Zum Volkstrauertag am kommenden Sonntag - Ein Kommentar

ID 37249
 
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Bundespräsident Köhler gedachte vergangenes Jahr "auch besonders unserer Männer und Frauen in Afghanistan". Das lässt frösteln und weckt Befürchtungen: Außenminister Guido Westerwelle wird Sonntag bei einer Gedenkstunde eine Rede halten. Zuvor wird er im Beisein von Bundespräsident Wulff einen Kranz an der nationalen Gedenkstätte Neue Wache niederlegen. Ein Kommentar.
Audio
02:59 min, 1746 kB, mp3
mp3, 80 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 11.11.2010 / 12:56

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich:
Serie: zip-fm - Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen: ak/rdl
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 11.11.2010
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Sonntag ist wieder dieser „Volkstrauertag“. Klingt grässlich, oder? Aber ist „Volkstrauertag“ wirklich so grässlich wie es klingt? Ich gehöre ja nicht zu denen, die bei allem, wo „Volk“ draufsteht immer gleich das deutsche „völkisch“ mithören. Aber was ist das nun, worüber das deutsche Volk am kommenden Sonntag am staatlichen Feiertag trauern soll?
Offiziell heißt es, dass an die „Kriegstoten und Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen“ erinnert werden soll. Der Satz würde doch auch beim Ostermarsch durchgehen. An „Gewaltherrschaft“ zu erinnern ist doch sicherlich nie falsch. Und wenn wir schon bei „offiziell“ sind schauen wir doch mal nach, was der letzjährige Bundespräsident Köhler beizusteuern hatte. Er zitierte ein Gedicht des, na, sagen wir mal „liberalen DDR-Schriftstellers“ Günter Kunert: „Als der Mensch unter den Trümmern seines bombardierten Hauses hervorgezogen wurde schüttelte er sich und sagte: Nie wieder. Jedenfalls nicht gleich.“ Das scheint Ex-Präsident Köhler gut verstanden zu haben, das „Jedenfalls nicht gleich.“ Das „Nie wieder“ hielt bekanntlich bis 1990, es folgte das „Nicht gleich“ - und 1999 mit dem Jugoslawienkrieg das „Jetzt wieder“. Und heute stehen deutsche Soldaten am Hindukusch.

Und was hat das mit dem „Volkstrauertag“ vom kommenden Sonntag zu tun?

1926 fanden am „Volkstrauertag“ erstmals Gedenkfeiern statt für die „deutschen Gefallenen des ersten Weltkrieges“. Die Nazis machten dann aus dem „Volkstrauertag“ den „Heldengedenktag“ und rückten die Soldaten-Verehrung weiter in den Vordergrund. Und in der BRD nun wieder Schluss mit Soldaten-Verehrung? Keine Frage, so weit geht heute gewiss niemand. Was dann aber Bundes-Köhler letztes Jahr zum besten gab lässt einen schon frösteln: Er denkt am „Volkstrauertag“ (wörtlich) „auch besonders an unsere Frauen und Männer in Afghanistan. Sie stehen in einem schwierigen und gefährlichen Einsatz. Sie brauchen Rückhalt hier bei uns in der Heimat.“ Klingt das nicht wirklich grässlich? Steht schon wieder das bedauernswerte „Leid“ „unserer“ Soldaten an der Front „über allem“? Ist es wirklich der Job des Bundespräsidenten, Volksaufklärung an der Medialen Heimatfront zu betreiben?

Nein, dann doch lieber Ostermarsch-Parolen, dann doch lieber Günter Kunerts „Nie wieder.“ Mir wird jetzt schon übel bei der Vorstellung, dass kommenden Sonntag beim Absingen der Nationalhymne und Ablegen von Kränzen wieder nur deutscher und anderer NATO-Soldaten gedacht wird. Wenn schon Gedenken oder dergleichen, dann lieber vor der eigenen Türe kehren, lieber Gedenken an Millionen Tote diverser Kriege im Kugelhagel deutscher Soldaten. Im letzten Jahrhundert. Oder heute in Afghanistan. Alles andere klingt nicht nur grässlich.


Günther Kunert, Über einige Davongekommene, 1950:

http://books.google.com/books?id=6k_h7GE...