Darwin, Darwin und kein Ende?

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Ein kleiner Hinweis darauf, dass nicht Darwin der "Erfinder" der Evolutionstheorie ist. Vielmehr haben an der Evolutionstheorie auch noch Forscher wie z.B. Alfred Russel Wallace mitgewirkt. Also eine Kritik an der Neigung der Medien, immer alle geschichtlichen Ereignisse auf einsame große Männer zu verengen.
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Upload vom 17.02.2009 / 11:19

Dateizugriffe: 387

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur
Entstehung

AutorInnen: Hermann Ploppa
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 17.02.2009
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Darwin, Darwin und kein Ende?

Anmerkungen zu einem Doppeljubiläum

Runde Jubiläen sind natürlich immer ein beliebter Anlaß, ein Thema durch alle Medien zu jagen und die Menschheit zu belehren. Im Falle des Evolutionstheoretikers Charles Darwin gibt es gleich zwei runde Zahlen abzufeiern: Charles Darwin wurde im Jahre 1809 geboren. Und im Jahre 1859 wurde sein grundlegendes Werk "Die Enststehung der Arten - durch natürliche Zuchtwahl veröffentlicht.
Und ob nun das beliebte "W wie Wissen" in ARD mit dem ewig lächelnden Schwiegersohn als Moderator, oder die diversen Beiträge im Deutschlandfunk: überall zeichnet man wieder einmal das Bild von dem einen großen einsamen Mann, der in Herkulesarbeit die Welt veränderte.
Bis der große Darwin kam, glaubten nach dieser Saga alle Leute, die Welt sei in sieben Tagen geschöpft worden, und Gott habe die Arten der Tier- und Pflanzenwelt in einsamer männlicher Tatkraft erschaffen. Und dann hätten sich diese Arten nicht mehr verändert. Da mußte erst Charles Darwin kommen, nach Südamerika fahren, Tiere beobachten und die armen Kerle präparieren. Und dann kam er zurück. Und er schockte die Welt mit seiner auf der Reise gemachten Erkenntnis, daß sich die Tier- und Pflanzenarten ständig veränderten. Die Pfaffen und Kathederhengste bewarfen den unbeirrbaren Darwin mit allerlei Unglimpf. Aber schließlich habe sich doch das bessere Argument durchgesetzt.
Also: Charles Darwin hat die Geschichte in seinem Buch "Die Entstehung der Arten" ganz anders geschildert. Darwin zählt eine ganze Reihe von Gelehrten auf, die schon vor ihm selber gesagt haben, daß sich die Arten ständig verändern. Zum einen war Darwin ein integrer Ehrenmann, der Wert auf Fair-Play legte. Zum anderen wollte er sich natürlich auch selber ein bißchen dagegen absichern, daß man ihn in der Wissenschaftsgemeinde isoliert. Vor Darwin hatten nach seinen Worten bereits die Herren: Saint-Hilaire, Buffon, Grant, Keyserling, Matthew, Schaafhausen oder der prominente Biologe Thomas Huxley die Veränderbarkeit der Arten zumindest theoretisch für möglich erklärt.
Darwin nennt aber vor allem einen Forscher, auf dessen theoretische Grundlagen er sich immer berufen hat: Jean Baptiste Lamarck. Lamarck hatte bereits um das Jahr 1800 herum in seinen Schriften die Veränderbarkeit der Arten formuliert. Lamarck geht davon aus, daß Lebewesen sich veränderten Umweltbedingungen anpassen, und sich mit der veränderten Umwelt selber über Generationen verändern. Was eine Generation in ihrem Leben erlernt und erwirbt, wird in die nächste Generation fortgepflanzt. Berühmt ist das Beispiel der Giraffe: um die Blätter von immer höheren Bäumen abfressen zu können, habe die Giraffe ihre Halswirbel immer weiter gestreckt, und so immer mehr ausgebildet. So sei der Hals der Giraffe über die Generationen immer länger geworden. Nicht nur Darwin glaubte an Lamarcks Theorien. Lamarcks Theorien blieben bis zum Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts allgemein gültige Lehrmeinung. Von Lamarck wird in der aktuellen Darwin-Rezeption so gut wie gar nicht gesprochen. Warum eigentlich nicht?
Ja, und dann heißt es: Darwin hat seine Erkenntnisse zwanzig Jahre für sich behalten. Und dann hat er sie ganz eilig 1859 veröffentlicht.
In der Tat. Darwin sagt in seinem Buch auch ganz ehrlich und fair, warum er sich nun zu einer schnellen Veröffentlichung im Jahre 1859 entschlossen hatte. Denn ein anderer Forscher war ebenfalls in Südamerika und obendrein auch noch im indonesischen Archipel gewesen. Hatte ebenfalls Präparate gesammelt. Aufzeichnungen gemacht. Zeichnungen angefertigt. Und war just zur selben Zeit wie Darwin zu genau den selben Befunden gelangt wie Darwin. Und konnte sie empirisch auch genau so nachweisen wie Darwin.
Jener Mann hieß Alfred Russel Wallace. Wallace und Darwin standen schon seit Jahren im kollegialen Austausch. Und nun hatte Wallace seinem Freund Darwin seine schriftliche Zusammenfassung seiner eigenen Ergebnisse zugeschickt. Darauf überreichte Darwin seine eigenen Schriften und den Text von Wallace an die damals führende biologische Gesellschaft in England, nämlich die Linnean Society. Dort wurden beide Texte der Wissenschaftscommunity vorgelesen.
Warum wird der Anteil von Wallace an der Evolutionstheorie so hartnäckig verschwiegen?
Möchte man auf Deubel komm raus die Guido Knopp-Theorie von den einsamen großen Männern und Welterschaffern auf ewig weiterspinnen? Vereinfachung verkauft sich besser. Das lehrt jeder Werbefachmann. Einzelne Gesichter prägen sich besser ein als komplexe Zusammenhänge.
Traut man den Menschen draußen im Lande die Auffassungsgabe nicht zu, folgendes zu begreifen: große Veränderungen geschehen nie als isolierte Ereignisse. Sie sind irgendwann überfällig. Und wie Darwin in seinem Buch richtig vermerkt, haben im Neunzehnten Jahrhundert eine ganze Reihe von Forschern aufgrund verbesserter Instrumente eingesehen, daß die Arten sich ständig verändern. Darwin verweist zudem auf die praktische Weisheit der Tierzüchter, die ja schon seit Generationen das christliche Kreationismus-Credo großräumig ignoriert haben.
Und irgendwann kommt eben der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt. Auch das Telephon wurde ja nicht plötzlich von einer Person, nämlich Alexander Graham Bell, erfunden. Die technischen Lösungen lagen sozusagen in der Luft. Und so hatte der Frankfurter Erfinder Philipp Reis in etwa zur selben Zeit das Telephon erfunden wie Alexander Graham Bell. Aber alle Welt redet von Bell als dem Erfinder des Telephons.
Im Falle von Darwin und Wallace ist das Verschweigen von Wallace allerdings noch unverständlicher. Denn sowohl Wallace wie Darwin sind genau zur selben Zeit, nämlich 1858, und am selben Ort, nämlich dem Londoner Hörsaal der Linnaen Society durch die Ziellinie gelaufen. Mit vergleichbar wertvollem empirischen Beweismaterial.
Ein Mann verändert die Welt.
Wirklich? Als Caesar Gallien eroberte, war ja, wie man jetzt weiß, zumindest ein Koch dabei. Und im Falle der Evolutionstheorie gab es mindestens zwei Köche.

Kommentare
23.02.2009 / 23:58 theo,
gesendet am 22.2.2009 zw. 14.00-15.00 in "Aus P+K+G"
danke
 
03.03.2009 / 15:35 hike, Radio Unerhört Marburg (RUM)
gesendet in fruehschicht 3-3-09
danke!