Biodiversität in der Landwirtschaft

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Der Beitrag beschreibt die Bedeutung der Artenvielfalt in der Landwirtschaft.
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Upload vom 28.05.2010 / 11:47

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Umwelt
Entstehung

AutorInnen: Beate Becker (Greenpeace München)
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 27.05.2010
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Biodiversität und Landwirtschaft

Eine Landwirtschaft mit hoher Arten- und Sortenvielfalt sichert die Basis unserer Ernährung. Diese hat sich im Laufe der Zeit immer mehr verringert - laut Expertenaussagen, von ehemals 10 000 auf nur 150 Pflanzenarten !

Die industrielle Landwirtschaft favorisiert wenige, ertragreiche Hochleistungssorten und wirkt so der Agrodiversität entgegen, die ursprünglich in einer langen Tradition durch die Arbeit von Kleinbauern entstanden ist. Doch die Agrodiversität ist wichtig, sei sie auch klein: Sie kann z.B. das große Muster der Monokulturen durchbrechen und mit Biodiversitätsspots durchsetzen, etwa als wichtige Barriere bei der Ausbreitung von Schädlingen.

Langfristig sollten wir jedoch größtmögliche Agrodiversität anstreben, denn diese ist Vorraussetzung für die Welternährung der Zukunft. Bedingt durch den Klimawandel und die dadurch entstehenden Extremsituationen werden wir viel anpassungsfähigere Sorten benötigen als bisher. Je diverser die Pflanzen sind auf die wir zurückgreifen können, desto besser sind wir gewappnet für die Eventualitäten der Zukunft.

Völlig gegenläufig hierzu sind die Intentionen der Agrar-Gentechnik. Sie hat sich zwar das Mäntelchen „Grüne Gentechnik“ zugelegt, tatsächlich aber besteht ihr wesentliches Interesse in der Monopolisierung von Saatgut. Sie unterminiert systematisch das Recht der Bauern auf ihr eigenes Saatgut, ihre Anbautraditionen und damit alles was in diesem Bereich an Vielfalt möglich ist.

Neben der Agrodiversität trägt die Landwirtschaft, je nach Anbauweise, direkt zum Erhalt der sie umgebenden Pflanzen- und Tierarten, also der Artenvielfalt bei. Dem Landbau kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu: Durch intelligente naturnahe Anbaumethoden kann sie die Vielfalt an Pflanzen und Tieren erhalten und fördern. Der Verzicht auf Pestizide und Kunstdünger ist dabei essentiell. Schädlinge können auch durch ihre natürlichen Gegenspieler begrenzt werden: denn 90% der Schädlinge haben natürliche, ausreichend starke Feinde.
Als weiterer Unterstützer der Landwirtschaft sind Tausende von Insektenarten zu nennen, die durch Bestäubung der Landwirtschaft einen großen Dienst erweisen; allen voran die Bienen, die den größten Anteil an Bestäubern ausmachen: sie bestäuben 85% der landwirtschaftlichen Produkte. Bienen sind allerdings äußerst empfindlich für die Störung von Ökosystemen; das weltweite Bienensterben ist ein alarmierender Beweis dafür. Vor dem Hintergrund dass Bienen als drittwichtigstes Nutztier nach Rindern und Schweinen gesehen werden und auch wilde Arten einen unverzichtbaren Beitrag zum Erhalt ganzer Ökosysteme tragen, sollte mehr zu ihrem Schutz unternommen werden: mehr ökologischer Landbau und massive Reduktion beim Einsatz von Pestiziden wären dringend notwendig.

Schon jetzt müssen Bienen mit fragwürdigen Methoden behandelt werden um überhaupt noch ihren Dienst tun zu können und immer mehr Populationen fallen direkt dem Einsatz von Pestiziden zum Opfer.

Als Teil der Landwirtschaft erbringt auch eine nachhaltige Viehwirtschaft ihren Beitrag zur Biodiversität. Ein Beispiel: Magerwiesen. Wenn auf solchen Wiesen Vieh weidet finden dort 400 Pflanzenarten ihr zu Hause, darunter so seltene wie einige Orchideenarten. Tatsächlich benötigen einige dieser Arten gerade den Tritt von Tieren um gedeihen zu können und natürlich auch die Beweidung an sich. Infolge der Schließung vieler kleinbäuerlicher Höfe ist dadurch auch immer mehr die Vieh-Beweidung auf kleinen Flächen weggefallen. Die Folge ist ein Verbuschen und Verwalden der Magerwiesen und damit verbunden auch das Schwinden von Arten wie beispielsweise einiger Orchideenarten.
Man versucht dieser Tendenz entgegenzuwirken und hat damit begonnen die Vieh-Beweidung gezielt als Mittel zur Landschaftspflege und zum Erhalt von Arten einzusetzen. Aber sicherlich wäre es besser, die bäuerlichen Existenzen so zu fördern, dass es erst gar nicht so weit kommen muss.

Ein Beispiel für das Schwinden von Biodiversität in den Tropen ist der Kaffee.
Traditionell wurde Kaffee im Schatten großer Bäume angebaut, bei der ein Großteil des natürlichen Lebensraumes erhalten blieb und somit auch die natürliche Artenvielfalt. Bedingt durch den hohen Preisdruck auf dem Weltmarkt wurden traditionelle Anbauweisen aufgegeben und durch Rodung von Bäumen der Platz für Kaffeepflanzen erweitert; es entstanden Kaffee-Monokulturen mit fatalen Folgen für Boden und Artenvielfalt. So finden z.B. Zugvögel in den entsprechenden Regionen keinen Rastplatz mehr, was das Gleichgewicht von Schädlingen und Nützlingen immens stört und den Einsatz von Pestiziden fördert. Da die Anbauflächen für Kaffee weltweit einen beträchtlichen Raum in den tropischen Regionen einnehmen, spricht man in diesem Zusammenhang von einer „Entwaldung“ als direkte Folge des konventionellen Kaffee-Anbaus. Unter den 50 Ländern mit der höchsten Entwaldungsrate in den Jahren 1990 bis 1995 befinden sich 37 Produzentenländer von Kaffee. Die 25 wichtigsten Kaffee-Exporteure verloren im selben Zeitraum jährlich 70.000 km² an Waldfläche. Die Folge ist ein deutlicher Rückgang der Artenvielfalt, im Fall von Vögeln um bis zu 90 %.“

Vielerorts sind inzwischen Kleinbauernkooperativen entstanden, die Kaffee wieder auf traditionelle Art und Weise anbauen. Mehr noch, es gibt Projekte wie in Mexiko, wo durch den gezielten Anbau von Mischkulturen noch bessere Lösungen insbesondere für kleine Anbauflächen gefunden wurden: Dabei werden auf kleinstem Raum einen Vielzahl von Nutzpflanzen angebaut, die sich gegenseitig unterstützen: Kaffee, Bananen, Maniok, Mangos, Kräuter, Blumen etc. Dadurch wird der Boden vor Erosion geschützt und es werden giftfreie Nahrungsmittel sowie ein hocharomatischer Kaffee erzeugt. Die Bauern werden durch die Vielzahl der angebauten Produkte unabhängiger und können zusätzlich die lokalen Märkte beliefern.

Ähnlich der Problematik beim konventionellen Kaffeeanbau zeigt sich die des Monokulturen-Anbaus von Palmöl - nur sehr viel schlimmer. Vor allem in Malaysia und Indonesien, den Hauptanbauländern von Palmöl, wird artenreicher Urwald in einem immensen Tempo gerodet. Selbst so genannte „geschützte Gebiete“ werden eingeschlagen. Da dies in einem rasanten Tempo und riesigem Ausmaß geschieht, ist der Lebensraum vieler Arten akut bedroht. Greenpeace hat hier für seine Palmöl-Kampagne gegen Nestle den Orang Utan als Symbol der vom Aussterben bedrohten Tiere ausgewählt.
Leider ist nachhaltiger Anbau bei Palmöl sehr schwierig bis unmöglich und die Nachfrage ist, anders als beim Kaffee, schnell und stark angestiegen. Verbraucher sollten sich informieren und nach Alternativen zu Palmölprodukten suchen.

Abschließend sei der Welt-Agrarbericht IAASTD erwähnt: Für diese Studie haben über 400 unabhängige Wissenschaftler aus aller Welt vier Jahre lang im Auftrag der UN und der Weltbank intensiv in allen Bereichen der Landwirtschaft geforscht. Die Wissenschaftler kamen dabei zu einem einhelligen Ergebnis: der weltweite Versuch der letzten 50 Jahre, mit einer industriellen Landwirtschaft die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern, ist gescheitert. Die Zukunft der Landwirtschaft wird in einer wissensbasierten, kleinbäuerlichen und naturnahen Landwirtschaft mit hoher Diversität gesehen. Dies wiederum gewährleistet auch eine hohe Biodiversität, die die Menschheit für ihr Überleben dringend benötigt.

Wie steht es nun mit der Einflussnahme von uns, als Konsumenent?
Wenn man bedenkt dass viele Hot-Spots der Biodiversität gerade dort liegen, wo unser aller Lieblings-Konsum-Produkte angebaut werden, wie z.B. Kaffee oder Kakao, ergibt sich daraus die Möglichkeit dass wir als Verbraucher direkten Einfluss über den Einkaufskorb nehmen. Aber auch für alle anderen landwirtschaftlichen Produkte gilt: mit der Wahl von regionalen, saisonalen und vor allem Bio-Lebensmitteln fördern wir Biodiversität auf allen Ebenen und tragen mit fair gehandelten Produkten zusätzlich zur Ernährungssouveränität der Erzeuger bei.


Kommentare
26.06.2010 / 15:35 AL, coloRadio, Dresden
wird morgen
gesendet. Danke!