Lora aus dem EineWeltHaus vom 8.12.2008

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Zusammenstellung von Nachrichten aus dem linken, antifaschistischen, antikapitalistischen und queeren Spektrum für Radio Lora innerhalb der Sendereihe "Lora aus dem EineWeltHaus" in München
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11:59 min, 11 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 07.12.2008 / 16:45

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: Lora aus dem EineWeltHaus
Entstehung

AutorInnen: Felicitas Hübner
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 07.12.2008
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Nachrichten von Lora aus dem EineWeltHaus
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Griechenland

Polizei ermordete in Athen einen Jugendlichen

Polizisten haben am Sonnabend einen Jugendlichen in Athen erschossen.
Nach schweren Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und einer Gruppe Autonomer im alternativen Viertel Exarchia, schoss ein Polizist in die Gruppe der anarchistischen Jugendlichen und traf den 16jährigen tödlich.

Anschließend besetzten etwa 2.000 Menschen die Polytechnische Fachhochschule von Athen, wo in den 60er der Kampf gegen die Diktatur begonnen hatte.

Im Zentrum von Athen, wie auch in anderen griechischen Städten haben spontan Tausende von Menschen protestiert -- vor allem Anarchistinnen, Anarchisten und Studierende.

Auf der deutschen indymedia-Webseite meldete sich in den Kommentaren ein „Neutraler Beobachter“ zu Wort:
„Wer alt genug ist Steine auf andere Menschen zu werfen, mit der Absicht sie zu verletzen oder ihren Tod in Kauf nimmt, ist auch alt genug erschossen zu werden. Und jetzt komme mir bitte keiner mit dem ueblichen "ein Schuss ins Bein haette doch gereicht" Stuss. Wer das denkt hatte noch nie eine Waffe in der Hand.“

Die prompte Antwort an den "neutralen" Beobachter lautete:
„... haben sie dir auf der Wache jetzt endlich einmal einen Internet-Zugang spendiert und dich auf eine Fortbildung zum Thema "Medienkompetenz für Beamte" geschickt? ..... Nur mit der Benutzung des Gehirns klappt das immer noch nicht so richtig und da hilft - so steht zu fürchten - auch keine Weiterbildung...“

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Wassermangel in Zimbabwe

Erst fehlte der Strom, nun mangelt es in der Hauptstadt Harare auch noch an Wasser. Weil es nicht genug Chemikalien zur Wasseraufbereitung gibt, wurde die Versorgung Harares und anderer Städte am 3.12. weitgehend eingestellt. Sauberes Wasser ist nur noch auf dem Schwarzmarkt zu Preisen erhältlich, die für die meisten Menschen unerschwinglich sind. Sie müssen nun auf andere, ungeschützte Wasserquellen zurückgreifen. Es wird befürchtet, dass die Cholera-Epidemie sich noch schneller ausbreitet. Seit dem Ausbruch der Krankheit im August sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation fast 500 Menschen gestorben.

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USA

Tödliche Schnäppchenjagd

Als »Black Friday« wird in den USA nicht nur der Tag der Börsencrashs im Jahr 1929 bezeichnet, sondern auch der erste Freitag nach dem Erntedankfest, der Beginn des Weihnachtsgeschäfts, wenn die meisten Geschäfte bereits um fünf Uhr morgens öffnen. An diesem Tag erzielen die Geschäfte die höchsten Umsätze, überdies gilt er als Maßstab für das Weihnachtsgeschäft. Über einen Mangel an Kundschaft können zumindest die Discounter nicht klagen. Für Jdimytai Damour, den 34jährigen Angestellten einer Zeitarbeitsfirma, den Wal-Mart angeheuert hatte, war es hingegen in der Tat ein schwarzer Tag. Sein letzter, der Mann wurde von hereinstürmenden Kaufwilligen totgetrampelt. Vier verletzte Kunden wurden ins Krankenhaus eingeliefert.

Etwa 2.000 Menschen hatten vor der Filiale in Long Island gewartet und nach der Öffnung eine von den Angestellten gebildete Menschenkette überrannt. Damour starb eine Stunde später im Krankenhaus. Gewerkschaften warfen Wal-Mart »eklatante Verantwortungslosigkeit« vor, es habe an Sicherheitsmaßnahmen gemangelt. Das Unternehmen wies die Vorwürfe zurück, doch ein Polizeisprecher bestätigte, dass die Filiale unzureichend vorbereitet war. Auch die meisten Kunden verhielten sich nicht sonderlich verantwortungsvoll. Nur mit Mühe hatten sich die Sanitäter zu dem verletzten Damour durchkämpfen können, nach dem Vorfall weigerten sich viele Einkaufende zunächst, das Geschäft zu verlassen. Doch sie mussten nicht lange warten, fünf Stunden nach dem Tod Damours wurde die Filiale wieder geöffnet.

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Island

Die Zentral-Bank wurde gestürmt

Wahrscheinlich war es selten so einfach, eine Zentralbank zu stürmen, wie derzeit in Island. Nach dem nur durch Kredite des IWF und anderer Länder abgewendeten Staatsbankrott dürfte die Kasse der Zentralbank in Rejkjavik derart leer sein, dass man vor ungebetenen Gästen höchstens das Mobiliar schützen muss. So öffneten sich am 3.12. recht schnell die Pforten der Sedlabanki Islands, nachdem Hunderte Demonstrierender, darunter etliche Autonome und Anarchisten, an der Eingangstür gerüttelt hatten und den Rücktritt des Notenbankchefs Oddsson forderten. Bevor das große Polizeiaufgebot einschreiten konnte, verließen die Demonstrierenden das Foyer. Gleichzeitig protestierten am 90. Jahrestag der Staatsgründung Islands Tausende gegen die Verantwortlichen für den Zusammenbruch der Banken und forderten den Rücktritt des Ministerpräsidenten Haarde.

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Frauenmorde in Tschetschenien

Mit der Behauptung, es handle sich bei den Opfern um Prostituierte, kommentierten die örtlichen Justizbehörden eine Serie von Morden an jungen Frauen in Tschetschenien. Im Raum Grosny wurden in den vergangenen Tagen sieben Frauen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren ermordet aufgefunden. Sie alle wurden aus nächster Nähe mit Kopfschüssen getötet. Eine Leiche wurde angezündet. Wie eine Boulevardzeitung berichtete, wurden die Frauenleichen an verschiedenen Straßen »wie zur Mahnung« so liegen gelassen, dass sie leicht entdeckt werden konnten. Neben den Leichen lagen die Patronenhülsen der Tatwaffen. Die Annahme, dass es sich um »Ehrenmorde« handelte, liegt nahe.

Der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow verurteilte die Morde zwar und hob hervor, dass diese »durch keine Tradition« gerechtfertigt seien, legte dann allerdings nach, die Frauen könnten sich durch »amoralisches« und »unwürdiges Benehmen« selbstverschuldet zu Opfern gemacht haben. Der Menschenrechtsbeauftragte Nuschijew fügte hinzu, die Frauen hätten möglicherweise den »Verhaltenskodex« vergessen. Verwandte hätten sich dadurch wohl veranlasst gesehen, Selbstjustiz zu üben.

Präsident Kadyrow treibt seit Jahren die Islamisierung Tschetscheniens voran. Er propagierte Quotenregelungen für religiöse und patriotische Inhalte in allen tschetschenischen Medien, um den Islam zu stärken.

Vor allem Frauen bekommen den autoritären Islam Kadyrowscher Prägung zu spüren. Sie müssen sich einem Kopftuchzwang unterwerfen und sollen »strenge Kleidung« tragen. Männer dürfen offiziell mehrere Frauen heiraten. Kadyrows Aussage, Frauen seien die Ursache sämtlicher Gewaltverbrechen, da sie Männer zu sexuellen Handlungen verleiteten, verdeutlicht die Handlungsoptionen für Frauen in Tschetschenien. Entweder sich dem System unterordnen oder mit einer Kugel im Kopf am Straßenrand enden.

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Frankreich

Das Recht auf Wohnen

Die Proteste französischer Obdachloser in den vergangenen zwei Jahren haben Wirkung gezeigt. Am 3.12. verabschiedete das Parlament ein einklagbares Recht auf Wohnung. Das Gesetz sieht vor, dass Städte und Gemeinden verklagt werden können, wenn sie den Berechtigten keine Sozialwohnung zur Verfügung stellen. Die Wohnungslosenhilfe Droit au logement reichte am 3.12. mit 20 Antragstellenden Musterklagen beim Pariser Verwaltungsgericht ein, um das neue Recht zu testen. Dabei wurden sie von einem großen Polizeiaufgebot empfangen. In der Europäischen Union wurde ein Recht auf Wohnung bislang nur in Schottland beschlossen, mit dem Homeless Act von 2003.

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In Großbritannien werden auch Müllsünder mit dem Antiterrorgesetz Ripa von Kommunen ausspioniert

Terror wird offensichtlich nun auch ausgeübt, wenn Abfall nicht ordnungsgemäß beseitigt oder Hundekot zurückbleibt.
Die britische Regierung führt damit vor, wie sich Gesetze, die vermeintlich dringend notwendig waren, um die große Gefahr abzuwehren, für den täglichen Gebrauch missbrauchen lassen und so auf der Alltagsebene den Überwachungsstaat Schritt für Schritt zu erweitern.

Das Regulation of Investigatory Powers Act (RIPA) macht es den Behörden möglich, Kommunikationsdaten von den Telefon- und Internetanbietern zu erhalten und andere Überwachungsmaßnahmen ausführen zu können. Namen, Adressen, Verbindungsdaten, besuchte Websites und Lokalisierungsdaten bei Mobiltelefonen können zur Prävention, Aufdeckung und Verfolgung von Verbrechen oder zum Schutz der öffentlichen oder nationalen Sicherheit genutzt werden.

Nach einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz haben viele Kommunen eingeräumt, das Ripa-Gesetz in den letzten drei Jahren dafür verwendet zu haben, um Vergehen zu bekämpfen, die mit Müllabladen oder Wegwerfen von Abfall zu tun haben. So wurden in Straßen oder auch bei Nachbarn Überwachungskameras versteckt angebracht, um die Täter in flagranti zu erwischen. Das Ripa-Gesetz muss auch dazu herhalten, den illegalen Verkauf von Pizzas oder den Missbrauch von Behindertenparkplätzen zu unterbinden

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USA:
Die Armut wächst

Aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise steigt nicht nur die Zahl der Arbeitslosen in den USA, auch die Zahl der Menschen, die auf Lebensmittelmarken angewiesen sind, nimmt wieder zu. Erwartet wird, dass mehr als 30 Millionen Menschen das Programm in Anspruch nehmen werden, das seit dem 1. Oktober unter dem angeblich weniger stigmatisierenden Namen Simplified Nutrition Assistance Program, abgekürzt SNAP, läuft. Bei Amtsantritt von Bush gab es 17 Millionen SNAP-Empfänger.

Der Präsident des Food research and Action Center befürchtet, dass die Zahl der mit den Marken unterstützten Menschen bald auf einen historischen Höchststand anwachsen könnte, seitdem das Programm in den 60er Jahren eingeführt wurde.
Wer einen Antrag stellt, muss seine Fingerabdrücke registrieren lassen, um Betrug zu verhindern. Das könnte, wie ein New Yorker Abgeordneter kritisierte, auch Menschen abschrecken. Ein Sprecher der New York City Coalition Against Hunger nimmt an, dass es allein in New York eine halbe Million Menschen mehr gibt, die Anspruch erheben könnten, aber sich nicht registriert haben.

Berechtigt zur Teilnahme sind Menschen, die ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze haben. Die Grenze liegt im Jahr 2008 für eine Person bei 10.400 US-Dollar.

Nicht nur die SNAP-Empfänger steigen an. Schon letztes Jahr ist die Zahl der Menschen in den USA gewachsen, die zeitweise nicht genügend zum Essen hatten, was als "sehr niedrige Lebensmittelsicherheit" umschrieben wird. So klassifiziert wird, wenn eine Person oder ein Haushalt innerhalb von sieben Monaten jeweils einige Tage nicht genug zu essen hatte.

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Letzte Meldung

Vatikan verzeiht John Lennon

Wenn das John Lennon noch erlebt hätte! Der Vatikan hat dem ehemaligen Sänger der Beatles jetzt vergeben, dass er vor ungefähr 40 Jahren sagte: »Die Beatles sind berühmter als Jesus.« Es herrschte die Beatlemania damals, und Lennon hatte vielleicht sogar Recht. Der Vatikan, der Lennons Ausspruch damals mitskandalisierte, gibt sich nun richtiggehend jovial und will heute in Lennons Provokation nur noch den »Übermut eines Jugendlichen der englischen Arbeiterklasse« sehen.

Kommentare
09.12.2008 / 00:45 theo,
gesendet am 8.12.2008 zwischen 19.15-20.40 im Magazin
in 3 Teile geschnitten