Focus Europa (#113) Dienstag, 14. September 2010

ID 36009
 
Themen:

-Hintergründe einer "demokratischen" Verfassungsänderung: Erdogan entmachtet das Militär und hilft sich selbst

-Renten Proteste in Frankreich: welche Rolle spielten die Gewerkschaften


-Nachrichten

-Nahost-Gespräche drohen, am Siedlungsbau zu scheitern

-Türkei für Journalistenmord mitverantwortlich

-Frankreich droht Strafverfahren wegen Roma-Abschiebungen

-Neue Amnesty-Studie zum Irak

-Frankreich verbietet Vollschleier

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28:44 min, 26 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 14.09.2010 / 19:31

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Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Politik/Info
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: Martin, Hanne
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 14.09.2010
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
-Themen:

Rentenreform in Frankreich
Frankreich ist auf der Straße. Am 7. September demonstrierten bis zu 3 Millionen Beschäftigte gegen die von Sarkozy autoritär forcierte Erhöhung des Renteneintrittsalters. Bernhard Schmidt, Journalist aus Paris, über die Hintergründe der Demonstrationen und über die Beteiligung der Gewerkschaften.


Verfassungsreform in der Türkei:
Das Referendum zu der größten Verfassungsreform seit der Militärdiktatur wurde angenommen. Dem Militär wurden Machtbefugnisse entzogen. Der Gewinner, sagt Ministerpräsident Erdogan, sei die Demokratie. Schön wäre das schon. Ein weiterer Gewinner scheint auf jeden Fall Erdogan zu sein. Über die Hintergründe der Verfassungsreform sprachen wir mit Jan Keetman aus Istanbul.


-Nachrichten:

Nahost-Gespräche drohen, am Siedlungsbau zu scheitern:

Vor Beginn der Gespräche zwischen Palästinenserpräsident Abbas und Israels Ministerpräsident Netanjahu rief US-Außenministerin Clinton Israel zur Verlängerung des Siedlungs-Baustopps im Westjordanland auf. Abbas hatte gedroht, die Verhandlungen zu verlassen, sollte der Baustopp aufgehoben werden. Dazu sagte Clinton: "Für mich ist es ganz einfach: Keine Verhandlungen, keine Sicherheit, kein Staat". Abbas hatte gedroht, die Verhandlungen zu verlassen, sollte der Baustopp aufgehoben werden.
Aufrufen von Clinton und US-Präsident Obama zum Trotz, gibt sich Netanjahu unbeeindruckt: Erst am Sonntag hatte er verkündet, große Bauvorhaben in den Siedlungen wieder zulassen zu wollen. Nur in kleineren Siedlungen solle der Baustopp, der ohnehin von Ausnahmegenehmigungen aufgeweicht war, aufrecht erhalten bleiben. Dies wiederum rief den Siedlerrat auf den Plan: Sollte Netanjahu in Scharm el Scheich nicht auf Baugenehmigungen für das gesamte Westjordanland dringen, dann wäre dies ein "Dammbruch", sagte deren Vorsitzender Naftali Bennett.
Obama hatte in der vergangenen Woche eingeräumt, dass ein Scheitern der gerade erst begonnenen Gespräche nicht ausgeschlossen sei. Das einzige Ergebnis des ersten Treffens in Washington Anfang September war der Beschluss, die Verhandlungen im Zwei-Wochen-Takt zu führen.

Türkei für Journalistenmord mitverantwortlich:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Türkei für den Mord am türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink mitverantwortlich gemacht. Das Straßburger gericht urteilte, der türkische Staat habe das Leben des Journalisten nicht ausreichend geschützt. Die Türkei wurde zur Zahlung von 105000 Euro Schmerzensgeld an die Hinterbliebenen verurteilt.
Dink war im Januar 2007 auf offener Straße von einem Rechtsextremisten erschossen worden. Ein Jahr zuvor hatte ihn die türkische Justiz wegen "Beleidigung des Türkentums" verurteilt. Die Richter befanden nun, die türkischen Behörden hätten zumindest wissen müssen, dass Dink besonders gefährdet war. Es sei absehbar gewesen, dass ihm ein unmittelbar bevorstehender Angriff auf sein Leben drohe. Die Behörden hätten ihn darauf nicht ausreichend geschützt.

Frankreich droht Strafverfahren wegen Roma-Abschiebungen:

Nach den Gruppenabschiebungen von Roma droht die EU-Kommission Frankreich mit einem Vertragsverletzungsverfahren . Die EU-Kommissarin für Grundrechte und Justiz, Viviane Reding, sagte am Dienstag in Brüssel, die Kommission habe aus ihrer Sicht keine andere Wahl mehr. Die bezeichnete das französische Verhalten als Schande. Die EU wirft Frankreich wegen der gezielten Massenabschiebungen von Roma eine Verletzung der europäischen Grundwerte und Gesetze vor. Reding erklärte, sie sei nicht nur entsetzt darüber, dass Menschen nur aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit ausgewiesen würden. Sie sei auch schockiert darüber, von der französischen Regierung belogen worden zu sein, erklärte die Kommissarin. Einwanderungsminister Eric Besson und Europaminister Pierre Lellouche hatten in einem Treffen mit Reding am 2. September in Brüssel ein gezieltes Vorgehen ihrer Regierung gegen die Minderheit der Roma abgestritten.

Neue Amnesty-Studie zum Irak :

Die Wärter wechseln, die Folter bleibt – so lässt sich das Ergebnis des am Montag veröffentlichten Berichts von Amnesty International zusammenfassen. Er trägt die Überschrift "New Order, Same Abuses: Unlawful detentions and torture in Iraq" und aus ihm geht die Schätzung hervor, dass in irakischen Gefängnissen insgesamt etwa 30.000 Menschen ohne Anklage, ohne Zugang zu einem Anwalt, ohne Kontakt zur Familie und immer in Gefahr, gefoltert zu werden, einsitzen.
Für zehntausende Häftlinge im Irak gehören Folter und Misshandlung zum Gefängnisalltag. "In irakischen Gefängnissen herrschen Willkür und Brutalität", sagt Carsten Jürgensen, Irak-Experte in der Londoner Zentrale von Amnesty International. Weiter wörtlich Jürgensen "Das droht auch den etwa 10.000 Häftlingen, die die US-Einheiten jetzt an die Iraker übergeben haben."
Der neue Amnesty-Bericht belegt, dass Folter im Irak oft mit willkürlicher Festnahme aufgrund von Falschinformationen und jahrelanger Haft in geheimen Gefängnissen einhergeht. Nicht selten setzen die Sicherheitskräfte auf Schläge und Misshandlungen, um "Geständnisse" zu erzwingen, die später vor Gericht als Beweise zugelassen werden. Hunderte Gefangene wurden bereits aufgrund erfolterter Geständnisse zum Tode verurteilt und auch hingerichtet.
Amnesty International fordert effektive Maßnahmen zum Schutz der Gefangenen im Irak.

Frankreich verbietet Vollschleier:

In Frankreich wird nach langer Diskussion das Burka-Verbot eingeführt. Nach langen Vorlaufdebatten erklärt nun der französische Staat der Burka und anderen Vollschleiern wie den Nikab aus dem islamischen Raum offiziell den Kampf. Trotz der Warnungen vor Racheakten islamischer Extremisten wollen Präsident Nicolas Sarkozy und die Regierung bereits im Frühjahr 2011 ein Gesetz in Kraft treten lassen, das Gesichtsschleier in der Öffentlichkeit verbietet. Am heutigen Dienstagabend sollte das Projekt mit der Abstimmung im Senat die letzte Hürde nehmen. Ab dem Frühjahr soll die Verschleierung in der Öffentlichkeit generell verboten sein. Auch andere europäische Länder wollen Burka und Nikab ganz oder zumindest teilweise aus dem öffentlichen Leben verbannen.

Kommentare
16.09.2010 / 09:55 theo,
gesendet 15.9.2010 / 19.15 im Magazin
danke