Lora aus dem EineWeltHaus vom 15.12.2008

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Zusammenstellung von Nachrichten aus dem linken, antifaschistischen, antikapitalistischen und queeren Spektrum für Radio Lora innerhalb der Sendereihe "Lora aus dem EineWeltHaus" in München
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11:54 min, 11 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 14.12.2008 / 15:28

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: Lora aus dem EineWeltHaus
Entstehung

AutorInnen: Felicitas Hübner
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 14.12.2008
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Nachrichten von Lora aus dem EineWeltHaus
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Griechenland

Auf die Anrufe Tausender Menschen, die sich telefonisch nach der Lage in der Innenstadt erkundigten, antworteten Feuerwehrleute in Athen »Fragen Sie uns lieber, wo es nicht brennt!«.
Der Tod des 15jährigen Schülers Alexis Grigoropoulos durch einen Schuss aus einer Polizeipistole löste am 6.12. in ganz Griechenland eine gewaltige Protestwelle aus. In mehreren griechischen Städten herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände. Mehrere tausend Anarchisten, Jugendliche, Schüler und Studierende, aber auch viele »Normalbürger« gingen auf die Straßen und skandierten gegen die Polizeigewalt.
Zu heftigen Krawallen kam es in vor allem in Athen und Thessaloniki. In beiden Städten brannten Barrikaden und Banken; Hotels und Geschäfte wurden in Brand gesteckt. Die Polizei setzte so viel Tränengas ein, dass unbeteiligte Anwohnende über Atembeschwerden klagten.

Die Polizei berichtete am 8.12. von 173 Festnahmen. Obwohl die Medien die »randalierenden Chaoten« verurteilten, reichte die Empörung über den Vorgang der Polizei weit über das linksradikale und anarchistische Spektrum hinaus. Staatspräsident Papoulias sprach davon, der Rechtsstaat sei durch die Tötung des Jugendlichen verletzt worden. Der Vorsitzende der Sozialisten Papandreou warf Ministerpräsident Karamanlis vor, für die Ausschreitungen verantwortlich zu sein: »Die Regierung ist gefährlich geworden für Griechenland und das griechische Volk.« Die Krawalle seien Folge der Regierungspolitik. Der Vorfall wird für die konservative Regierung wohl nicht ohne Folgen bleiben.

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Kosovo

Eulex soll den Rechtsstaat schaffen

Im jüngsten Staat Europas begann am 9.12. die größte zivile Mission in der Geschichte der EU. Die Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union im Kosovo, EULEX Kosovo soll die kosovarischen Behörden beim Aufbau eines Rechtsstaats unterstützen. Insgesamt 3.000 Polizisten, Staatsanwälte und Zollbeamte werden auf dem gesamten Territorium des Kosovo tätig sein. Besonders problematisch war die Durchsetzung der Mission im von Serben bewohnten Nordkosovo. Der ursprüngliche Plan der EU, die Uno-Verwaltung Unmik sofort völlig zu ersetzen, scheiterte im Sicherheitsrat am Widerstand Russlands und Serbiens. Gelöst wurde das Problem durch einen Kompromiss, der »die territoriale Integrität Serbiens« anerkennt.

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USA

Solidarisierung im demokratischen Establishment

Das Management der Firma Republic Windows and Doors hatte vor 2 Wochen die Schließung des Unternehmens angekündigt, verantwortlich sei die Bank of America, die keine Kredite gewähren wolle. Am 5.12. besetzten 200 der 240 Entlassenen den Betrieb in Chicago. Republic Windows and Doors habe nicht die gesetzlich vorgeschriebene Kündigungsfrist von 60 Tagen eingehalten und sei den Beschäftigten Löhne und Prämien schuldig geblieben, sagte eine Sprecherin der Gewerkschaft United Electrical Workers: »Ich hoffe, dies ist der Beginn einer wirklichen Bewegung der Gegenwehr.« Von einer Räumung spricht derzeit niemand, und mit den Besetzenden solidarisierten sich nicht nur Gewerkschafter und Linke. »Ich denke, sie haben absolut recht«, sagte Barack Obama am 7.12. Der demokratische Gouverneur von Illinois Rod Blagojevich drohte, die Geschäftsbeziehungen des Bundesstaats zur Bank of America abzubrechen, wenn diese nicht »etwas von den Steuergeldern nimmt, die sie erhalten hat, um der Firma den benötigten Kredit zu geben«. Die Bank erhielt 25 Milliarden Dollar aus dem Rettungspaket, rund fünf Millionen würde Republic Windows and Doors benötigen.

Die Solidarisierung des demokratischen Establishments deutet darauf hin, dass Obama tatsächlich eine Art New Deal anstrebt. Sie soll wohl auch verhindern, dass Aktionen dieser Art und der Unmut über den bailout zu einer Radikalisierung führen. In den USA wird relativ selten gestreikt, kommt es jedoch zum Arbeitskampf, wird er meist härter geführt als in Europa. Und trotz der Obamania wollen viele us-amerikanerische Menschen offenbar nicht auf den Retter aus dem Weißen Haus warten.

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BRASILIEN
Verbesserung der Rechtslage von freien Radios in Sicht

Die von einem Abgeordneten vorgeschlagene Veränderung in der Rechtssprechung bezüglich freier und community Radios, könnte die schwierige Lage Tausender Gemeindesender in Brasilien wesentlich verbessern. Der neue Text ergänzt ein Gesetz von 1998 und wurde in der zweiten Dezemberwoche von der Kommission für Wissenschaft, Technologie, Kommunikation und Informatik verabschiedet.

Der Text führt aus, dass die Sender, die nachweislich einen gemeinschaftlichen, also nicht kommerziellen oder religiösen Charakter haben, und mit nicht mehr als 250 Watt senden, von jeglicher Strafverfolgung ausgeschlossen werden sollen. Das würde bedeuten, dass die Verantwortlichen für diese Radios nicht mehr verhaftet werden können, nur weil sie ihr Recht auf Kommunikation ausüben.

Die vorgeschlagene Veränderung würde den Artikel 70 des brasilianischen Telekommunikationsgesetzes ersetzen, der Gefängnisstrafen für jegliche Art der Nutzung von öffentlichen Frequenzen ohne Lizenz vorsieht. Bevor der neue Vorschlag Gesetz wird, muss er noch von der Kommission für Verfassung und Justiz sowie dem Repräsentantenhaus abgesegnet werden.

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Hunger und Lebensmittelunsicherheit

Die Zahl der Hungernden ist in diesem Jahr um 40 Millionen auf 963 Millionen gestiegen, auch ihr Anteil an der Weltbevölkerung wuchs um ein Prozent. Das stellt der am 9.12. veröffentlichte Bericht der Food and Agriculture Organization (FAO) fest. Die globale Rezession könnte die Lage weiter verschlimmern, zumal die Landwirtschaft der Entwicklungsländer nicht von den Preiserhöhungen für Nahrungsmittel profitieren konnte. Denn auch die Preise für Saatgut und Dünger stiegen, so dass vor allem afrikanische Kleinbauern weiter hinter die kapitalkräftigen Agrarproduzenten im Westen sowie in Indien, Brasilien und China zurückfielen.

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BRASILIEN

Elf weitere gentechnisch veränderte Pflanzen zur Forschung freigegeben

Die Nationale Kommission für Biosicherheit, CTNBio, hat am 20. November elf Anträgen auf Anpflanzung von gentechnisch veränderten Pflanzen zu Forschungszwecken stattgegeben. Alle Anträge wurden von multinationalen Unternehmen, die in Brasilien tätig sind, eingereicht, darunter mehrere deutschstämmige Firmen der Branche. Unter anderem handelt es sich um eine Maissorte von Monsanto, Baumwolle von Bayer und eine Reissorte von BASF.

Diese Pflanzen sind Eigentum des jeweiligen Unternehmens. Mit der Vermarktung solcher gentechnischen Produkte ist es möglich, ganze Bereiche der brasilianischen Landwirtschaft zu monopolisieren. Da die KundInnen nicht das Recht haben, die Samen für eine zweite Ernte wieder zu benutzen, bedeutet das eine Steigerung der Produktionskosten, die an die VerbraucherInnen weitergegeben würden.

KritikerInnen der Gentechnik merkten an, dass die Entscheidungen der CTNBio auf Untersuchungen beruhen, die nicht hinreichend geprüft haben, ob die Genprodukte schädlich für die menschliche Gesundheit und die Tierwelt werden könnten. Die CTNBio beugt sich seit dem Jahr 2005 dem Druck internationaler Biotech-Unternehmen, und trägt so dazu bei, dass genetisch veränderte Organismen Teil der brasilianischen Lebenswelt werden.

In ganz Südamerika wurde eine Kampagne gegen den Biotech-Multi Monsanto ins Leben gerufen. Die Kampagne „Monsanto bekämpfen“ will Informationen über die vielfältigen Menschenrechtsverletzungen und Umweltschädigungen der Firma Monsanto in aller Welt zusammentragen.

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Berlin
Kritik am Polizeieinsatz bei Neonaziaufmarsch

Eine Woche nach dem Naziaufmarsch in Berlin-Lichtenberg zieht die Linkspartei Bilanz. »Der Polizeieinsatz war eine einzige Katastrophe«.

Als Erfolg wertet die LINKE die Blockaden der Menschen, die dazu geführt haben, dass die Neonazis nicht durch den Lichtenberger Weitlingkiez ziehen konnten. Um so ärgerlicher sei dagegen die Vorgehensweise der Polizei gegen die engagierten Menschen zu werten. Die Art und Weise, wie die Beamten den Protest behindert haben, sei nicht hinnehmbar. Beispielsweise wurden wahllos Platzverweise verteilt.

Aufgrund der zahlreichen Festnahmen und Übergriffe ruft die LINKE alle Betroffenen auf, sich mit Zeugenaussagen und Materialen an die Partei zu wenden, um die Vorfälle gegenüber dem Polizeipräsidenten problematisieren zu können.

Unerlässlich sei, dass die Ermittlungsverfahren gegen Menschen, die sich friedlich den Nazis in den Weg gestellt haben, eingestellt werden. Bei den Sitzblockaden hatten die Polizisten per Lautsprecher verkündet, Anzeigen wegen Nötigung zu erstatten.

Dass der harte Polizeieinsatz ein Nachspiel haben müsse, fordert auch die Grüne Jugend: »Wie sollen Menschen die geforderte Zivilcourage im Alltag umsetzen, wenn es ihnen verboten wird, diese öffentlich bei Demonstrationen zu zeigen?« Für zukünftige friedliche Gegendemonstrationen müsse daher sicher gestellt werden, dass diese nicht behindert werden. Die Linkspartei fordert, dass Vorabsprachen für alle Beteiligten transparent gestaltet werden. Im Fall des Aufmarsches hätten die Behörden im Vorfeld bewusst irreführend gehandelt.

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Letzte Meldung

Der Thunfisch stirbt delphin-freundlich

Seit Anfang der 90er Jahre setzt die Gesellschaft zur Rettung der Delphine (GRD) das internationale Thunfisch-Kontrollprogramm SAFE des us-amerikanischen Earth Island Institute (EII) in Deutschland um.

Die SAFE angeschlossenen deutschen Importeure und Händler haben sich verpflichtet, nur Thunfisch anzubieten, der nicht mit Treibnetzen oder durch Umkreisen von Delfinen mit so genannten Ringwaden gefangen wurde. Der Thunfisch soll wirklich "delfinsicher" gefangen worden sein.

Doch geraten durch diese Fangmethoden zu viele junge Thunfische ins Netz, sagt Fischökologe von der Stony-Brook-Universität in New York. Dadurch seien die Bestände an Thunfischen bedroht.

Früher hatten Thunfischer ihre Netze in der Nähe von Delphinen ausgelegt und so vor allem große Thunfische gefangen, da nur diese mit den schnellen Delphinen mithalten können. Dabei gerieten allerdings auch viele Delphine in die Netze und erstickten qualvoll. Mit den neuen Fangmethoden würden die Netze nun um Schulen von Thunfischen gezogen.

Für die Thunfisch-Bestände könnte sich das fatal auswirken: Der Forscher errechnete, dass mit den Delphin-freundlichen-Methoden im östlichen Pazifik nur rund 200.000 Tonnen jährlich gefischt werden könnten, ohne die Populationen zu gefährden. Gegenwärtig würden jedoch 270.000 Tonnen Thunfisch aus den Gewässern gehoben. Diese Menge führe aber nur mit den alten Fangmethoden nicht zu einer Überfischung, warnt der Forscher.

Kritiker halten beide Fangmethoden für bedenklich. Die Nationale Audubon-Gesellschaft rät gar, beim Thunfischfang wieder zur Angelrute zurückzukehren: Damit fange man nur die großen Thunfische und schaffe überdies viele Jobs.