Update Schließung der Baskischen Tageszeitung

ID 3463
 
Ich habe die beiden Beiträge die schon gelaufen sind im ersten Teil des Beitrags zusammengefasst und am Ende um die neueren Entwicklungen aktualisiert. Der Beitrag ist lockerer gebaut mit kontextueller Musik und geht vor allem auf den Angriff der baskischen Sprache im Besonderen ein.WEgen der Musik habe ich mit 80 k gesampelt.
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06:57 min, 4077 kB, mp3
mp3, 80 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 09.03.2003 / 00:00

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Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Ralf Streck
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 09.03.2003
keine Linzenz
Skript
Schließung der „Baskischen Tageszeitung“

Anmod:

Vor fast drei Wochen wurde im spanischen Teil des Baskenlandes die „Baskische Tageszeitung“ - Euskaldunon Egunkaria – geschlossen. Es war die einzige Zeitung die seit 13 Jahren vollständig in baskischer Sprache, Euskera, erschienen ist. Neben den Büros der Zeitung wurden auf Anordnung aus Madrid auch Redaktionen anderer Medien gestürmt, durchsucht. Insgesamt wurden zehn Journalisten verhaftet. Sie alle hatten den Egunkaria aufgebaut oder übten heute dort eine leitende Funktion aus.
Seither wird geheim nach dem Anti-Terror-Gesetz ermittelt. Bisher ist unbekannt, was den Journalisten konkret vorgeworfen wird. Beweise hat der Ermittlungsrichter, Juan del Olmo, bisher für seine drastische Entscheidung nicht vorgelegt. Darüber, ob die „vorläufige Schließung“, die bis zu fünf Jahre möglich, um ein halbes Jahr verlängert wird hat Olmo noch nicht entschieden. Bisher wurden nicht einmal alle Verhafteten vernommen. Pauschal lautet sein Vorwurf: Die Zeitung sei ein Teil der baskischen Separatistenorganisation ETA, die seit Jahrzehnten für ein unabhängiges Baskenland kämpft. Dass die Vorwürfe auf tönernen Füßen stehen, zeigt schon die Tatsache, dass vier Journalisten schon nach fünf Tagen auf Kaution entlassen wurden.
Im Baskenland hat die vierte Schließung eines Kommunikationsmediums in nur fünf Jahren für viel Widerstand gesorgt. Alle baskischen Gewerkschaften haben für Donnerstag, zu einem einstündigen Generalstreik aufgerufen. Dazu hat beigetragen, dass erstmals baskische Journalisten erklärt haben, sie seien gefoltert worden. Ohnehin glaubt fast niemand im Baskenland an eine Verbindung der Zeitung zur ETA. Zu oft wurden so harte Maßnahmen begründet, ohne dass sie später bewiesen wurden. Viele glauben, es handele sich um einen Angriff aus Madrid auf die baskische Kultur und die älteste Sprache Europas. Ralf Streck hat die dramatischen Ereignisse der letzten zwei Wochen miterlebt.

Beitrag:

Es ist der 20. Februar. In der Nacht hat die Guardia Civil auf Anordnung aus Madrid zahlreiche Redaktionen und Wohnungen im Baskenland gestürmt und die Zeitung „Euskaldunon Egunkaria“ geschlossen. Den 50.000 Lesern wird die einzige Tageszeitung in baskischer Sprache geraubt. Vor der Redaktion in der Kleinstadt Andoain, versammeln sich spontan Hunderte Leser, um gegen die Schließung zu protestieren.

O-Ton „Vorwärts Egunkaria-Aupa Martxelo“

Sie rufen: „Vorwärts Egunkaria“, dem Direktor der Zeitung, Martxelo Otamendi, sprechen sie Mut zu, als er von Maskierten in einen der gepanzerten Jeeps der Guardia Civil gedrückt wird.

Da auch die Kulturzeitschrift „Jakin“ und die Zeitschrift „Argia“ durchsucht werden, ist es möglich, dass die Guardia Civil auch bei der Tageszeitung Gara im nahegelegenen Seebad San Sebastian anrückt. Erst vor fünf Jahren war deren Vorgänger „Egin“ mit der gleichen Begründung unrechtmäßig geschlossen worden. Die Direktorin des Gara, Mertxe Aizpurua, erklärt, was gerade passiert.

„Die Polizeiaktion hat gegen ein, zwei Uhr begonnen. Sie wurde von einem Richter am Nationalen Gerichtshof in Madrid bestimmt, der die Verhaftung des Direktors von Egunkaria und einiger Direktionsmitglieder angeordnet hat. Dazu sind einige Journalisten verhaftet worden, die mit der Gründung der Zeitung vor 13 Jahren zu tun hatten und alle Büros der Zeitung wurden geschlossen.“ (Mertxe 1)

Was wird den Journalisten beim vierten Verbot in nur fünf Jahren diesmal vorgeworfen?

„Es sind die typischen Vorwürfe in diesen Fällen. Ein Ermittlungsrichter am Nationalen Gerichtshof diktiert einen Beschluss und wirft den Journalisten Mitgliedschaft oder Unterstützung der ETA vor. Beweise werden keine vorgelegt. Auf der Basis einer Überzeugung des Richters, und vielleicht Indizien, werden so drastische Maßnahmen, wie die Schließung einer Zeitung und die Verhaftung ihrer Leitung, umgesetzt. (Mertxe 2)

Aizpurua nennte das Beispiel des Egin. Auch der Vorgänger des Gara wurde als angeblicher Teil der ETA geschlossen. Nach einigen Monaten wurden die Journalisten auf Kaution entlassen und warten seit fünf Jahren auf einen Prozess. Die Zeitung könnte wieder erscheinen, wurde durch die „vorläufige Schließung“ über Monate aber ruiniert. Bei keinem der geschlossenen Medien ist bisher der Nachweis erbracht worden, dass sie Teil einer Terrororganisation sind. Selbst die Unterstützung der ETA durch einzelne Journalisten konnte nicht bewiesen werden.

Der spanische Innenminister, Angel Acebes, tut trotzdem weiter so, als wäre der Beweis stets geglückt. Noch während der Durchsuchungen tritt er vor die Presse und erklärt:

„Das ist eine Aktion zur Verteidigung und zum Schutz der Rechte der Basken, ihrer Kultur ihres Denkens und ihrer Sprache in Freiheit und nicht unter der terroristischen Bedrohung. Mit Hilfe der Medien, die mit den Terroristen kollaborieren, werden fundamentale Rechte, wie das Recht auf Leben, geraubt.“ (Acebes 1)

Erst Tage später sollte der Richter die Schließung offiziell bekannt geben. Die Unschuldsvermutung existiert in Spanien offenbar nicht mehr.

O-Ton Musik

„Auf der Straße fordert es die Bevölkerung. Sie erweitert mit Freude die Stimme des Baskenlandes und sagen ja zur baskischen Sprache“. (Labrit / Nori eginso! Euskarari bai, Vertontes Gedicht von )

Was Labrit hier besingt, wurde sofort umgesetzt. Schon einen Tag nach der Schließung ist eine neue Zeitung in baskischer Sprache am Kiosk und weit über 100.000 Menschen demonstrieren für die Pressefreiheit und fordern die Freiheit der gefangenen Journalisten. Xabier Mendiguren, Generalsekretär einer Organisation zur Förderung der baskischen Sprache, fordert die Bevölkerung auf, ihre Sprache zu verteidigen.

„Wir können nicht still bleiben, bis wir wissen, wann die nächste Attacke kommt. Sie werden die Arbeit von Jahren nicht zerstören. Da haben wir keinen Zweifel, die Gesellschaft wird weiter an der Normalisierung der baskischen Sprache arbeiten. Der Wind soll unseren Applaus zu den Gefangenen tragen, die heute fern von uns eingesperrt sind. Iñaki Uria, Martxelo Otamendi (ausblenden bei den restlichen Namen) (O-Ton Demo 1)

Dabei kam der Schock erst noch. Als vier der zehn Journalisten nach fünf Tagen Kontaktsperre auf Kaution freigelassen werden, zeigen erstmals auch baskische Journalisten Folter an, darunter Schläge, Erstickungsmethoden, Scheinhinrichtungen, etc. Mit bebender Stimme fragt sich Martxelo Otamendi, noch vor den Toren des Gefängnisses:

„Wenn sie das einem Zeitungsdirektor antun, was machen sie dann mit einem 20jährigen Jugendlichen?“ (Otamendi 1)

Für den Innenminister sind diese Vorwürfe quasi der Beweis, dass die Journalisten Mitglieder der ETA sind.

„Die Verhafteten haben dass gemacht, was alle Terroristen machen: Die Vorgaben der ETA umgesetzt und Folter von Seiten der Sicherheitskräfte angezeigt.“ (Acebes 2)

Da die Aussagen keinen Wert hätten, müsse man ihnen nicht nachgehen, obwohl jährlich die Uno, amnesty international Folter in Spanien beklagen. Acebes ermittelt derweil in eine andere Richtung.

„Ich haben angewiesen, gegen alle zu ermitteln, die diesen Vorwurf erheben. Ich sage es noch einmal: Die Vorwürfe sind nicht nur falsch, sondern stellen ein Delikt dar. Wenn es eine minimale Chance gibt, werden wir gegen alle die vorgehen die solche falschen Vorwürfe erheben.“ (Acebes 3)

Es beginnt zudem die Jagd auf alles, was irgendwie baskische ist. Seit Monaten zirkuliert eine schwarze Liste der Guardia Civil mit baskischen Firmen, über die vor Monaten die katalanische Zeitung „Vanguardia“ bereichtet hatte. Die Firmen darauf seien in die Geldwäsche der ETA verstrickt. Bis zur Schließung des Egunkaria wurde die wenig beachtet, wird nun aber ernst genommen.

„Ich kann die Tür nicht öffnen,
gibt es ein noch engeres Grab?
Nur wenn ich das Blinzeln des Beamten hinter dem Guckloch bemerke,
merke ich dass ich lebe“
(Musik von Dantzut- Hau da ene ondasun guzia ein vertontes Gedicht von Joseba Sarrionandia)

Auf dieser Liste befindet sich auch eine Kulturstiftung in der Verlage eine Bücherläden und sogar das Plattenlabel „Oihuka“ genannt werden. Oihuka ist die Wiege des baskischen Punk und Rock. Hier veröffentlichten Gruppen wie Kortatu, La Polla und Hertzainak ihre ersten Platten, die auch ihre Spuren in Deutschland hinterlassen haben. Wir sprachen mit dem Oihuka Koordinator, Ritxi Aizpuru über die Bedeutung des Angriffs. Schon seine Wortwahl, dass er die ETA als Terroristen bezeichnet, zeigt, wie absurd der Vorwurf ist, Oihuka könnte für die ETA Geld gewaschen haben.

„Es ist ein Angriff auf die baskische Sprache und Kultur, auf alles was nach Basken riecht. Sie stützen sich auf einen Tick, das kann der Terrorismus sein den ETA ausüben könnte. Wir holen mit noch mehr Polizisten die Terroristen raus, aber es ist nur Repression, Repression, Repression um die Macht zu erweitern.“

© Ralf Streck, San Sebastian den 09.03.2003