeichelte sich bei der Politik ein. Die Transgenderrechte wurde fallen gelassen. Sylvia Rivera wurde fallen gelassen.

1995 erzählte Sylvia Rivera in einem Interview hierzu folgendes:

"Als es anfing, dass unser Kampf immer mehr Anhängerinnen fand, war es wie: "wir brauchen dich jetzt nicht mehr!"

Und tatsächlich: die Gay Activists Alliance schloss bald darauf Transgender aus ihrer Organisation aus, um sich so beim Establishment beliebt zu machen.

Transgender wurden als „extreme Elemente" bezeichnet, statt als Menschen, die man ausschließen musste, um ein paar Forderungen durchsetzen zu können. Es stellte sich jedoch heraus, dass es unmöglich war, den Gesetzentwurf durch zu bekommen.

Aber nicht nur der Inhalt der Menschenrechtsforderungen änderte sich innerhalb der Gay Activists Alliance, sondern auch die Meinung, welche Menschen ein Anrecht auf einen Diskriminierungsschutz haben und welche nicht. Die Gay Activists Alliance wurde immer größer und konservativer und war bereit, für mehr politischen Einfluss alles und jeden zu verraten - einschließlich ihrer Ideale. Und schließlich änderten sie sogar ihre Vereinssatzung und schlossen Transgender fortan aus ihrer Organisation aus.

Die ehemals aktiven Kämpfer für Menschenrechte der Gay Activists Alliance und der Gay Liberation Front wurden zu Opportunisten, die, um eigene Interessen durchzusetzen, andere Menschen für ein paar Silberlinge verrieten.

Für Sylvia Rivera war es nicht ungewöhnlich herumgeschubst und diskriminiert zu werden. Aber das war zu viel.

"Die Hölle kann gar nicht schlimmer sein, als die Wut einer Drag Queen"

sagte Sylvia Rivera in einem Interview hierzu.

Obwohl die Gay Activists Alliance die transgender im Stich lies, schaffte sie es dennoch nicht, Rechte für Homosexuelle durch zu setzen - nicht vor 1986.

Der Hinauswurf der Transgender aus der Gay Activists alliance war ein Vorbote der Dinge, die noch kommen sollten. 2002 galten dann sogar Butches und Femmes, Drag Queens, Faeries, tomboys, und feminine Männer nicht mehr als Homosexuelle, für deren Rechte man sich einsetzen musste. Sie waren fast völlig aus den offiziellen Papieren und Forderungskatalogen verschwunden. Sie wurden in den offiziellen Forderungen nicht mehr erwähnt.

So beinhalten auch die noch in Amerikanischen Kongress zur Abstimmung anstehenden Gesetzesinitiativen für die Rechte homosexueller Menschen, keine Rechte die geschlechtliche Identität betreffend. Transgender sind nun die neuen Homosexuellen, die Menschen, über die man nicht redet, die man ignoriert, in der Politik, im Gesetz, deren Rechte einfach nicht existieren. In New York, wie auch in Deutschland.

Es gibt inzwischen etliche Bundesstaaten der USA, in denen die Diskriminierung auf Grund der geschlechtlichen Identität verboten ist. In vielen Staaten ist sie es jedoch nicht - einer dieser Staaten ist New York.

In Deutschland ist übrigens die Diskriminierung auf Grund der sexuellen Identität erlaubt. So entschied ein deutsches Gericht, dass ein Wirt einem Menschen, der transsexuell ist, den Zutritt zu seinem Lokal auf Grund der Transsexualität verbieten kann. Doch zurück in die USA, zu Sylvia Rivera.



6. Ein Neuanfang

Ende der siebziger Jahre verließ Sylvia Rivera New York City und beendete enttäuscht von der GAA und der GLF ihren Einsatz für Rechte Homosexueller und Transgender. Sie zog weg aus new York City, nach Tarrytown (ebenfalls im Staat New York). Dort bekam sie einen Job in der Nahrungsmittelbranche (bei der Marriott Corporation) als ein „ food services manager“. Diesem Beruf ging sie etwa 10 Jahre lang nach. Dann wurde Sylvia Rivera gezwungen ihren Job wegen Substanzmißbrauch in den frühen neunziger Jahren zu verlassen. Sie hatte in dieser zeit auch einen Lebensgefährten mit namen Jack. Zusammen hatten sie sich ein Leben mit Häußchen aufgebaut, das sie nun ebenfalls verloren, weil sie beide auf Crack waren. Sylvia Rivera kam nach New York City zurück, hatte aber nicht genügend Geld für eine Unterkunft. So lebte Sylvia Rivera für einige Jahre auf den Piers bei der Christopher Street und wurde Teil einer Gemeinschaft obdachloser Menschen.

Im Juli 1992, nach dem Pride March in New York, wurde der Körper von Sylvias alter Freundin Marsha Johnson aus dem Hudson River gefischt. Die Polizei erklärte Marshas Tod zu einem Selbstmord und weigerte sich weitere Untersuchungen an zu stellen. Freunde und Bekannte von Marsha Johnson zweifeln den Selbstmord an, da Marsha ihrer Meinung nach nicht selbstmordgefährdet war. Wahrscheinlicher ist, dass Marsha P. Johnson ermordet wurde, weil sie eine Drag Queen war.

Über die Jahre hinweg kam es zur Versöhnung mit der Mainstream-Homosexuellen-Rechts-Bewegung. Die Gay Liberation Front hatte sich bereits aufgelöst (1972) und die Gay Activists Alliance gab es ebenfalls nicht mehr (1981 war Schluss). 1994 bekam Sylvia Rivera einen Ehrenplatz im Marsch, der an den 25. jahrestag des stonewall Aufstandes erinnern sollte.

''Die Bewegung hatte mich auf ein Podest gesetzt, und hatte mich auch wieder runter geworfen und weggewischt. Dennoch war es schön. Ich ging die 58. Straße entlang und die Jungen riefen vom Bürgersteig „Sylvia, Sylvia, danke, wir wissen, was du getan hast!“ Danach hievten sie mich wieder aufs Podest. Es wäre herrlich, wenn sich die Bewegung um sich selbst kümmern würde – und sich keine Sorgen um Sylvia machen würde.“

1997 bekam Sylvia Rivera die Möglichkeit in das Transy Haus zu ziehen (in Park Slope, Brooklyn). Dieses Haus, das von Transgendern unterhalten wurde, basierte auf dem S.T.A.R.-House Vorbild.

In ihrem neuen Heim setzte sich Sylvia Rivera wieder für jugendliche Transgender ein und lernte ihre Frau Julia Murray kennen, die dann mit ihr bis zu ihrem Tode zusammen war. Ende der neunziger Jahre nahm Sylvia Rivera ihre politischen Aktivitäten wieder auf und schloss sich wieder den Kämpfern für Rechte von Transgendern, Homosexuellen und Obdachlosen an.

1999 gab sie über die Erlebnisse seit sie New York City verlassen hatte, der New York Times ein Interview. Sylvia Rivera erzählt über die vergangenen 30 Jahre folgendes:

Was ist mir seit den Aufständen [Stonewall] geschehen? Ich wurde für viele Jahre ein Junkie und landete wieder auf der Straße, wo ich wieder anschaffen ging. Sogar zu dieser Zeit arbeitete ich stark für die Bewegung. Dann zog ich nach Westchester um, und bekam reizende Jobs in der Lebensmittelbranche.

Mein Lebensgefährte Frank und ich kauften ein Haus. Leider waren wir irgendwann wieder auf Crack und so verloren es wieder. Das ist der Grund, warum ich dann wieder obdachlos wurde.

Also zog ich an den Pier in West Village um. Der erste Winter war einer der schlimmsten, mit dem ganzen Schnee und allem, aber wir überlebten. Ich war die typische Mutter für alle Kinder, die dort draußen lebten - jeder kam zu Sylvia, wenn er Rat oder ein wenig Wärme benötigte. Ich schätze, dass es davon kommt, keine Mutter zu haben oder keine Liebe als Kind erfahren zu haben, und immer gesagt bekommen zu haben, dass einen niemand haben möchte und man nicht willkommen ist. Wenn ich jemand sehe, der alleine und verletzt ist, und der etwas Zuneigung benötigt, dann öffnet sich mein Herz. Ich kann nicht „Nein!“ sagen, wenn jemand Hilfe benötigt.

Ich lebte etwa eineinhalb Jahre auf dem Pier. Jetzt lebe ich im Tranny House in Brooklyn. (Das bedeutet „Transgender Haus“) Es ist ein Haus für alle Transgender und für jeden, der ein Problem hat. Jeder nennt mich dort „Ma“ - „Ma Sylvia“. Wir helfen jedem, dem wir helfen können und wir mischen uns in vieles ein, wo immer wir können. ... Wir gehen auch in die Gefängnisse, zu denen, die eingesperrt wurden. Wir verteilen hin und wieder an alle und jeden kostenlos Essen, aber was kann eine kleine Gruppe von Transgender-Frauen erreichen?

Meine zukünftige Frau ist Julia Murray. Bevor ich sie traf, hatte ich schon von Julia gehört. Julia war - kann ich das so offen sagen? Julia hatte ihren Verstand für eine Weile verloren? Wie die meisten Transgender. Wir alle werden verrückt oder verlieren unseren verstand, wenn man uns in Psychiatrien steckt. Julia hatte ihren Verstand verloren. Und als ich ins Tranny House umzog, war Julia gerade nach Hause kommen. Wir wurden sehr gute Freunde.

Das schöne an Julia ist, dass sie nie alleine schlafen wollte, also kam sie immer runter zu mir ins Wohnzimmer (das war mein Raum im Tranny House) und wir lagen gemeinsam auf der Wolldecke. Und ich sagte ihr: „Leg dich aufs Bett!“ Wir taten dies für eine lange Zeit und wir verbrachten viel Zeit zusammen als Freunde. Dann, eines Tages, geschah es dann, und seit dem sind wir ein Paar. Das war vor vier Monaten. Wir planen Anfang des Frühjahrs des kommenden Jahres (2000) in einer Kirche zu heiraten. Ich dachte nie, dass ich jemals heiraten würde. Ich bin sehr glücklich.

Ich plane keine geschlechtsangleichende Operation, wie meine Partnerin es bereits getan hat. Aber ich glaube dennoch, dass wir beide Transgender sind, wir verstehen, was die andere durchgelaufen hat. Wir sind immer mit Männern zusammen gewesen, aber die Männer, die wir in unseren Leben getroffen haben, sind nicht die gewesen, die uns verstanden, die das Einfühlungsvermögen hatten, das wir für einander haben. Sie ist eine Person, die mein Leben auf unterschiedliche Weise beeinflusst hat. Sie hat mir geholfen keine Drogen mehr zu nehmen, und nicht mehr so viel zu trinken. Wir sind einfach glücklich, zusammen zu sein.

Und die Menschen müssen lernen zu verstehen: Menschen sind Menschen. Wir möchten einfach nur wir selbst sein. Und sie ist ein großartiger Mensch in meinen Augen.

Als ich jung war, dachte ich nie, dass ich einmal ein wichtiger Teil werden würde, ein wichtiger Teil der Geschichte der Homosexualität. Ich erwartete auch nicht, so etwas zu werden. Deshalb bin ich sehr glücklich, den 30. Jahrestag von Stonewall erleben zu können. Wissen Sie, was in diese Nacht besonders schön war? Die Brüder und die Schwestern zu sehen, wie sie vereint auf der Straße stehen.

Aber wenn das Jahresende kommt, werde ich dennoch traurig sein. Seit 30 Jahren kämpfe ich nun, und ich fühle noch wie eine Ausgestoßene in der homosexuellen Gemeinschaft.

2000 wiederbelebte sie zusammen mit anderen Transgender Aktivisten STAR (jetzt leicht umbenannt in Street Transgender Action Revolutionaries). In erster Linie galt ihr Kampf den Rechten für Transgender, aber Sylvia Rivera sah auch das Leid der Menschen allgemein, und dass die Politik eine völlig falsche Richtung nahm.

Im Interview mit Leslie Feinberg erzählt sie:

Wir müssen heute wieder gegen die Regierung kämpfen. Wir müssen gegen ihre Politik kämpfen.

Sie reduzieren das medizinische Hilfsprogramm für Menschen mit niedrigem Einkommen. Sie schränken die Hilfen für Menschen mit AIDS ein. Sie wollen Frauen etwas von ihrer Sozialhilfe wegnehmen und sie statt dessen in diese Arbeitsprogramme stecken. Sie werden auch die Unterstützungen für alte und behinderte Menschen weiter kürzen. Bereits jetzt nehmen sie den Menschen Lebensmittelgutscheine weg.

Diese Leute, die Einschnitte in den sozialen Hilfen wollen, machen Millionen und Millionen und Millionen von Dollar als Generaldirektoren. Warum möchte die Regierung uns Geld und Hilfe entziehen? Was sie machen, lässt uns ärmer werden und erniedrigt uns. Warum ändert sich nichts an unserer Situation?

Ich bin froh, dass ich beim Stonewall-Aufstand dabei war. Ich erinnere mich daran, wie jemand einen Molotov Cocktail warf und ich dachte: „Mein Gott, die Revolution ist da. Die Revolution ist endlich da!" Ich glaubte immer immer daran, dass wir eines Tages zurückschlagen und kämpfen werden. Ich hatte gewusst, dass wir zurückschlagen würden. Ich hatte nur nicht gewusst, dass es jene Nacht sein würde.

Ich bin froh, dass ich in jener Nacht dabei war. Es war der Moment als ich sah, wie sich die Welt änderte, für mich und meine Leute. Selbstverständlich haben wir noch einen langen Weg vor uns.

Mit STAR kämpfte Sylvia Rivera für die Rechte der Transgender in New York City und bot Obdachlosen Jugendlichen einen Schlafplatz und etwas zu essen. Unter der Führung Sylvia Riveras übte STAR Druck auf die so genannte „Human Rights Campaign“ aus, damit diese aus Transgender als Menschen anerkennt und auch für die Menschenrechte von Transgendern kämpft. Außerdem kämpfte STAR (leider erfolglos) für die Einbeziehung der Geschlechtidentität in das Nondiskriminierunggesetz des Staates New-York.

Sylvia Rivera hielt wieder sehr viele Reden über den Stonewall-Aufstand und das gemeinsame historische Vermächtnis von Transgendern und Homosexuellen, das dieser Aufstand bedeutete. Sylvia Rivera betonte außerdem immer wieder die Notwendigkeit der Einigkeit der Transgender unter einander. Und für die Notwendigkeit de

Kommentare
14.07.2008 / 14:01 Christina schieferdecker, Freies Radio für Stuttgart
..falls jemand die sendung in besserer Qualität möchte...
...dann kann ich sie gerne zuschicken. einfach Email an mich (tinatina@email.de) mit Angabe der Adresse.
 
14.07.2008 / 14:07 Ralf - CORAX, Radio Corax, Halle
auf kurzem Wege: ja, gern
Schicks doch bitte an Radio CORAX- Programmaustausch- Unterberg 11- 06108 Halle. Danke
 
15.07.2008 / 11:37 Werner, Freies Sender Kombinat, Hamburg (FSK)
Bitte auch senden
Redaktion 3 FSK Eimsbütteler Chaussee 21 20259 Hamburg
 
17.08.2008 / 23:34 theo,
gesendet am 16.8.2008 / 16.00
danke