Lora aus dem EineWeltHaus vom 23.2.2009

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Zusammenstellung von Nachrichten aus dem linken, antifaschistischen, antikapitalistischen und queeren Spektrum für Radio Lora innerhalb der Sendereihe "Lora aus dem EineWeltHaus" in München
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10:49 min, 10 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 22.02.2009 / 19:49

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: Lora aus dem EineWeltHaus
Entstehung

AutorInnen: Felicitas Hübner
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 22.02.2009
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
In Irland formiert sich Widerstand gegen die Wirtschaftspolitik

Für den 21.2. hatte der Congress of Trade Unions (ICTU) in Dublin zu einer Großkundgebung aufgerufen, um damit weitere Proteste gegen die Wirtschaftspolitik der irischen Regierung einzuleiten. 120.000 Menschen haben an der nationalen Auftaktveranstaltung teilgenommen.

Irland, aufgestiegen vom "Armenhaus Europas" zum "keltischen Tiger", hatte in den letzten Jahren als Finanzstandort geboomt und ist besonders schwer getroffen worden von der Finanzkrise. Die Regierung hat angesichts explodierender Staatsverschuldung und wachsender Arbeitslosigkeit ein Paket von Maßnahmen mit Sparplänen, einem Konjunkturprogramm und einer "Reorganisation" der Wirtschaft beschlossen, gegen das die Gewerkschaften Sturm laufen.

Zentrale Punkte sind neben dem Konjunkturprogramm, das Milliarden Euro in die Wirtschaft pumpen soll, und einem Innovationsfonds etwa die Beibehaltung niedriger Unternehmenssteuern und Steuerkürzungen für Unternehmen, während der Staat verschlankt und die Bürokratie rationalisiert werden sollen.

Die Gewerkschaften kritisieren die Maßnahmen als einseitig. Eine "Wirtschaftselite" habe die Wirtschaft zerstört und sei bislang dafür nicht zur Verantwortung gezogen worden. Die führenden Bankmanager hätten "Wirtschaftsverbrechen" begangen.
Für Unmut hat vor allem auch die angekündigte Erhöhung der Rentenversicherung für die Angestellten im öffentlichen Dienst gesorgt.
Nach der Gewerkschaft IMPACT können damit untere und mittlere Angestellte jährlich zwischen 1.500 und 2.800 Euro weniger netto verdienen.

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Indien

Schlangenbeschwörer demonstrierten in Kalkutta

Bei hinduistischen Festen wie dem Nag Panchami in Khadiatola nahe Kalkutta waren Schlangenbeschwörer immer gefragt, vielen Touristen galten sie als Symbol der indischen Kultur. Doch der Schlangenbeschwörer hat’s immer schwerer. Einst gab es 800.000, doch die kommerzielle Nutzung wild lebender Tiere ist verboten, und das Gesetz wird immer strenger durchgesetzt. Wer in der Öffentlichkeit eine Schlange beschwört, riskiert die Verhaftung. Deshalb protestierten am 17.2. in Kalkutta 5.000 Schlangenbeschwörer. Ihr Gewerkschaftsführer Raktim Das sagte, dass viele »dem Verhungern nahe« seien. Die Demonstranten fordern eine Ausnahmeregelung oder Umschulungsmaßnahmen.

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Saudi-Arabien

Erste Frau in der Regierung

Ein Ministerium für Gedöns gibt es in Saudi-Arabien nicht. Weil König Abdullah zu der Ansicht gekommen ist, es sei an der Zeit, eine Frau in sein Kabinett aufzunehmen, schuf er eigens einen neuen Posten für Norah al-Faiz. Sie wurde vor 2 Wochen zur Vizeministerin für Frauenbildung ernannt. Damit nichts schiefgeht, wird also auch weiterhin ein Mann über die Frauenbildung wachen. Bei der Regierungsumbildung entledigte sich Abdullah überdies zweier extrem reaktionärer Beamter. Er entließ den höchsten Richter des Landes. Der Kleriker sagte über die Besitzer von Satellitensendern, die »böse« Programme verbreiten: »Es ist gestattet, jene zu töten, die zum Verderben rufen, wenn sie nicht durch andere Strafen gestoppt werden können.« Auch die Zuschauer, in Saudi-Arabien wohl die Mehrheit der Bevölkerung, erklärte er für »schuldig«. Sehr unbeliebt war auch der nun gefeuerte Vorsitzende der Kommission zur Förderung der Tugend und zur Verhinderung des Lasters. Die Klagen über die Brutalität der von ihm kommandierten Religionspolizei, die über die Einhaltung der »islamischen« Sitten wacht, hatten sich in letzter Zeit gehäuft.

König Abdullah kann nun hoffen, in der »internationalen Gemeinschaft« seinen Ruf als Reformer zu festigen. Vor allem scheint ihm daran gelegen zu sein, die Kluft zwischen Ideologie und Realität nicht allzu groß werden zu lassen. Die meisten Saudis ziehen »böse« Unterhaltung der Predigt vor, nicht einmal 30 Prozent besuchen einmal pro Woche den Gottesdienst. Dass die Religionspolizisten nicht selten Säumige in die Moschee prügelten, war der Popularität der Monarchie sicher nicht zuträglich.

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Das Musikfachblatt Rolling Stone

Obama ist Präsident der Vereinigten Staaten, ein Schwarzer ist ganz vorne. So weit ist das Musikfachblatt Rolling Stone noch nicht. Traditionell für Musik weißer Männer zuständig, wollte man anscheinend auch in der Februar-Ausgabe keine Frau auf dem Cover, eine schwarze zumal. Elvis Presley prangt vorne, der »King of Rock’n’Roll«. Es geht um die Titelstory, die »die 100 Größten Sänger aller Zeiten« verspricht. Dann wird Elvis also zum »größten Sänger aller Zeiten« gewählt worden sein, denkt man sich und ist dann doch recht verblüfft, dass der Rat der Weisen vom Rolling Stone sich gar nicht für den King entschieden hat, dass der nur abgeschlagen auf Platz drei gelandet ist und dass die schwarze Sängerin Aretha Franklin, die »Queen of Soul«, den Thron bestiegen hat. Aretha Franklin also ist die »größte Sängerin aller Zeiten«, so der Rolling Stone. Auf dem Titel des Magazins ist darüber rein gar nichts zu lesen.

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KUBA
Dichter fiel in Ungnade

Eigentlich sollte die Sammlung von Erzählungen des kubanischen Schriftstellers Orlando Luis Pardo Lazo “Boring Home” offiziell auf der Internationalen Buchmesse in Havanna vorgestellt werden. Der Autor, der sogar als Jury-Mitglied an der Messe hätte teilnehmen sollen, ist den kubanischen Behörden jedoch zu kritisch geworden. Der staatliche Verlag Letras Cubanas stoppte den Druck des Werkes.

Nach der Eröffnung der Buchmesse am 12. Februar riefen kubanische Bloggerinnen und Blogger daher zu einer öffentlichen Vorstellung von „Boring Home“ vor den Toren der Festung Cabañas auf. Dort findet die Buchmesse jedes Jahr statt. Lazo, der selbst einen Blog mit dem Namen „Postrevolutionärer Montag“ betreibt, schreibt dort über Drohungen per Telefon und E-Mail, die nach der Ankündigung der inoffiziellen Lesung bei ihm eingegangen seien. Ein anonymer Anrufer habe zu seiner Mutter gesagt „Wenn dein Sohn am Montag zur Buchmesse geht, dann werden wir ihm den Schwanz abschneiden“.
In Interviews hatte Lazo darauf hingewiesen, dass nicht der Inhalt des Buches die Ursache der Zensur sei, sondern seine Aktivitäten in der kubanischen Bloggerszene und das Publizieren seiner Texte in der exilkubanischen Presse.

Begleitet von internationaler Presse, FreundInnen und sympathisierenden SchriftstellerInnen konnte Lazos Buch dann am Nachmittag des 16. Februar ohne größere Zwischenfälle vorgestellt werden. Die Teilnehmenden erhielten das Buch auf CD.

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Großbritannien

Niederländischer Rechtspopulist zeigt Islam-Film im House of Lords

Eine bessere Werbung hätte sich kaum wünschen können. Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders war vor 2 Wochen auf Einladung eines Mitglieds der UK Independence Party nach London gereist, um seinen Islam-Film »Fitna« im House of Lords vorzustellen.

Im Film werden zu Koranversen Bilder von angeblich islamistisch motivierten Gewalttaten, Aufnahmen von Hasspredigern, die zum heiligen Krieg gegen Ungläubige. Christen und Juden aufrufen, gezeigt.

Am Flughafen London-Heathrow wurde Wilders jedoch die Einreise verweigert, da seine Anwesenheit eine Gefahr »für die gesellschaftliche Eintracht und damit für die öffentliche Sicherheit« darstelle. Wilders Kurzfilm hatte auch in den Niederlanden Terroralarm ausgelöst, als er 2008 ins Netz gestellt wurde. Der muslimische Zorn blieb aus.
Im House of Lords wurde »Fitna« wie geplant vor etwa 30 Zuschauern gezeigt.

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Japan

Finanzminister musste zurücktreten

Frauen sind »genetisch anders«, aber sie haben »ihre eigenen Fähigkeiten«, zum Beispiel können sie Blumen viel schöner arrangieren als Männer und sollten dieses Talent auch nutzen, meint Finanzminister Nakagawa. Diese Aussage galt nicht als Skandal, ebensowenig wie seine Überlegung, Japan sollte sich eventuell Atomwaffen beschaffen, und auch nicht seine Befürwortung einer strikt nationalistischen Schulerziehung. Zurücktreten musste Nakagawa nun, weil er während des Gipfeltreffens der G7-Finanzminister bei einer Pressekonferenz lallte. Niemand wollte ihm glauben, dass er nur im Übermaß Medikamente gegen seine Erkältung eingenommen habe.

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Letzte Meldung

Die Wirtschaftskrise und olles Zeug

Im Zuge der Wirtschaftskrise scheint es äußerst lohnenswert zu sein, Gegenstände aus dem ehemaligen Besitz von berühmten, wenn möglich toten Musikern oder anderen Berühmtheiten zu versteigern. Courtney Love, die Witwe von Curt Cobain, die an der Quelle sitzt, hat mit dieser Strategie wahrscheinlich schon eine Menge Geld gemacht. Bereits vor zwei Jahren hatte sie angekündigt, die ansehnliche Sammlung von Flanellhemden, die Cobain ihr hinterlassen hatte, lieber zu versteigern, als sie in Kisten vermodern zu lassen. Angesichts der Krise ganzer Wirtschaftszweige offenbart sich hier erneut die erstaunliche Adaptionsfähigkeit des Kapitalismus: Cobain, die Personifizierung der Rebellion und das Symbol jugendlicher Konsumverweigerung, hätte wohl nie geglaubt, dass sich versiffte Grunge-Hemden, ungewaschene Haarsträhnen und mit Klebeband zusammengehaltene Instrumente jemals vermarkten ließen. Und in den vergangenen Jahren sah man tatsächlich kaum noch dünne Jugendliche mit karierten Klamotten und langen Haaren. Doch die Nostalgie stellt sich eben mit Sicherheit ein, und so beginnen derzeit die Indie-Jünger in den Großstädten wieder, Holzfäller-Hemden zu tragen. Vorausschauende Anleger sollten nun also so weise sein und sich mit den defekten Instrumenten und der gruseligen Kleidung derzeit angesagter Jugendkapellen eindecken. In der nächsten Krise könnte dies Gold wert sein.