Erneuter Anschlag auf die Pressefreiheit im Baskenland

ID 3372
 
Anmod:
Am vergangenen Donnerstag wurde die „Baskische Tageszeitung“ geschlossen, zehn Journalisten verhaftet und weitere Redaktionen und Büros auf Anordnung aus Madrid gestürmt. Seither wird geheim ermittelt unter dem Anti-Terror-Gesetz ermittelt. Das bedeutet seit Donnerstag: Kontaktsperre für die Verhafteten, die bis heute weder einen Anwalt ihrer Wahl, noch Angehörige sprechen konnten. Es ist die Zeit in der normalerweise Geständnisse aus den Menschen herausgeprügelt werden, für das letzte Jahr hat das Anti-Folter Komitee heute 127 Fälle von gefangenen Basken dokumentiert. Das der Chef der Zeitung Argia, früheres Führungsmitglied des Egunkaria, ins Krankenhaus eingeliefert wurde, weil er angeblich Selbstmord begangen haben soll, lässt das schlimmste befürchten. Den Angehörigen wurde bisher nur mitgeteilt, er lebt. Auch in seinem Fall wurde die Kontaktsperre nicht aufgehoben. Seine Kollegen werden seit gestern vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid vernommen, ihre Anwälte wurden auch dazu nicht vorgelassen. Wenigstens wurde denen gestern offiziell die „vorläufige Schließung“ der Zeitung, für bis zu fünf Jahre mitgeteilt. Jetzt können sie wenigstens Rechtsmittel einlegen. Die aufgewühlten vergangenen Tage im Baskenland fasst Ralf Streck zusammen.
Audio
07:38 min, 3579 kB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 25.02.2003 / 10:31

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Reportage
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Ralf Streck
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 25.02.2003
keine Linzenz
Skript
Beitrag:

Es ist Donnerstag der vergangen Woche. Es ist erneut ein Schwarzer Tag für die Pressefreiheit im Baskenland. In der Nacht hat die paramilitärische Guardia Civil zahlreiche Redaktionen und Wohnungen gestürmt. Ziel der aus dem fernen Madrid gesteuerten Aktion ist die Tageszeitung „Euskaldunon Egunkaria“ was übersetzt (Baskische Tageszeitung) bedeutet. Die Tageszeitung wird geschlossen und damit die einzige Zeitung die vollständig in Euskera, der baskischen Sprache erscheint. 50.000 Menschen die täglich die Auflage von 16.000 Exemplaren lesen, wird ihr Medium geraubt. Durchsucht und geschlossen werden fast alle Büros der Zeitung. Fast zeitgleich wird auch die Kulturzeitschrift „Jakin“ (Wissen) sowie die Räume der Wochenzeitung „Argia“. Gestürmt wird auch ein Büro der AEK, eine Institution zur Förderung der baskischen Sprache. Insgesamt werden 10 Menschen verhaftet die für Egunkaria arbeiten oder bei deren Gründung vor 13 Jahren maßgeblich beteiligt waren. Verschont bleibt nur die Redaktion des Egunkaria in Iparralde, dem französischen Teil des Baskenlandes. Bis hier hin reicht der faschistoide Arm aus Madrid nicht, wenn es um Verbote von Zeitungen und Organisationen geht.

Vor dem Zentrum Martin Ugalde in der Kleinstadt Andoain, im dem sich neben der Redaktion der Zeitung auch ein Projekt für die Förderung zur Zusammenarbeit freier Radios befindet, versammeln sich die Mitarbeiter der Zeitung und zahlreiche Menschen, die gegen die Razzia protestieren.

O-Ton

Sie schreien ihre Wut heraus: Vorwärts Egunkaria und rufen Martxelo Otamendo Mut zu als der Direktor der Zeitung von maskierten und schwer bewaffneten Typen in einen der gepanzerten Jeeps gedrückt wird, mit denen die Guardia Civil das Baskenland unsicher macht. Mut und Kraft können die 10 Journalisten jetzt gebrauchen, denn was ihnen in den Tagen der Kontaktsperre droht, davon können viele andere ein Lied singen aus denen Geständnisse herausgefoltert wurden.

Ich begebe mich derweil zur Tageszeitung Gara, was in der Langfassung Euskal Herriko Egunkaria Gara, Wir sind die Zeitung des Baskenlandes heißt. Zu diesem Zeitpunkt weiß niemand, ob auch der Gara Ziel des Angriffs wird. Schließlich wurde erst vor fünf deren Vorgänger „Egin“ geschlossen. Ich treffe mich mit der Direktorin des Gara, Mertxe Aizpurua, die uns erklärt, was gerade abläuft.

Die Polizeiaktion gegen den Egunkaria hat gegen ein Uhr, zwei Uhr in der Früh begonnen. Sie wurden von einem Richter am Nationalen Gerichtshof in Madrid angeordnet. Die Verhaftung des Direktors von Euskaldunon Egunkaria, Martxelo Otamendi, und einiger Direktionsmitglieder wurde verfügt, zudem sind Journalisten verhaftet worden, die mit der Gründung der Zeitung vor 13 Jahren zu tun hatten. Alle Büros der Zeitung wurden geschlossen.

Doch was wir den Journalisten bei der vierten Schließung von Zeitungen, eines Radios und einer Zeitschrift diesmal vorgeworfen?

Wie immer in diesen Fällen gibt es einen Ermittlungsrichter der einen Beschluss diktiert, der irgendwem die Mitgliedschaft oder die Unterstützung der bewaffneten Organisation ETA vorwirft. Es gibt keiner Beweise. Auf Basis einer Überzeugung des Richters werden so drastische Maßnahmen, wie die Schließung einer Zeitung und die Verhaftung ihrer Leitung, umgesetzt. Wir warten ab, wie sich das weiter entwickelt. Wir kennen das Beispiel der Zeitung und Radio „Egin“ (Machen) die vor fünf Jahren geschlossen und deren Leitung verhaftet wurde. Später wurden sie auf Kaution entlassen und warten noch auf den Prozess. Das Resultat ist: eine Menge angeklagter Personen unter eine geschlossene Zeitung.

Eigentlich braucht, würde es nach spanischem Recht gehen, für die Schließung eines Kommunikationsmediums den Nachweis, dass es integraler Bestandteil einer Terrororganisation ist. Bei keinem der vier Medien, die in den letzten Jahren geschlossen wurden, gelang auch nur der Nachweis, dass einzelne Journalisten die ETA unterstützt hätten, was für eine Schließung zudem nicht ausgereicht hätte.

Der Durchsuchungsbefehl im Fall von Egunkaria offenbart, dass es sich auch diesmal um einen reinen Willkürakt handeln dürfte. Es sollten „Hinweise gefunden werden“, die eine Verbindung zur ETA beweisen sollen. Der Richter Juan del Olmo der bis gestern nicht einmal offiziell die Schließung verfügt hatte bezieht sich auf Dokumente die vor 11 Jahren gefunden wurden. Die Tatsache, dass eine Presseerklärung zu der Polizeiaktion zwischen Innenministerium und dem Richter abgestimmt wurde, zeigt, dass eine Gewaltenteilung in Spanien nicht einmal mehr auf dem Papier existiert.

Auch existiert für Spaniens Politiker längst die Unschuldsvermutung nicht mehr, wie der mögliche Nachfolger von Ministerpräsident Aznar, der Hardliner Jaime Mayor Oreja klarmacht. Er macht auch deutlich, dass es sich auch um einen Angriff auf die baskische Regionalregierung handelt, die, wegen der Förderung der baskischen Sprache auch den Egunkaria unterstützt hat und sich gegen das Verbot der Zeitung einsetzt.

„Man kann natürlich kein Kommunikationsmedium politisch und finanziell unterstützen, wenn die Justiz sagt es gibt klare Verbindungen zu einer Terrororganisation. Da gibt es politische Verantwortlichkeiten.“

Der Justizminister, Angel Aceber, erblödete sich nicht, die Schließung der einzigen baskischsprachigen Zeitung auch noch als Verteidigung der Basken und der baskischen Sprache zu verkaufen.

„Das ist eine Aktion zur Verteidigung und zum Schutz der Rechte und der Freiheiten der Basken, ihrer Kultur ihres Denkens und ihrer Sprache“.

Es sei noch einmal betont, diese Äußerungen wurden gemacht, noch bevor überhaupt die Schließung der Zeitung gestern offiziell vom Richter verkündet wurde. Die Basken wollen diese Art Verteidigung ihrer Rechte nicht und fordern ihre Zeitung zurück.

(Demoparolen Egunkaria aurrera – Vorwärts Egunkaria)

Vorwärts Egunkaria fordern sie. Mit dem Ersatztblatt, Egunero – Täglicher den die nicht verhaftete Belegschaft schon am Tag nach der Schließung begonnen hat heraus zu geben, wollen sie sich nicht zufrieden geben. Weit über 100.000 Menschen, es war eine der größten oder die größte Demonstration in der jüngeren baskischen Geschichte, demonstrierten am Samstag in San Sebastian für die Zeitung die baskische Sprache und die Pressefreiheit unterstützt von allen baskischen Parteien und Gewerkschaften. Es ist ein Armutszeugnis für die spanische sozialistische Opposition, dass sie dem Anschlag auf die Pressefreiheit nicht begegnet ist, nur vereinzelt setzten sich baskische Sozialisten über die Parteilinie hinweg und demonstrierten für den Egunkaria.

Auch ihnen machte Xabier Mendiguren klar, worum es jetzt gehen muss.

Wir können nicht still bleiben, bis wir wissen, wann die nächste Atacke kommt. Sie werden die Arbeit von Jahren nicht zerstören, da haben wir keinen Zweifel, die Gesellschaft wird weiter an der Normalisierung der baskischen Sprache arbeiten, für unser Recht. Wir werden nicht erlauben, dass es uns geraubt wird. Zum Schluss. Der Wind soll unseren Applaus zu den Gefangenen tragen, die heute fern von uns eingesperrt sind. Iñaki Uria, Martxelo Otamendi, Juan Marí Torrelaldai, Luis Goia, Germin Lazkano, Inma Gomila, Xabier Alegria, Xabier Oleaga, Txema Auzmendi und Pello Zubiria.

.