Marcus Omofuma, Operation Spring und die Folgen

ID 27660
 
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Beitrag im Rahmen der Sendereihe anlässlich des 10. Todestages von Marcus Omofuma am 1. Mai 2009.

Rückblick auf die Tötung von Marcus Omofuma und die Folgen. Zusammenhang zwischen den darauf folgenden Demonstrationen und Operation Spring. Rassistische Bilanz zum Justizsystem und der Polizei in Österreich. Die antirassistische Bewegung in Österreich mit Fokus auf Wien - Rückblick, Hoffnung und Aufruf zur Kundgebung und Demonstration am 1.Mai 2009 in Wien.

Mit einer Sendereihe bei Radio Orange soll dazu beigetragen werden, dass der Tod Marcus Omofumas und die rassistische Abschiebepolitik nicht in Vergessenheit geraten.

Die Beiträge finden sich gesammelt unter folgendem Link:
http://www.freie-radios.net/portal/suche...

Quellen dieses Beitrages und weitere Informationen:
http://www.no-racism.net
http://www.nochrichten.net
http://www.asyl-in-not.org
http://www.wik-vernetzungsbuero.at
http://racismkills.blogsport.de/

GEMMI, "1.000 Jahre Haft. Operation Spring und institutioneller Rassismus.
Resümee einer antirassistischen Gruppe",
Wien: Verein für antirassistische Öffentlichkeitsarbeit 2005
Audio
09:22 min, 13 MB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 01.05.2009 / 12:47

Dateizugriffe: 1313

Klassifizierung

Beitragsart:
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: Marcus Omofuma - Kein Vergeben. Kein Vergessen.
Entstehung

AutorInnen: Zip FM Wien - Marcus
Radio: , Wien im www
Produktionsdatum: 28.04.2009
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Marcus Omofuma, Operation Spring und die antirassistische Bewegung in Österreich

Am 1. Mai 1999 sollte Marcus Omofuma von drei österreichischen Fremdenpolizisten nach Nigeria abgeschoben werden.
Sie sollten die Gelegenheit nutzen Marcus Omofuma abzuschieben, bevor er in seinem laufenden Asylverfahren, das in zweiter Instanz abgewiesen worden war, nochmal in Berufung gehen konnte. Marcus Omofuma wehrte sich gegen den Versuch gegen seinen Willen an den Ort zurückgebracht zu werden, von dem er 1994 geflohen war.
Die drei Polizisten haben ihn mit zusätzlicher Mithilfe der Flughafenpolizei gefesselt und ins Flugzeug getragen.
Im Passagierflugzeug wurde Marcus Omofuma wiederholt geknebelt.
Dies geschah mit einem eigens privat angeschafften Set aus Leukoplast, Klebebändern und Klettverschlüssen – das bei Abschiebungen jeweils untereinander an die ausführenden Beamt_Innen weiter gereicht wird.
Mehrere Passagiere setzen sich für den fixierten Omofuma ein, dem Mund und Nase verklebt waren. Ein Passagier warnte die Polizei das sie aufpassen sollen, dass er nicht erstickt.
Bei der Zwischenlandung in Sofia war Marcus Omofuma tot.

Fünf Jahre zuvor floh Marcus Omofuma im Alter von 21 Jahren von Nigeria nach Deutschland, wo er Vater einer Tochter wurde.
In Deutschland wurde sein Asylantrag abgelehnt, wodurch er gezwungen wurde im Herbst 98 nach Österreich weiter zu fliehen.
In Österreich stellte er Ende des Jahres einen Asylantrag.
In Dezember wurde Marcus Omofuma in Schubhaft genommen.
Die drei tötenden Fremdenpolizisten jedoch - wurden von jeglicher Haftstrafe verschont!
Das Urteil für die drei Beamten lautete „Tötung unter besonders gefährlichen Umständen“ – und fiel mit 8 Monaten bedingt, äußerst mild aus.

Der breite rassistische Konsens in der österreichischen Bevölkerung spiegelt sich unter anderem in der Justiz wieder und gießt sich in der Vollstreckung von Urteilen und Praktiken in rechtliche Legitimation – unterstützt und reproduziert wird dieser Konsens durch Massenmedien, insbesondere der Kronenzeitung.


Der strukturelle Rassismus innerhalb der Institutionen, so auch im Polizei- und Justizsystem, wurde in den letzen 10 Jahren keiner Selbstkritik unterzogen und findet ständig Niederschlag in Amtshandlungen, Anzeigen und Urteilen - auf subtile - und offensichtliche Art und Weise.
In Österreich wurde bislang noch kein unabhängiges Gremium eingerichtet, dass rassistische Amtshandlungen untersucht.

Die häufigste Form der Kriminalisierung von Menschen aus sog. „Dritt-Ländern“ ist jene,
dass ihr Existenzrecht in der europäischen Union von einem Aufenthaltstitel abhängig ist.
Die fatalen Strafen die über die Existenz von diesen Menschen in Österreich verhängt wird sind bekannt: Schubhaft und Abschiebung.
Neben der Infragestellung des Bleiberechts, findet die rassistische Diskrimierung auf unterschiedlichste Arten statt


* Rassistische Motive bei Straftaten werden von Justiz und Polizei sehr oft ausgeblendet

Kommt es zu rassistischen Verhalten seitens der Polizei, und wird dann von den Betroffenen Beschwerde gegen rassistisch motivierte Kontrollen, Aussagen und direkte Gewalt der Beamt_innen vorgebracht, kommt es immer wieder vor, dass den Opfern Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen wird.


Oft werden Betroffene von rassistischer Gewalt nicht ernst genommen, haben nachvollziehend kein Vertrauen zur Polizei und erstatten deshalb oft erst gar keine Anzeige.

Richter_innen sind nicht objektiv - es kommt zu Kriminalisierungen von Rassismus Betroffenen, wobei die Übergriffe der Rassist_innen ohne Konsequenzen bleiben.
Das Interesse der Justiz die Tathergänge sachlich und basierend auf den Aussagen aller Zeug_innen
zu rekonstruieren, scheint sehr begrenzt zu sein.

Rassismus in der Bevölkerung wird nicht geahndet, es kommt aber sehr wohl zu Anzeigen gegen die von Rassismus betroffenen Person
wenn diese selbst rechtlich aktiv gegen die Rassistin oder den Rassisten vorgehen möchte

Zahlreiche Fälle belegen die traurige Tatsache, dass im österreichischen Polizei- und Justizsystem Rassismus nicht bekämpft wird, wie es die österreichische Gesetzeslage prinzipiell möglich machen würde, sondern das dem Rassismus Vorschub geleistet wird und und nicht zu letzt sogar aktiv unterstützt wird.

Das Urteil für die drei Polizisten, die Marcus Omofuma getötet haben fiel milde aus.

Die Reaktionen gegen die Proteste dagegen umso Härter.

Noch am Abend nach Bekanntwerden der Tötung an Marcus Omofuma, kam es zu spontanen Protesten in Wien. Einige Tage darauf gründete sich „Plattform für eine Welt ohne Rassismus“, um den Rassismus in Staat und Gesellschaft, dem Abschiebekonsens, um den permanenten Repressionen, Widerstand zu leisten.

Das Spektrum in derAnfangszeit reichte von linken Gruppen, Initiativen aus dem Menschenrechtsbereich, vielen einzelnen engagierten Menschen bis zu Gruppen aus der Afrikanischen Diaspora und anderen unmittelbar Betroffenen.

Es wurden bei Demonstrationen am 8. und 12.Mai der Rücktritt von einigen verantwortlichen Politikern, allen voran dem SPÖ Innenminister Karl Schlögl gefordert.
Eine skandierte Forderung auf der Demo vom 12.Mai galt der Schubhaft:

Schubhäfn: löst euch auf!

Neben kleineren Aktionen und den Großdemos, gab es auch eine monatelange Mahnwache vor dem Innenministerium.
Die Proteste hatten eine große Wirkung und es gelang vorübergehend durch eine große Gegenöffentlichkeit die Abschiebepolitik in Frage zu stellen.
Die Reaktion von Behörden und Mainstream-Medien, speziell der Kronenzeitung ist bekannt:
Am 27.Mai 1999 kam es zur Operation Spring, der größten Polizeiaktion der zweiten Republik. Bei dieser rassistisch motivierten Razzia wurden 104 Menschen, zum allergrößten Teil AfrikanerInnen verhaftet.
Obwohl die Anklagen auf haltlosen Vorwürfen basierten, wurden viele zu langjährigen Haftstrafen von bis zu 12 Jahren verurteilt.
Die Operation Spring lieferte der Stereotypisierung Afrikaner ist gleich Drogendealer und den Konstrukt eines „nigerianischen Drogenrings“ enormen Vorschub.
Die Existenz eines solchen konnte zu keinem Zeitpunkt bewiesen werden.
In den Medien wurde über die Verbindung von Drogen und Asyl ein Zusammenhang zwischen Legitimität der restriktiven Asylpolitik und den Drogenrazzien hergestellt.
Weiters sollte die in dieser Zeit erstärkte Kritik an institutionellen Rassismen delegitimiert werden.
Viele Afrikanerinnen und Afrikaner welche an den Demonstrationen und Aktionen gegen Rassismus und Abschiebepoltik beteiligt waren, bekamen im Zuge der Operation Spring staatliche Repression noch massiver zu spüren.

Rassistisch motivierte Kriminalisierungen von AfrikanerInnen haben durch die Operation Spring eine neue Form von Legitimität erfahren – die bis heute andauert, und die rassistische Haltung in großen Teilen der österreichischen Bevölkerung verstärkt hat und noch immer verstärkt.

Trotz der Repression wurde der Widerstand nie zum Verstummen gebracht, wenngleich sich seit den letzten zehn Jahren einiges verändert hat.



In den letzten Jahren mangelte es vor allem an Vernetzung der einzelnen antirassistischen Initiativen und auch die öffentlich sichtbare Antirassismusarbeit hat nachgelassen.


Rund um den 1. Mai soll es nun wieder kollektiv sichtbaren Protesten kommen. Diese werden sich nicht in einem Erinnern an Marcus Omofuma erschöpfen – sondern sollen der Anküpfungspunkt eines erstarkenden kontinuierlich agierenden kraftvollen Widerstand gegen Rassismus sein!
Es liegt an der Beiteiligung und am selbstständigen Engagment - nicht nur am 1.Mai - klar
Nein zu sagen!
Nein zu Rassismus,
Nein zu Abschiebung,
Nein zu Schubhäfen,
Nein zu jeglicher Art von Diskriminierung aufgrund von Aufenthaltsstatus, Hautfarbe, Geschlecht
oder sexueller Orientierung!

Die Proteste am 1. Mai sollen ein klares Zeichen setzen!

Es werden viele sein !

Raus auf die Straße gegen Rassismus !

Die Kundgebung in Wien mit anschließender Demonstration beginnt am Freitag den 1. Mai um 14 Uhr beim Marcus Omofuma Stein am Anfang der Mariahilferstraße gleich bei der U-Bahnstation U2 – Museumsquartier /Mariahilferstraße

Marcus Omofuma ist kein Einzelfall!

Rassismus tötet!

Kommentare
30.04.2009 / 14:23 milli, Radio Unerhört Marburg (RUM)
zip-fm
beitrag wurde für zipfm am 30.4. verwendet