Nachrichten aus Europa vom 20. Dezember 2010

ID 38053
 
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# Erneuter Streik in Athen
# Regierung Sarkozy erklärt den Armen den Krieg
# EU beschließt neue Klimaauflagen
# Proteste und Repression in Weißrussland
# Gewaltsame Auseinandersetzungen in der Elfenbeinküste und Einreiseverbot für Gbagbo
# Protest gegen Nestlé in der Schweiz
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Upload vom 20.12.2010 / 19:28

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Focus Europa Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen: Rosa
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 20.12.2010
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
# Erneuter Streik in Athen
Heute traten erneut Beschäftigte der Athener Bahn-Betriebe in den Ausstand. Das meldet die Deutsche Presseagentur. Seit 06.00 Uhr Ortszeit fuhren in der griechischen Hauptstadt keine U-Bahnen oder Stadtbahnen sowie keine Straßenbahnen. Der Streik sollte 24 Stunden dauern. Seit acht Tagen streiken die FahrerInnen des Athener Nahverkehrs fast täglich gegen die Kürzung ihrer Gehälter. Die Löhne der Angestellten bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen sollen zwischen 10 und 25 Prozent gekürzt werden.

Regierung Sarkozy erklärt den Armen den Krieg
In diesen Tagen berät der Senat in Frankreich über die Inkraftsetzung des Artikels 32 des so genannten Gesetzes Loppsi 2. Dieser Artikel würde Wohnformen außerhalb regulärer Miets- oder Eigentumswohnungen mit einem Schlag illegalisieren. Er sieht vor, das beispielsweise Bauwägen oder Squats ohne richterlichen Beschluss innerhalb von 48 Stunden geräumt werden können. Offiziell ist es an Roma und Reisenden adressiert, weil sie ohne Gerichtsbeschluss innerhalb einer Frist von 48 Stunden geräumt werden können. Ihre Häuser und Privatgegenstände können zerstört oder beschlagnahmt werden. Die Zerstörung per Bulldozer ist in dem Artikel sogar wörtlich vorgesehen. Bisher brauchte die Räumung von Notunterkünften oder Squats einen richterlichen Beschluss. So konnten betroffene Personen sicher sein, wenigstens nicht im Winter auf der Straße zu landen. Der gesetzliche Schutz vor Räumungen im Winter wurde bereits aufgehoben. Als Gründe für eine eventuelle Räumung werden der Schutz der Hygiene, Sicherheit und öffentlichen Ruhe genannt.
Hinzukommt eine angesetzte Strafe von 3759 Euro für Gemeinden, falls die entsprechende Wohnformen nicht bei den Behörden melden. Dies erinnert stark an den delit solidarité, der es unters Strafe stellt, illegalisierte MigrantInnen zu unterstützen.
Das Gesetz wurde bereits im Mai 2009 im Parlament eingebracht. In der Öffentlichkeit bekannt wurde es vor wenigen Wochen. In verschiedenen französischen Städten fanden bereits Demonstrationen gegen Loppsi statt.

# EU beschließt neue Klimaauflagen
Die EU-Umweltminister sich darauf festgelegt, dass Kleinlaster ihren CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um gut ein Viertel mindern müssen. Damit wichen sie von Plänen ab, die eigentlich schärfere Vorschriften und drastischere Verringerungen vorsahen.
Die Hersteller von Kleinlastern, Transportern und Minibussen werden verpflichtet, ab 2014 Grenzwerte für den Ausstoß an klimafeindlichem Kohlendioxyd einzuhalten. Die Grenzwerte sollen schrittweise eingeführt werden und 2020 bei einem Durchschnittsausstoß von 147 Gramm je Kilometer liegen. Das entspricht einer Reduzierung um etwa ein Viertel gegenüber dem heutigen Stand. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, muss Strafen zahlen.
Mit Blick auf die heimische Industrie und deren Belastung hatten Deutschland und andere Autobauer-Staaten dagegen protestiert. So könnte z.B. ein Mercedes-Sprinter oder ein VW-Transporter wegen der Klimaauflagen um die 3000 Euro teurer werden.
Die beschlossenen Klimavorgaben betreffen Nutzfahrzeuge bis zu 3,5 Tonnen. Für große Lkw sind nach wie vor keine Grenzwerte geplant.

# Proteste und Repression in Weißrussland
Bei Protesten gegen die Präsidentenwahl in Weißrussland sind mehrere Oppositionskandidaten verletzt und rund 1000 Menschen festgenommen worden. Das berichteten laut der Deutschen Presseagentur unabhängige weißrussische JournalistInnen. Die Präsidentenkandidaten Wladimir Neklajew und Vitali Rymaschewski seien von Polizisten krankenhausreif geprügelt und dann vom Geheimdienst KGB verschleppt worden. Insgesamt seien sieben der neun Gegenkandidaten verhaftet worden.
Die Polizei hatte zuvor nach Angaben von Augenzeugen eine Versammlung von Naklajews Partei aufgelöst und dabei Blendgranaten eingesetzt und in die Luft geschossen.
Außerdem sei die prominente regierungskritische Reporterin Irina Chalip festgenommen worden. Verschiedenen Quellen zufolge ist ihr Verbleib bislang nicht bekannt. Auch andere kritische JournalistInnen wurden verhaftet. Rund 20 000 Menschen seien am Sonntagabend nach der Wahl im Zentrum von Minsk auf die Straße gegangen. Die Nachrichtenagentur Associated Press sprach gar von 40 000 TeilnehmerInnen. Die DemonstrantInnen warfen dem seit 1994 amtierenden Alexander Lukaschenko Wahlbetrug vor. Die Wahlleitung in Minsk sprach Lukaschenko knapp 80 Prozent der Stimmen zu.
Scharfe Kritik kam auch aus dem EU-Parlament. Denn die EU hatte vor den Wahlen andeuten lassen, dass finanzielle Hilfe für Weißrussland möglich seien, vorausgesetzt die Wahl verlaufe demokratisch. Es bleibt abzuwarten, wie die EU die Wahl und vor allem die massive Gewalt von Seiten der Polizei gegen die DemonstrantInnen bewertet.

# Gewaltsame Auseinandersetzungen in der Elfenbeinküste und Einreiseverbot für Gbagbo
Bei erneuten gewaltsamen Ausschreitungen und Demonstrationen aufgrund der umstrittenen Präsidentschaftswahlen in der Elfenbeinküste sind mehr als 50 Menschen getötet worden. Das meldet die Französische Presseagentur AFP und bezieht sich auf UN-Angaben. Zudem seien in diesem Zeitraum mehr als 200 Menschen verletzt worden. Die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay zeigte sich besorgt über die «massiven Menschenrechtsverletzungen» in dem afrikanischen Land. Die UN-Truppe in der Elfenbeinküste (UNOCI) habe auch Informationen über Entführungen von Menschen durch Armeeangehörige erhalten. Die Opfer würden an geheimen Orten gefangen gehalten, einige seien unter verdächtigen Umständen tot aufgefunden worden.
Die Europäische Union hat mittlerweile Sanktionen gegen den selbsternannten Präsidenten der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, in Kraft gesetzt. Er und 18 seiner Vertrauten dürfen nicht mehr in die EU einreisen. Die EU will auch die Konten dieser Personen einfrieren.
In der Elfenbeinküste ist die Lage seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl Ende November äußerst gespannt. Aus der Präsidentenwahl am 28. November ging nach Angaben der Wahlkommission Herausforderer Alassane Ouattara als Sieger hervor. Allerdings erklärte der Verfassungsrat - der von einem engen Verbündeten Gbagbos geführt wird - die Abstimmung für ungültig. Gbagbo ließ sich erneut als Staatschef vereidigen. Die internationale Gemeinschaft sieht in Ouattara den neuen rechtmäßigen Präsidenten.


# Protest gegen Nestlé in der Schweiz
Am vergangenen Samstag wurde in zahlreichen Städten der Schweiz gegen den Nahrungsmittelkonzern Nestlé demonstriert. Dazu aufgerufen hatte das Solidaritätskoordination Schweiz-Lateinamerika. In Kolumbien werden Nestlé- ArbeiterInnen der Gewerkschaft Sinaltrainal (Nationale Gewerkschaft der ArbeiterInnen in der Nahrungsmittelindustrie) einmal mehr mit dem Tod bedroht. Die Aktionen fanden in Fribourg, Lausanne, Bern, Genf, Zürich, Basel, Neuchâtel und Köniz statt.
Zwischen 1986 und 2005 sind in Kolumbien zehn Nestlé-Arbeiter von rechten Paramilitärs, ermordet worden. Diese paramilitärischen Gruppen sind staatlich geduldeten Todesschwadrone, die z.T. Auch finanzielle und militärische Unterstützung von staatlichen Institutionen und Akteuren bekommen. Unter den Todesopfern ist z.B. der Gewerkschafter Luciano Romero. Im Jahr 2005 hatte Nestlé ihn wegen eines Streiks entlassen, der tatsächlich nie stattgefunden hatte. Wenige Wochen bevor Romero in Bern an einer Anhörung zur Politik von Nestlé in Kolumbien hätte teilnehmen können, wurde er ermordet.
Aktuell ist der Anlass für Repression in Kolumbien die Sinaltrainal-Kampagne zur Aufklärung des Mordes an Luciano Romero. Im Oktober hatte Alfonso Barón von der Gewerkschaft Sinaltrainal die Schweiz besucht, um am Nestlé-Hauptsitz direkt das Gespräch einzufordern. Das aber verweigerte der Konzern – wie bereits in der Vergangenheit, als Nestlé für extra angereiste kolumbianische Gewerkschafter eine Betriebsführung inszenierte, aber kein Gespräch mit Mitgliedern der Konzernleitung ermöglichte. Wenn in Kolumbien ArbeiterInnen streiken oder sich politisch organisieren, schicken Großgrundbesitzer paramilitärische Gruppen, um die ArbeiterInnen einzuschüchtern und bzw. oder zu töten. Die Solidaritätskoordination Schweiz-Lateinamerika wirft Nestlé vor, diese Gewalt zu dulden. Es gibt Hinweise auf eine direkte Verstrickung des Unternehmens in die Gewalt: Salvatore Mancuso, einer der wichtigsten Anführer der Paramilitärs in Kolumbien, gab im Mai 2007 zu, von Nestlé Geld erhalten zu haben.
Trotz dem Versprechen des neuen kolumbianischen Präsidenten Manuel Santos, Gewerkschafter, Menschenrechtler und soziale Aktivistinnen zu schützen, sind in den ersten vier Monaten seiner Regierung 50 Aktivisten umgebracht worden.