Lora aus dem EineWeltHaus vom 22.12.2008

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Zusammenstellung von Nachrichten aus dem linken, antifaschistischen, antikapitalistischen und queeren Spektrum für Radio Lora innerhalb der Sendereihe "Lora aus dem EineWeltHaus" in München
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12:29 min, 11 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 21.12.2008 / 23:07

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: Lora aus dem EineWeltHaus
Entstehung

AutorInnen: Felicitas Hübner
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 21.12.2008
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Nachrichten von Lora aus dem EineWeltHaus
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Irak

Der Held von Bagdad

In einem freien Land dürfen ruhig einmal die Fetzen fliegen, ohne dass gleich alle sauer werden. Am 14.12. flogen zwei Schuhe auf den noch amtierenden us-amerikanischen Präsidenten George W. Bush, als dieser eine Pressekonferenz während seines letzten offiziellen Besuchs im Irak abhielt. Der scheidende Präsident konnte sich noch rechtzeitig bücken und nannte, als er wieder auftauchte, lediglich die Schuhgröße. »Das ist, was in freien Gesellschaften geschieht«, kommentierte Bush lapidar den Schuhwurf. Indes wurde der Schuhwerfer, der Journalist Muntaser el Saidi, zum Helden des anti-us-amerikanischen Widerstands. Über 50 Anwälte haben sich bereit erklärt, el Saidi vor Gericht zu verteidigen, Tausende Iraker demonstrierten in Bagdad für dessen Freilassung. Der libysche Präsident Muammar al-Ghaddafi will ihm gar den »Orden für Mut« verleihen. Dabei symbolisiert der irakische Schuh Anfang und Ende der Ära Bush im Irak. Als die us-amerikanischen Truppen 2003 Bagdad erobert hatten, gab es Dutzende Szenen, in denen Iraker die gestürzte Statue Saddam Husseins oder Bilder mit dessen Konterfei mit Pantoffeln und Sandalen traktierten.

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Irak

Rege Nachfrage nach den Schuhen, mit denen Bush beworfen wurde

Der irakische Journalist al-Zaidi ist weltberühmt geworden. Eine einzige Aktion reichte dafür aus. Aus Wut hatte er in einer Pressekonferenz in Bagdads Hochsicherheitsbezirk Green Zone seine beiden Schuhe US-Präsident Bush entgegen geschleudert. Das Video seiner symbolischen Attacke ging um die Welt, machte ihn vielerorts zum Helden und das Schuhewerfen zu einer politischen, anti-us-amerikanischen Geste, die auch in einem Online-Spiel virtuell eifrig betrieben wird.

Al-Zaidi ist noch immer im Gefängnis. Es kam immer wieder zu Demonstrationen und Forderungen nach seiner Freilassung.
Inzwischen werden die Schuhe offenbar zu einem Fetisch. Angeblich bot ein Saudi viel Geld für die originalen "Freiheitsschuhe", ein Ajatollah forderte, dass sie in ein irakisches Museum gehörten. Der Richter machte aber deutlich, dass ein solcher Schuhkult keine Chancen hat. Sie seien zerstört worden, weil man überprüfen wollte, ob ihnen Sprengstoff versteckt war.

Ein türkischer Schuhfabrikant berichtete gegenüber Bloomberg.com, man werde den braunen Schuh "Modell 271" mit den dicken Sohlen, den al-Zaidi auf Bush geworfen hatte, umtaufen und ihn den "Bush-Schuh" oder "Bye-bye Bush" nennen.

Man habe den Schuh seit Jahren verkauft, aber nun würden sie mit Bestellungen überschüttet. Es sei bereits eine Agentur beauftragt worden, um den Schuh im Fernsehen zu bewerben. Zudem werden mehr Arbeitskräfte eingestellt werden, um mit der Nachfrage zurechtzukommen.

300.000 Bestellungen seien seit dem Schuhangriff eingegangen, allein 120.000 aus dem Irak. Neben dem Irak werde auch Iran, Syrien und Ägypten beliefert. Selbst aus den USA sei eine größere Bestellung eingegangen. Allerdings scheinen auch andere Schuhhersteller einen Anspruch darauf zu erheben, dass al-Zaidi ihr Produkt geworfen habe.

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Musik, Folter und Menschenrechte

Dass Musik ein Terrorinstrument sein kann und als solches z.B. in den Konzentrationslagern zur Demütigung der Opfer eingesetzt wurde, ist bekannt. Dass umgekehrt die Täter der musikalischen Untermalung ihrer Gewaltakte etwas abgewinnen können, weiß man wiederum von Amokläufern, wie z.B. dem finnischen Matti Juhani Saari, der sich mit rechtem Horror-Rock in Stimmung brachte. Jetzt schockt die Meldung, die die britische Menschenrechtsorganisation Reprieve aus Anlass des 60. Geburtstags der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Umlauf brachte. Die Organisation veröffentlichte eine Liste von Songs, nach denen in Guantánamo, im Irak und in Afghanistan gefoltert worden sei. Er sei mit dem Kopf nach unten an die Decke gehängt und mit Eminem beschallt worden, sagte z.B. der Brite Ruhal Ahmed über seine Zeit in Guantánamo aus. Verwendung fanden auch der AC/DC-Song »Hells Bells«, Metallicas »Enter Sandman« und Bruce Springsteens »Born in the USA«.

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Siemens

Gewöhnlich ist niemand glücklich über eine Geldstrafe, schon gar nicht, wenn er 800 Millionen Dollar zahlen muss. Doch das Management von Siemens ist sehr zufrieden mit dem Vergleich, der mit dem US-Justizministerium und der Börsenaufsicht SEC ausgehandelt wurde.
Mit weiteren 395 Millionen Euro Geldstrafe darf Siemens zur Sanierung des bayerischen Landeshaushalts beitragen.

Den US-Ermittlern zufolge tätigte Siemens in den Jahren 2001 bis 2007 insgesamt 4.283 illegale Zahlungen in einer Gesamthöhe von 1,1 Milliarden Dollar. Im Durchschnitt wurde fast an jeden zweiten Tag irgendjemand auf der Welt von Siemens bestochen.
Die erschlichenen Extraprofite dürften ein Vielfaches der eingesetzten Summe betragen. Die kriminelle Energie bei Siemens übersteigt das im Geschäftsleben übliche Maß erheblich. Es ist schwer zu glauben, dass Vorstandsmitglieder und Aufsichtsräte erst 2004 auf diese Machenschaften aufmerksam wurden. Wenn sie von Zahlungen in dieser Größenordnung nichts mitbekamen, dürfte man ihnen nicht einmal die Leitung einer Imbissbude anvertrauen.

Aus Deutschland hatte Siemens ohnehin nie etwas zu befürchten. Auch die US-Behörden entschieden sich nun dafür, den Konzern nur für Rechnungslegungsverstöße zu belangen. Die neue Führungsspitze behauptet, die Milde sei auf ihre Kooperationsbereitschaft bei der Aufklärung zurückzuführen. Doch dürfte eher die Befürchtung, der Zusammenbruch eines weiteren Weltkonzerns werde der ökonomischen Stabilisierung nicht zuträglich sein, die US-Behörden dazu bewogen haben, statt der möglichen zehn Milliarden Dollar weit weniger zu nehmen und auf eine strafrechtliche Verfolgung zu verzichten.

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Zimbabwe

Präsident Mugabe verleugnete Cholera

»Die Cholera gibt es nicht mehr«, behauptete Präsident Robert Mugabe. Doch die Epidemie bedroht mittlerweile schon Südafrika, das die Grenze zu Zimbabwe schließen ließ. Mehr als 1.000 Menschen sind ihr bislang zum Opfer gefallen, die Zahl der Erkrankten wird auf 60.000 geschätzt. Viele Krankenhäuser sind geschlossen, Wasserversorgung und Müllentsorgung sind zusammengebrochen. Der Informationsminister präsentierte derweil eine neue, äußerst originelle Theorie, er macht einen Angriff der Briten mit biologischen Kampfstoffen für den Ausbruch der Epidemie verantwortlich.

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Deutschland

Totalverweigerer provoziert Eklat im Bundestag

Der Kriegsdienstverweigerer Monty Schädel hatte weder Wehr- noch Ersatzdienst geleistet - und wurde dafür 1998 zu sieben Monaten Freiheitsstrafe wegen "Fahnenflucht" verurteilt, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden. Weitere Verurteilungen kassierte er, weil er an einer Sitzblockade teilnahm und Polizisten auf einer Anti-Nazi-Demo duzte. 2007 war er Organisator gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm. In einem ZDF-Interview setzte er damals die Aktionen des Schwarzen Blocks mit dem ausländerfeindlichen Pogrom von Rostock-Lichtenhagen von 1992 gleich.

Die Linksfraktion hatte Monty Schädel am 17.12. in den Familienausschuss des Bundestags eingeladen. Als Experte sollte der Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft zu den geplanten Änderungen am Zivildienstgesetz sprechen. Nach dem Wunsch der Bundesregierung sollen Zivis künftig Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung besuchen und ein detailliertes Arbeitszeugnis erhalten.

Doch bereits vor Ausschussbeginn sorgte der Kriegsgegner für Empörung. Der Wehrdienst schule die "Ermordung anderer Menschen", hieß es im ursprünglichen Redemanuskript, das den Mitgliedern des Ausschusses vorlag.

Die Ausschussvorsitzende Griese (SPD) soll deshalb mit dem Rausschmiss des Kriegsgegners gedroht haben. Mann dürfe als Experte andere Meinungen vertreten, aber die Aussage von Herrn Schädel sei nicht haltbar.

Auf Druck aller Ausschuss-Fraktionen formulierte Herr Schädel die Passage im Manuskript um: Ziel des Wehrdienstes sei das "Erlernen des Kriegshandwerks".

Vor dem Ausschuss wandelte Monty Schädel seine ursprüngliche Formulierung nur minimal ab: Der "Pflichtkriegsdienst" lehre das "Töten von Menschen". Der Zivildienst sei nur der Ersatz für den "Kriegsdienst" und soll durch die Gesetzesänderung schlicht positiver klingen. Trotzdem bleibe der Zwang zum Dienen, ob bei Wehr- oder Zivildienst. Das ist menschenverachtend."

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Großbritannien

Richter nötigt Geschworene

Im Prozess um die Erschießung von Jean Charles de Menenez haben die Geschworenen ein »offenes Urteil« gefällt. Somit wird niemand für den Tod des 27jährigen Brasilianers belangt, der am 22. Juli 2005 von zwei Polizisten in der Londoner U-Bahn aus nächster Nähe mit sieben Kopfschüssen getötet wurde. Die Beamten hatten ihn mit einem Terrorverdächtigen verwechselt. Der Darstellung der Polizisten glaubten die Geschworenen nicht, der Untersuchungsrichter Michael Wright verbot ihnen jedoch, auf unrechtmäßige Tötung oder Mord zu plädieren. Er ließ ihnen lediglich die Wahl zwischen rechtmäßiger Tötung und einem »offenen Urteil«. Das heisst nach britischem Recht, dass die Todesursache nicht geklärt werden konnte.

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Hessen

Alle Parteien gegen Studiengebühren

Ist es die Panik vor Thorsten Schäfer-Gümbel, dem Ypsilanti-Nachfolger? Die Horrorvorstellung eines über Wochen besetzten Gambacher Kreuzes? Angst vor einer Schmach von Karlsruhe? Einen knappen Monat vor der Neuwahl zum hessischen Landtag sind plötzlich alle Parteien gegen Studiengebühren, einschließlich derer, die sie einführten. Die FDP nahm überraschend auf ihrem Parteitag einen entsprechenden Antrag der Jungen Liberalen an. Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sprach von »Korrekturen«, die ihnen schwer gefallen wären. Im Wahlprogramm steht, man respektiere die Entscheidung des hessischen Landtags. Und das, obwohl auch die Linkspartei gegen die Gebühren gestimmt hatte.

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Letzte Meldung

Irland / Großbritannien
Bier darf weiterhin in Pint getrunken werden

Nun ist es offiziell, und ‘ein Seufzer der Erleichterung’geht durch die Reihen der Trinkerinnen und Trinker, schrieb die Irish Times. Denn das Europäische Parlament hat einen Vorschlag der Europäischen Kommission vom September 2007 ratifiziert, nach dem in Irland und Großbritannien Bier und Cider über 2008 hinaus in Pintgläsern (568 ml) ausgeschenkt werden darf. Auch Milch in Pfandflaschen darf weiterhin per Pint verkauft werden. Die zur Zeit geltende Übergangsregelung für nicht-metrische Maße läuft zum Jahresende aus, die neue Regelung ist unbefristet.

Gleichzeitig wird es Großbritannien gestattet, Entfernungen auf Straßenschildern und Karten sowie Geschwindkeits-Beschränkungen weiterhin in Meilen bzw. mph anzugeben, und in den Läden des Königreiches wird es auch nach 2008 erlaubt sein, in Unzen und Pounds zu wiegen, wenn parallel dazu eine Angabe in Gramm und Kilogramm erfolgt.

Geht ein Junge in einen Dorfladen und verlangt ein Pound Mehl. Wir rechnen jetzt mit Kilogramm, sagt der Ladenbesitzer. Ok, antwortet der Junge, dann ein Pound Kilogramms.

Kommentare
23.12.2008 / 00:00 theo,
gesendet am 22.12.2008 zwischen 19.10-20.30 im Magazin (Flo/theo)
danke, in 3 Teile geschnitten, dazwischen Musik und Moderation.