USAControl Ausgabe Mai Teil 1

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Neuer Präsident Obama - neue Politik gegenüber dem Iran?
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Upload vom 06.05.2009 / 18:22

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Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: USAControl
Entstehung

AutorInnen: Hermann Ploppa
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 06.05.2009
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript

O-Ton Obama Persisch

Dies ist die Stimme des amtierenden Präsidenten der USA, Barack Hussein Obama. Er begrüßte die Bürger der Islamischen Republik Iran in seiner vielbeachteten Ansprache zum islamischen Neujahrsfest, dem Newruz, auf Persisch.
In dieser Neujahrsansprache war Barack Obama voller Charme und Höflichkeit gegenüber den Iranern. Ein erstaunlicher Kontrast zu Amtsvorgänger George W. Bush. Für Bush waren der Iran und seine Bürger gleichbedeutend mit dem Bösen schlechthin – der Iran schlicht ein Schurkenstaat.
Zwar haben alle US-Präsidenten seit Richard Nixon zum islamischen Neujahrsfest eine Grußansprache verlesen. Allerdings eher unauffällig über das Radioprogramm des Propagandasenders Voice of America. Obamas Botschaft fand sich im Internet bei Youtube, mit Übersetzung ins Persische im Untertitel. Obama beschwor die Verdienste der iranischen Kulturnation. Er zitierte den persischen Goethe, den Poeten Saadi mit den Worten: „Die Kinder von Adam sind wie Körperglieder zu einander. Sie sind erschaffen aus ein und dem selben Ursprung.“
Und das totale Kontrastprogramm zu Bush:

O-Ton „Rightful Place“

“Die Vereinigten Staaten möchten, daß die Islamische Republik des Iran ihren rechtmäßigen Platz in der Gemeinschaft der Nationen einnimmt.“
Doch fehlt es andererseits auch nicht an Ermahnungen. Die Iraner müßten konstruktiv mitmachen und auf Gewalt und Drohungen verzichten.
Dennoch. Die Botschaft kam im Iran, so weit man von iranischen Mitbürgern in Deutschland hören kann, ausgesprochen positiv an.
Es ist auch gar nicht so schwer, bei iranischen Bürgern in dieser Angelegenheit positive Aufnahme zu finden. Wenn man nur die waffenklirrende Anpöbelei unterläßt, der sich Amtsvorgänger George Bush so gerne bedient hatte. Denn im Iran herrscht ein Überdruß über die eigene Regierung vor.
Offiziell gelingt es dem Mullah-Regime zwar nach wie vor, Massen für ihre Demonstrationen zu mobilisieren. Aber die Diskrepanz zwischen dem Modernisierungsschub in der iranischen Gesellschaft und der kargen Verzichtsideologie der schiitischen Spielart des Islam wird immer größer. Während die Jugendarbeitslosigkeit und die grassierende Drogensucht ernste Herausforderungen darstellen, beschäftigen sich streberhafte Revolutionswächter eifrig damit, ob Frauen am Badestrand nicht womöglich zu viel Knöchel zeigen. Das wirkt auf immer mehr Iraner einfach lächerlich. Sie gehen in die innere Kündigung und pflegen zu hause hinter verschlossenen Türen ihren westliche Lebensstil. Ein bißchen erinnert die Szenerie an die DDR Mitte der Achtziger Jahre, kurz vor dem Ausbruch der sogenannten Bürgerrevolution.
Hier könnte eine behutsam agierendere US-Regierung in der Tat mit relativ wenig Aufwand die Unzufriedenheit der iranischen Bevölkerung für die eigenen Interessen einspannen und eine zivilbürgerliche Revolte diskret unterstützen. In diesem Jahr wird im Iran ein neuer Staatspräsident gewählt. Eine gute Gelegenheit, den radikalen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinejad zu demontieren, indem man als Belohnung für seine Abwahl eine mildere Gangart durch Washington signalisiert. Möglicherweise sind es diese Motive, die Obama zu seiner Tauben-Botschaft nach Teheran veranlaßt hat.
Die Mullahs reagierten verschnupft auf die Obama-Sirenengesänge. Das geistliche Oberhaupt der iranischen Schiiten, Ayatollah Khamenei kommentierte: „Sie singen den Slogan von der Veränderung, aber in Wirklichkeit hat sich doch gar nichts geändert. Wir haben bislang jedenfalls keine Veränderung bemerkt.“
Und der schiitische Geistliche hat nicht ganz Unrecht. Wer die Obama-Neujahrsadresse aufmerksam verfolgt hat, dem wird nicht entgangen sein, daß Obama das iranische Volk ermahnt, auf Drohungen und Gewalt zu verzichten, und stattdessen auf konstruktive Mitarbeit zu setzen.

O-Ton Obama

Ja, wen hat denn eigentlich das iranische Volk bedroht, und gegen wen hat es Gewalt eingesetzt? Der Iran mußte sich vielmehr in einem gigantischen Krieg in den Achtziger Jahren gegen einen Angriff durch den Irak unter Saddam Hussein zur Wehr setzen. Husseins Truppen waren damals von den USA für den Waffengang gegen Iran mächtig aufgeplustert worden. Seit der islamischen Revolution 1979 hatte der Iran auf kriegerische Abenteuer verzichtet. Die schiitische Außenpolitik setzte vornehmlich auf die Mittel der Diplomatie und legte dabei einen bemerkenswert undogmatischen Pragmatismus an den Tag.
Obama muß sich auch fragen lassen, ob er womöglich in einer gespaltenen Realität lebt. Denn im Wahlkampf erschien der damalige Präsidentschaftskandidat Obama als Hauptredner vor 7.000 Zuhörern bei der mächtigen Israel-Lobby-Organisation AIPAC. Dort versuchte er George Bush in punkto Agrressivität gegen den Iran den Wind aus den Segeln zu nehmen, als er sagte:

Ø „Ich werde die Drohung der militärischen Aktion immer auf der Tagesordnung behalten, um unsere und die Sicherheit Israels zu verteidigen. Manchmal gibt es keine Alternative zur Konfrontation. Aber das alleine macht Diplomatie umso nachdrücklicher. Wenn wir militärische Gewalt anwenden müssen, dann sind unsere Erfolgsaussichten größer, und das wird uns Rückhalt zuhause und im Ausland einbringen, wenn wir [denn] unsere diplomatischen Bemühungen ausgeschöpft haben.“
Und er meinte damit eindeutig den Iran. Damit hatte Obama den Segen der Israel-Lobby sicher.
Hat Obama die Israel-Lobby „gelinkt“?
Nun, gemeinsam mit den beiden Häusern des Washingtoner Kongresses erarbeit die Obama-Administration gerade den Iran Sanctions Enhancement Act, zu deutsch also etwa: das Gesetz zur weiteren Vertschärfung der Sanktionen gegen den Iran. Man strebt also weiterhin unverblümt die wirtschaftliche Strangulierung des Iran an, worunter natürlich in allererster Linie die Zivilbevölkerung des Iran zu leiden hat.
Für den neuen wie den alten US-Präsidenten steht nun einmal unverrückbar fest: der Iran fördert weltweit den Terrorismus. Und der Iran ist gerade dabei, widerrechtlich den Bau von Atombomben vorzubereiten.
Daß der Iran den Terrorismus fördert, ist einigermaßen absurd. Es ist allgemein bekannt, daß die iranische Bevölkerung der schiitischen Konfession des Islam angehört. Und die Schiiten haben sich die Todfeindschaft der Taliban und von Al Quaida zugezogen. Der Iran gehört zu den Hauptfeinden der sunnitisch-wahabitischen Terroristen. Der Iran kooperiert im Kampf gegen diese Spielart des Terrorismus mit Rußland, China und - auf inoffiziellen Kanälen - auch mit den USA. Die iranische Unterstützung für Hamas und Hisbollah gilt Organisationen, die in erster Linie soziale Netzwerke aufgebaut haben, und erst in zweiter Linie auch über militante Strukturen verfügen.
Und was die Atombewaffnung des Iran angeht: Im Gegensatz zu Indien und Israel hat sich der Iran dem Regiment der internationalen Atombehörde IAEA unterworfen, und läßt Inspektionen durch die Atombehörde zu. Demgegenüber verfügen Indien und Israel über Atomwaffen. Die USA haben gegen diese wilde Nuklearisierung bislang keinen Einspruch erhoben. Ganz im Gegenteil: sowohl Israel wie Indien werden von den USA tatkräftig mit Rohstoffen und Know-How versorgt.
All diese Tatsachen hindern Präsident Obama nicht, weiterhin gegen den Iran Front zu machen. Es ist liegt natürlich keine Persönlichkeitsspaltung bei Obama vor. Obamas Double Talk, sein Reden mit gespaltener Zunge, widerspiegelt einen beinharten Kampf zweier Linien in den Eliten der USA.
Die eine Linie fand ihre ungefilterte Entfaltung in der Präsidentschaft von George Bush dem Jüngeren. Unter Bush II. regierten die Neoconservativen. Jene Leute, die im Project for a New American Century dafür kämpfen, daß die USA nicht nur im Zwanzigsten Jahrhundert, sondern auch im Einundzwanzigsten Jahrhundert die unangefochtene Vorherrschaft in der Welt erlangen – koste es, was immer es wolle.
Diese Kämpfer für ein weiteres amerikanisches Jahrhundert bilden eine gemeinsame Teilmenge mit der mächtigen Lobbygruppe AIPAC: American Israel Public Affairs Committee. Leute wie Norman Podhoretz oder William Kristol tummeln sich in beiden Szenen. Der AIPAC wird nachgesagt, daß sie in der US-Regierung und im Washingtoner Kongreß rücksichtslos die Interessen der israelischen Regierung vertritt, auch wenn diese Interessen mit den Interessen der USA unvereinbar sind.
Zum Beispiel: Syrien, jenes kleine Land an der Nordostecke des Mittelmeeres, hat immer wieder über diplomatische Kanäle Interesse bekundet, mit den USA in vielen Bereichen zu kooperieren. Vieles ließe sich im Nahen Osten besser regeln, z.B. die Befriedung des Libanon, wenn die USA auf dieses Liebeswerben eingehen würden. Da jedoch die israelische Regierung eine solche Annäherung nicht wünscht, hat Präsident Bush Syrien kurzerhand zum „Schurkenstaat“ erklärt und die absurde Behauptung verbreitet, Syrien fördere den weltweiten Terrorismus.
Es gibt genug klarsichtige Menschen mit Einfluß in Washington und Chicago, die unter diesen Absurditäten und Selbstverstümmelungen geradezu physisch leiden. Das sind Leute, die zu einer Denkschule gehören, die wesentlich älter ist als die AIPAC oder das Project for a New American Century. Diese Denkschule gravitiert um das Council on Foreign Relations oder die in den Siebziger Jahren gegründete Trilateral Commission.
Natürlich sind die Herren vom Council und von der Trilateral Commission keine erklärten Menschenfreunde. Ihnen geht es um das möglichst reibungslose Funktionieren der US-amerikanischen Wirtschaft und der amerikanischen Finanzströme. Und da ist die Politik der Bush-Administration nun einmal schlichtweg irrational, kontraproduktiv und unrentabel. Und so starteten die Council-Mitglieder John Mearsheimer und Stephen Walt eine Frontalattacke gegen die Interessenvertreter israelischer Politik in Washington. Mearsheimer und Walts Buch „Die Israel-Lobby“ wurde in den USA ein Nummer Eins-Bestseller. Zur gleichen Zeit konnte allerdings auch der neokonservative Israel-Lobbyist Norman Podhoretz einen Nummer Eins-Bestseller landen, in dem er die Bombardierung des Iran durch die US-Luftwaffe forderte.
In zahlreichen Artikeln im Zentralorgan des Council on Foreign Relations, der Monatszeitschrift „Foreign Affairs“, haben Kenner des mittleren Ostens detailliert dargelegt, warum sich die USA mit ihrer bedingungslosen Konfrontation gegen den Iran selber ins Fleisch schneiden. Zum Einen sind Menschen der persischen Volksfamilie nicht nur im Iran vertreten. Sie stellen die stärkste Bevölkerungsgruppe in Afghanistan. Sie sind in u.a. auch Tadschikistan präsent. Zum anderen, und das ist wichtiger, haben die USA nach dem Einmarsch in den Irak und dem nachfolgenden Sturz von Saddam Hussein die sunnitische Herrscherclique der Baath-Partei ins Abseits gestellt. Stattdessen installierten die USA Regenten aus dem Kreis der bislang unterdrückten Schiiten. Es hätte den Bushisten klar sein müssen, daß diese neuen schiitischen Herrscher sich dem schiitischen Regime in Teheran eng verbunden fühlen. So ist auch ganz offiziell der iranische Staatspräsident Ahmadinejad bei seinem irakischen Amtskollegen in Bagdad zu Besuch gewesen. Und für US-Experten ist nicht klar, wem die größere Loyalität der Maliki-Regierung gehört: USA oder Iran. In vielen politischen Einzelfragen haben sich die USA im Irak mit Unterhändlern des Iran abgestimmt. Z.B. wenn es um die Bekämpfung von sunnitischen Attentätern ging. Der Iran ist ein wichtiger Handelspartner des Irak. Die USA können im Irak schlicht nicht schalten und walten, ohne auf den mächtigen iranischen Einfluß Rücksicht zu nehmen. Da paßt die großmäulige Kriegsrhetorik der Bush-Regierung ganz und gar nicht ins Konzept.
Dennoch muß der US-amerikanische Steuerzahler pro Jahr 75 Millionen Dollar aufbringen, damit die US-amerikanischen Gehiemdienste den Iran von innen her destabilisieren helfen. Das stellen jedenfalls Valis Nasr und Ray Takeyh in der Januar/Februar-Ausgabe der Foreign Affairs von 2008 fest. Sie werfen der Bush-Administration eine unzutreffende Diagnose der iranischen Situation vor. Denn der Iran sei keineswegs ein isolierter geächteter Schurkenstaat, wie es Bush und seine Freunde immer wieder hinstellten. Keineswegs würde der Iran seine schiitische Ideologie ins Ausland exportieren. Behutsam gewinnt der Iran stattdessen durch Wirtschaftsbeziehungen an Boden. So sei es für sunnitisch beherrschte Staaten wie Katar oder die Vereinigten Arabischen Emirate kein Problem, mit dem Iran intensive Handelsbeziehungen zu pflegen. Warum machen sich die USA das Leben künstlich schwer? Der Iran ist überaus kooperativ: ZITAT „Iran ist ein außergewöhnlich opportunistischer Staat, der seine Vorherrschaft in der unmittelbaren Nachbarschaft zu sichern sucht ... Nicht anders wie Rußland und China, ist Iran eine wachsende Macht, die sich bemüht ein Schlüsselstaat in der Region zu werden.“ ZITATENDE. Die USA sollten nicht länger auf überholten Vorstellungen beharren: ZITAT „Anstatt sich auf eine Widerherstellung eines früheren Machtgleichgewichts zu versteifen, wären die USA gut beraten, auf regionale Integration zu setzen und ein neues Netzwerk zu fördern, in dem alle wichtigen Mächte ihren Anteil am Status Quo mit tragen.“
So weit die Foreign Affairs-Autoren Nasr und Takeyh. Ob der Status Quo tatsächlich ein wünschenswerter Zustand ist, kann man mit Fug und Recht bezweifeln. Auf jeden Fall wäre eine kriegerische Attacke gegen einen weiteren, im Moment noch halbwegs funktionstüchtigen Staat eine weitere Mega-Katastrophe nicht nur in der Region, sondern für die Stabilität der gesamten Welt. Die Hauptleidtragenden wären wieder einmal unschuldige Zivilisten, während die Internationale der Waffendealer erneut Hochkonjunktur zu verzeichnen hätte.
Und der amtierende US-Präsident Obama wäre gut beraten, seine Doppelzüngigkeit zu beenden und klar und unmißverständlich in offizielle Verhandlungen mit der Republik Iran zu treten. Obamas augenblickliches Lavieren zwischen Charmeoffensive und unverhohlener Bombendrohung stellt auf die Dauer eine große Gefahr für den Weltfrieden dar.