Umweltaktivist in El Salvador ermordet - Welle von Drohungen gegen MinengegnerInnen

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Mit der Menschenrechtslage in El Salvador steht es nicht zum Besten. Doch seit einigen Monaten hat sich die Lage im Städtchen San Isidro in der nordwestlich der Hauptstadt gelegenen Provinz Cabañas drastisch verschärft. Am 18. Juni verschwand der Leiter des Kulturzentrums und Umweltaktivist Gustavo Marcelo Rivera spurlos. Erst Anfang Juli wurde seine misshandelter Leiche in einem 20 Meter tiefen Brunnen gefunden.

Für Polizei und Staatsanwaltschaft war schnell klar, das die Täter gewöhnliche Kriminelle, sogenannte Maras, sein müssten. Fünf Personen wurden festgenommen. Rivera habe zunächst mit ihnen getrunken und sei dann erschlagen worden.

Doch für die Freunde und Angehörigen von Rivera liegt der Grund für den Mord woanders. Sie verweisen auf das Goldminenprojekt El Dorado der kanadischen Firma Pacific Rim. In zahlreichen Veranstaltungen und Protestaktionen machten die Umweltschützer gegen die Minenpläne mobil – sehr zum Ärger des Bürgermeisters und einiger Gemeindemitglieder, die hofften, von den Investitionen zu profitierten.

Gustavo Rivera war seit Jahren besonders aktiv im Kampf für die Umwelt und gegen die Goldmine. Hinzu kam, daß der FMLN-Aktivist bei den Kommunalwahlen vom 18. Januar 2009 dem Bürgermeister José Ignacio Bautista von der rechtsgerichteten ARENA-Partei Korruption und Wahlbetrug vorwarf. Die Wahl musste wiederholt werden, Bautista blieb dennoch Bürgermeister von San Isidro. Seitdem häuften sich die Drohungen gegen Gustavo Rivera und seine Mitstreiter. Ein halbes Jahr später wurde er ermordet.

Seinem Tod folgte eine regelrechte Welle von Todesdrohungen und mindestens ein weiterer Mordversuch. Freunde von Marcelo Rivera fühlen sich bereits an die 80er Jahre erinnert, als Todesschwadronen in El Salvador ihr Unwesen trieben.
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11:17 min, 10 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 31.08.2009 / 18:45

Dateizugriffe: 498

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Internationales
Entstehung

AutorInnen: onda-info
Radio: npla, Berlin im www
Produktionsdatum: 31.08.2009
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Umweltaktivist in El Salvador ermordet

Mit der Menschenrechtslage in El Salvador steht es nicht zum Besten. Doch seit einigen Monaten hat sich die Lage im Städtchen San Isidro in der nordwestlich der Hauptstadt gelegenen Provinz Cabañas drastisch verschärft.

Audio Video Rivera

In diesem im März veröffentlichten Video pries Gustavo Marcelo Rivera die Sehenswürdigkeiten seiner Heimat an. Doch am 18. Juni verschwand der Leiter des Kulturzentrums und Umweltaktivist spurlos. Erst Anfang Juli wurde seine misshandelter Leiche in einem 20 Meter tiefen Brunnen gefunden.

Für Polizei und Staatsanwaltschaft war schnell klar, das die Täter gewöhnliche Kriminelle, sogenannte Maras, sein müssten. Fünf Personen wurden festgenommen. Rivera habe zunächst mit ihnen getrunken und sei dann erschlagen worden. Doch Francisco Pineda vom Umweltkomitee Cabañas versichert, daß Rivera weder Alkohol noch Zigaretten angerührt hätte. Würgemale am Hals, herausgerissene Zehennägel und andere Folterspuren liessen nicht auf einen spontanen Streit schliessen. Zudem hätte die Autopsie ergeben, daß Rivera zum Zeitpunkt seines Fundes erst seit drei Tagen tot war.

O-Ton Francisco Pineda

"Ich kannte Marcelo seit 20 oder 25 Jahren, und ich habe ihn nie rauchen oder trinken sehen. Ich weiß nicht, ob er es vor mir verborgen hat, aber wenn wir im Dorf fragen wird das jeder bestätigen. Die Leute, die festgenommen worden sind, kommen nicht aus dieser Gemeinde. Es kann sein, dass sie die Täter waren, aber wir glauben, dass es Hintermänner gibt."

Denn f ür die die Freunde und Angehörigen von Rivera liegt der Grund für den Mord woanders. Sie verweisen auf das Goldminenprojekt El Dorado der kanadischen Firma Pacific Rim. Seit 2002 fanden Erkundungen und Probebohrungen statt, doch Umweltschützer fürchteten die Verschmutzung von Wasser und Land und die Vernichtung ihrer Lebensgrundlage. Nach Probebohrungen versiegten sofort einige Quellen. Beispiele aus dem nahe gelegenen Honduras belegten die Verbindungen zwischen dem Erzabbau und der Vergiftung von Mensch und Umwelt. In zahlreichen Veranstaltungen und Protestaktionen machten die Umweltschützer gegen die Minenpläne mobil – sehr zum Ärger des Bürgermeisters und einiger Gemeindemitglieder, die hofften, von den Investitionen zu profitierten.

Gustavo Rivera war seit Jahren besonders aktiv im Kampf für die Umwelt und gegen die Goldmine. Zusammen mit seinem Bruder hatte er schon 1993 die Gemeindeorganisation ASIC (Amigos de San Isidro, Cabañas) gegründet. Hinzu kam, daß der FMLN-Aktivist bei den Kommunalwahlen vom 18. Januar 2009 dem Bürgermeister José Ignacio Bautista von der rechtsgerichteten ARENA-Partei Korruption und Wahlbetrug vorwarf. Die Wahl musste wiederholt werden, Bautista blieb dennoch Bürgermeister von San Isidro. Seitdem häuften sich die Drohungen gegen Gustavo Rivera und seine Mitstreiter. Schließlich wurde er ermordet.

O-Ton Proteste/Beerdigung

In der Kurzdoku "The Mysterious Death of Marcelo Rivera" des US-Filmemachers Jamie Moffett behauptet der Anwalt Hector Berrios, die Firma Pacific Rim habe Bürgermeister Bautista in die USA eingeladen und ihm Flugreisen gesponsort. Sein Bruder sei zudem Mitglied der örtlichen Polizeikräfte.

O-Ton Hector Berrios

"Der Bürgermeister Bautista erscheint eher wie ein Promoter von Pacific Rim. Pacific Rim zahlt ihm Reisen ins Ausland, in die USA. Er soll bei den dort lebenden Salvadorianern für Pacific Rim werben. Ein Bürgermeister sollte sich um die örtliche Entwicklung kümmern. Dieser Bürgermeister macht das aber nicht. Ihm geht es vor allem darum, das Minenprojekt voranzutreiben."

Doch bereits ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen im März hatte die Regierung der rechten ARENA-Partei ihre Haltung plötzlich geändert und das Projekt El Dorado abgelehnt. „Das Land hat ein Recht darauf, Bergbaukonzessionen zu erteilen oder zu verweigern“, erklärte der damalige salvadorianische Präsident Antonio Saca Ende Februar gegenüber der Presse. Als Begründung führte er an, dass Zweifel angesichts der negativen Auswirkungen der Bergbauaktivitäten auf Menschen und Ökosystem nicht ausgeräumt werden konnten. Auch die katholische Kirche sprach sich nun gegen den Bergbau aus.

Pacific Rim musste daraufhin im Juli 2008 ihre Probebohrungen erst einmal einstellen. 150 Arbeiter wurden entlassen. Die Firma gab die Schuld den Umweltschützern, berichtet Francisco Pineda:

O-Ton Pineda Entlassungen

"Viele Leute von Pacific Rim wurden entlassen. Zum Abschied wurden alle Arbeiter und ihre Familien zum Essen eingeladen. Die Firma hat ihnen Fotos von mir gezeigt und gesagt: 'Schauen sie, Schuld daran, daß Sie keine Arbeit mehr haben, ist dieser Mann.' Seitdem werde ich immer beschimpft, wenn sie mich sehen."

Doch die kanadische Firma gibt sich nicht so schnell geschlagen. Sie hat die salvadorianische Regierung im vergangenen Dezember vor einem Schiedsgericht verklagt. Die Regierung habe mit ihrem Rückzug die Regeln gemäß des CAFTA-Abkommens verletzt. Das Freihandelsabkommen zwischen den USA und einigen zentralamerikanischen Staaten ist erst 2006 in Kraft getreten. Am 30. April diesen Jahres übergab Pacific Rim die Klageschrift dem Schiedsgericht. Die Firma möchte die angeblich bereits investierten 77 Millionen Dollar zurückhaben und fordert zudem Schadensersatz.

Ein Teil dieser Investitionen könnte in einflussreiche Gemeindemitglieder, Politiker und lokale Eliten geflossen sein, um sich Unterstützung zu erkaufen, vermutet der US-Journalist Jesse Freeston. Dies habe die Gemeinde gespalten in diejenigen, die negative Folgen für die Umwelt fürchten, und diejenigen, die von der Firma bezahlt werden. Die daraus entstandenen gewaltsamen Auseinandersetzungen fänden in einem Rechtssystem statt, das nichts unternehme, um die Gewalt zu stoppen. Dies sei soziale und institutionelle Vergiftung. Das spürt auch Francisco Pineda:

O-Ton Francisco Pineda:

Das ist ein ständiger Konflikt. Seitdem ich mich gegen das Projekt ausgesprochen habe, stecke ich da täglich drin. Es gibt Arbeiter der Firma die uns als Feinde sehen, weil sie denken, daß wir ihnen ein besseres Leben verweigern. Früher gingen wir zusammen angeln oder Fussball spielen, wir sprachen miteinander. Jetzt geht das nicht mehr.

Seit dem Mord im Juli ist nichts mehr wie es war. Früher hätten sich die Menschen erst nach Einbruch der Dunkelheit in ihre Häuser zurückgezogen, berichtet Francisco Pineda. Jetzt blieben die Türen den ganzen Tag geschlossen. Das Minenprojekt mit seinen Aussichten auf Reichtum für Einige habe den Ort gespalten, beklagt er:


O-Ton Francisco Pineda:

(…) die Leute haben Angst. Und ich glaube, mit dem Mord wollten sie genau das erreichen. Sie wollten nicht nur Marcelo ermorden, sondern die ganze Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen. Man merkt, daß die Leute Angst haben, zu reden. Alle machen sich große Sorgen. Es ist, wie wenn wir wieder in den 80ern wären. “

Auch der US-Filmemacher Jamie Moffett sieht Parallelen zu den Todesschwadronen aus der Zeit des Bürgerkriegs. Der Mord an Rivera blieb indes kein Einzelfall. Die Todesdrohungen gegen Aktivisten wie die Mitglieder der ADES, der Vereinigung für Wirtschaftliche und Soziale Entwicklung in Santa Marta, nahmen zu..

Audio Radio Victoria

Auch drei jungen Journalisten vom ortsansässigen Radio Victoria, 17, 18 und 20 Jahre alt, wurde mit dem Tod gedroht, sollten sie weiter kritisch über die Minenpläne, die Unregelmässigkeiten bei der vergangenen Kommunalwahl und den Tod von Rivera berichten. Zwar habe es schon seit 2006 ständig Drohungen gegeben, so der Direktor von Radio Victoria, Oscar Beltrán. Doch dies sei eine neue Situation.

O-Ton Bedrohung/Beltran

"Seit den Wahlen im Jahr 2006 erhält Radio Victoria Anrufe. Sie sagen, dir bleibt noch soundso viel Zeit zu leben, wir kennen deine Familie, wir wissen wo Du wohnst und wie Du dich bewegst. Wir raten Dir: Mach nicht weiter mit dem Radio."

Die Zahl der Drohungen hat derart zugenommen, daß die Jounalisten vorübergehend ihre Stadt verlassen mussten. Diese Drohungen brachten schliesslich Human Right Watch sowie den staatlichen Ombudsmann zur Verteidigung der Menschenrechte, Oscar Luna auf den Plan. Sie forderten die Regierung auf, die körperliche Unversehrtheit aller Mitarbeiter des kommunalen Radios zu gewährleisten und die politischen Hintergründe der Bluttat zu ermitteln.

Am 27. Juli traf es einen weiteren engagierten Minengegner. Der Priester Luis Quintanilla wurde Opfer eines bewaffneten Entführungsversuches, nachdem er zuvor ebenfalls Drohungen erhalten hatte:

O-Ton Quintanilla

„Mein Auto wurde von einem anderen Fahrzeug gestoppt. Drei Vermummte mit Gewehren stiegen aus. Einer sagte "Geben wir's ihm!" und der andere sagte "nehmen wir ihn nicht mit?". Doch irgendwie wurde die Alarmanlage meines Autos ausgelöst. Sie blieben irritiert stehen und mir gelang es, in eine kleine Schlucht zu flüchten und Hilfe zu rufen.“

Und am 7. August fielen schließlich erneut Schüsse. Diesmal traf es Ramiro Rivera Gomez, ebenfalls ein Umweltaktivist und Minengegner. Er erhielt acht Schüsse in Rücken und Beine. Die Ärtze im Rosales Krankenhaus von San Salvador bezeichneten es als „Wunder“, daß Rivera Gomez überlebte. Dieser identifizierte einen der beiden Angreifer als Oscar Menjívar, übrigens ein als gewalttätig bekannter Nachbar von Rivera Gomez. Bereits vor einem Jahr hatte er den Bauern Santos Rodriguez angegriffen und ihm mit einer Machete zwei Finger abgehackt. Grund war der Streit um die Mine. Damals wurde er nach nur drei Tagen Arrest ohne Anklage wieder freigelassen. Nun sitzt er wieder in Haft.

Lied Rivera


Dennoch schließen Staatsanwaltschaft und Polizei die politischen Dimensionen von ihren Ermittlungen aus. Für sie bleibt es eine Auseinandersetzung im kriminellen Milieu.

Die Minengegner hoffen zwar, daß die neue Regierung des linksgerichteten Präsidenten Mauricio Funes weiteren Bergbauplänen ebenfalls eine Absage erteilt. Doch die zuständigen Behörden schwiegen bisher. Die kleine Gemeinde San Isidro sieht also noch weiterhin unruhige Zeiten entgegen. Zumal für die Aktivisten die vermuteten „intellektuelle Täter“ als Hintermänner immer noch frei herumlaufen. Diese wären dann im Umfeld des Bürgermeisters und der Firma Pacific Rim zu finden.

Zwar gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß Bürgermeister Bautista oder Pacific Rim die Morde und Drohungen in Auftrag gegeben oder bezahlt haben. Doch um ihre Projekte fortführen zu können, brauchen beide die Unterstützung der Bevölkerung – oder deren Schweigen. Marcelo Rivera wollte nicht schweigen, und bezahlte mit seinem Leben.

Atmo Marcelo vive










Kommentare
02.09.2009 / 01:34 Hr/Eintragung theo,
gesendet 31.8.2009 zw. 19.10-21.00 im Magazin
vielen Dank, (ca 20.17 gesendet)
 
02.09.2009 / 08:52 kmm, Radio Dreyeckland, Freiburg
thx..
im MOrgenradio bei RDL am 2.9.09 gesendet