Gegen Hartz und Arbeit

ID 3141
 
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Eine Kritik am Hartz-Konzept vom Standpunkt der Arbeit ist nicht möglich, weil schon immer das Kriterium der Finanzierbarkeit anerkannt wurde. Aus emanzipatorischer Sicht sind Hartz und andere Zumutungskampagnen nur noch zu kritisieren, wenn die Kategorie der Arbeit selber kritisiert wird.
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04:33 min, 1868 kB, mp3
mp3, 56 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 04.02.2003 / 00:00

Dateizugriffe: 351

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Arbeitswelt, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Christian
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 04.02.2003
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Gegen Hartz und Arbeit

Wenn Kritik am Hartz-Konzept geäußert wird, zumal wenn sie aus gewerkschaftlichen Kreisen kommt, ist dies nur zu begrüßen. Es ist eben nicht selbstverständlich, daß sich gewerkschaftliche Institutionen für ein vordergründig fremdes Klientel engagieren. Gegen die neuen Zumutungen des Hartz-Konzeptes werden die Erwerbslosen in den kommenden Jahren auf Partner angewiesen sein. Doch es stellt sich nicht nur die Frage nach der Solidarität, die nötig sein wird, um sich gegen die unzumutbaren Zumutungen zur Wehr setzen zu können. Die Kritik selber muß ihr Instrumentarium überprüfen, inwiefern es für die bevorstehenden Auseinandersetzungen geeignet ist. Zentraler Gegenstand einer solchen Überprüfung muß die Kategorie der Arbeit selber sein. Unter Arbeit ist die Tätigkeitsform zu verstehen, die nach Kriterien betriebswirtschaftlicher Effektivität und Vernutzung strukturiert und organisiert ist, die also gegen Geld geleistet wird, sich in Geld ausdrücken muß, ihrem Wesen nach selber untergeordneter Bestandteil von Kapital ist und als spezifische Sphäre vom Rest des Lebens abgetrennt existiert. Arbeit ist - so gefaßt - eine spezifisch historische Kategorie, die erst in der Warengesellschaft bzw. Kapitalismus zum allgemeinen Prinzip gesellschaftlicher Vermittlung geworden ist und mit ihr wieder verschwinden wird. Mit den Rationalisierungsprozessen im Rahmen der dritten industriellen (mikroelektronischen) Revolution wird der Verkauf der Ware Arbeitskraft zunehmend überflüssig. Das System der Arbeit gerät in die Krise. Doch je handgreiflicher diese Krise wird, um so hartnäckiger wird der bedingungslose Glaube an die Arbeit eingefordert. Jedes Kind weiß, daß es nie wieder Vollbeschäftigung geben wird (mal abgesehen davon, daß dieser Zustand selber eine Zumutung wäre), trotzdem wird diese Tatsache nicht offen ausgesprochen. Öffentlich werden neue, tolle Konzepte (sogenannte Regulationstheorien) geheckt, die die Arbeitslosigkeit bekämpfen sollen - hinter vorgehaltener Hand wird dann zugestanden, daß daran nicht wirklich geglaubt wird. (Diese Doppelmoral ist eine gerade im Osten bekannte Tradition, wo Anspruch und Wirklichkeit klaftertief auseinanderlagen) Zu dem System der Heuchelei gesellt sich das System der Repression: Das Hartz-Konzept vereint beides und ist nur ein weiterer Schritt in Richtung sozialer Apartheid. Eine Kritik, die sich nicht konsequent gegen das System der Arbeit richtet, sondern sich positiv auf die Kategorie der Arbeit bezieht -zB. im Namen der Schaffung neuer Arbeitsplätze- wird einen schweren Stand haben. Misst sie sich doch von vornherein am Kritierium des Mediums, in dem sich Arbeit darstellt: im Geld. Jedes noch so gut gewollte Konzept muß vor den Richterstuhl der Finanzierbarkeit seinen Kotau leisten. Als wenn dies nicht schon Zumutung genug wäre, kann im Fall einer Nichtfinanzierbar-keit jede Schweinerei durchgesetzt werden. Kritik in emanzipatorischer Absicht wird nicht umhin können, die Arbeit selber und mit ihr das Finanzierbarkeitskriterium zu ihrem Gegenstand zu machen. Nur so wird sie noch in Zukunft kräftig zubeißen können.
Kurz- und mittelfristig ist das Anziehen der Daumenschrauben für Erwerbslose selbstverständlich zurückzuweisen. Das ist auch möglich, ohne sich positiv auf das System der Arbeit beziehen zu müssen. Es ist offenzulegen, daß es nie wieder für alle Vollbeschäftigung geben wird, nicht um ihr Nachzutrauern, sondern um das System der Arbeit zu überwinden. Was uns langfristig gesellschaftlich fehlt, ist nicht die Arbeit, sondern der Zugriff auf die Ressourcen, ungehindert vom Nadelöhr tausch- und geldförmiger Vermittlung.