solidelegation zur prozessbeobachtung nach kurdistan

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es sitzen zur zeit beihahe 1700 kurdische politikerInnen in türkischen gefängnissen in haft. zuletzt wurden 151 verhaftet, gegen die verhandlung im oktober beginnen sollte.
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14:02 min, 13 MB, mp3
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Upload vom 24.11.2010 / 10:21

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Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Entstehung

AutorInnen: rabotz
Radio: RadioBlau, Leipzig im www
Produktionsdatum: 24.11.2010
CC BY-NC-SA
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Skript
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Kurden angeklagt

Die türkische Justiz verfolgt 151 Politiker. Prozeßauftakt am Montag

Von Nick Brauns

In Diyarbakir, der kurdischen Metropole in der Türkei, werden ab Montag 151 kurdische Politiker, Rechtsanwälte, Journalisten, Gewerkschafter, Frauen- und Menschenrechtsaktivisten auf der Anklagebank des 6. Strafgerichts Platz nehmen müssen. Ihnen drohen mindestens 15 Jahre Haft wegen Unterstützung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation. Gemeint ist damit die »Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans« (KCK), ein auf Initiative des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan gebildeter Dachverband, den die Staatsanwaltschaft als städtischen Arm der Arbeiterpartei Kurdistans bezeichnet.

Die 7500 Seiten starke Anklageschrift beruht auf einer zweijährigen Telefonüberwachung sowie geheimen Mitschnitten von Sitzungen der Kommunalverwaltungen in den kurdischen Gebieten der Türkei. Dazu kommen Aussagen »vertraulicher Zeugen«, deren Identität die Staatsanwaltschaft geheim hält. Keinem der als Rädelsführer Angeklagten wird ein Anschlag zur Last gelegt. In der Anklageschrift heißt es vielmehr, die PKK strebe in der Türkei eine »demokratische Republik« mit »freien Kommunen« an. Wer dieses Ziel teilt, gilt damit bereits als PKK-Unterstützer. Aufgezählt werden legale Aktivitäten wie die Teilnahme an Demonstrationen, Pressekonferenzen und Versammlungen. »Diese Anklage bringt eine ganze Gesellschaft auf die Anklagebank«, kommentiert deshalb die Partei für Frieden und Demokratie (BDP).

Die Massenverhaftungen begannen kurz nach dem Wahlerfolg der mittlerweile verbotenen Partei für eine Demokratische Gesellschaft (DTP), die nach den Kommunalwahlen im März letzten Jahres 99 Bürgermeister stellte. Seit dem 14. April 2009 wurden weit über 1500 Mitglieder der DTP und ihrer Nachfolgerin BDP inhaftiert. Bei einer Polizeiaktion am 24. Dezember wurden in den Großstädten Siirt, Batman und Cizre sowie anderen Orten zehn Bürgermeister festgenommen. Die in Handschellen abgeführten Politiker befinden sich seitdem in Haft. Weitere BDP-Funktionäre wurden in den letzten Wochen in Urfa und Istanbul verhaftet.

Prominentester Angeklagter ist der mit 66 Prozent der Stimmen wiedergewählte Oberbürgermeister der Millionenstadt Diyarbakir, Osman Baydemir. Der Politiker befindet sich zwar in Freiheit, doch gegen ihn wurde ein Ausreiseverbot verhängt. Weitere bekannte Angeklagte sind der ehemalige Parlamentsabgeordnete Hatip Dicle und der Vorsitzende des Menschenrechtsvereins in Diyarbakir, Muharrem Erbey.

Die KCK selbst hat jede Verbindung mit den inhaftierten kurdischen Politikern zurückgewiesen. »Wir sind die KCK, und wir sind hier«, sagte der Exekutivratsvorsitzende der KCK, Murat Karayilan, in einer Rundfunkansprache aus einem Guerillacamp im nordirakischen Kandil-Gebirge.

Zum Prozeßauftakt wird eine internationale Beobachterdelegation in Diyarbakir anwesend sein, der auch mehrere Abgeordnete der deutschen Linkspartei angehören.