Gespräch mit Kati Lang, vom RAA Sachsen e.V. (Opferberatung für Sachsen), zum Aktionstag gegen die Extremismusklausel

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Seit der Verleihung des Sächsischen Förderpreises für Demokratie im November 2010 ist die so genannte „Extremismusklausel“ des Familienministeriums in aller Munde. Sogar verfassungsrechtliche Bedenken werden gegen sie angeführt. Verschiedene Vereine, Projekte und Initiativen die sich gegen Rechtsextremismus engagieren protestieren heute mit einem gemeinsamen Aktionstag gegen die umstrittene Extremismusklausel der Bundesregierung. Der Aktionstag steht unter dem Motto «Für Demokratie - gegen Misstrauen und Bekenntniszwang». Das Kulturbüro Dresden habe erklärt, man verlange die Rücknahme der Erklärung. In dem Aufruf heißt es, "Wir streiken - und fordern die Bundesregierung und die sächsische Staatsregierung auf, die Extremismusklausel ersatzlos zu streichen. Zivilgesellschaft ist und muss unabhängig bleiben." Per Fax, Mail oder sozialem Netzwerk im Internet sollen heute Protestschreiben an verantwortliche Politiker übermittelt werden. Die Mails und Faxe sollen vor allem an die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder und an Frau Merkel gesendet werden. Doch was hat es mit dieser Klausel auf sich?

Seit Anfang des Jahres sollen alle Projekte und Initiativen die sich gegen Rechtsextremismus stark machen eine Anti-Extremismuserklärung unterschreiben. Die Erklärung bezieht sich auf die Initiativen die sich im Rahmen der Bundesprogramme „TOLERANZ FÖRDERN - KOMPETENZ STÄRKEN“ und „INITIATIVE DEMOKRATIE STÄRKEN“ fördern lassen wollen. So der Beschluss der Familienministerin Kristina Schröder. 
Die verlangte Erklärung beinhaltet ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Außerdem sollen die Vereine und Initiativen ihre zukünftigen Partnerinnen und Partner ebenso auf ihre Grundgesetztreue überprüfen. Das Bekenntnis zum Grundgesetz ist dabei für die Projekte nicht das Problem. Die Ministerien verlangen es schon seit längerem - zumindest indirekt. Vielmehr geht es um die zwei anderen Absätze der Klausel. Und zwar um die Aufforderung, die PartnerInnen auf extremistische Hintergründe zu überprüfen. Die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung Anetta Kahane meint dass dies eine Aufforderung zur Schnüffelei sei. Dabei ist der Begriff „Extremismus“ an sich schon sehr schwierig. Was "extremistisch" ist soll laut Familienministerin u.a. der Verfassungsschutz festlegen. Die betroffenen Vereine und Initiativen wie etwa die Amadeu Antonio Stiftung äußerten noch vor der Einführung der Klausel verfassungsrechtliche Bedenken. Das Kulturbüro Sachsen und die Aktion Sühnezeichen haben aus diesem Grund Ende letzten Jahres ein Rechtsgutachten zur Klausel in Auftrag gegeben.

Der Rechtswissenschafter Ulrich Battis von der Humboldt Uni Berlin hat ein Gutachten zur Extremismusklausel angefertigt und kommt zu dem Schluss dass die Erklärung verfassungswidrig ist. Battis sagte in einem Interview dass der zweite Teil der Klausel zu unbestimmt und ungeeignet sei. Battis ist der Ansicht, dass der Staat hier nicht ins Blaue hinein formulieren dürfe. Die politische Willensbildung funktioniere schließlich laut Grundgesetz von unten nach oben. Und nicht umgekehrt. Die verlangte Schnüffelei sei also in dieser Weise ein unverhältnismäßiger Eingriff des Staates. Diesen Vorwurf lässt das Familienministerium natürlich nicht auf sich sitzen. 
Zu den ungeeigneten und unbestimmten Formulierungen der Klausel gibt es seit Mitte Januar die Anlage „Hinweise zur Erklärung für Demokratie“. Doch diese Anlage lässt immer noch Fragen offen. Inhaltlich wurde die Klausel nicht verändert. Nach wie vor gilt das Prinzip der Schnüffelei. Verfassungsschutzberichte sollen als Nachschlagewerke dienen um potenzielle PartnerInnen zu überprüfen. Dabei stellen die Berichte nur Indizien, aber keine Beweise für verfassungswidriges Handeln/Verhalten dar, das kann nach wie vor nur das Bundesverfassungsgericht.

Die Klausel wird aber nicht nur auf Bundesebene für das Programm „Toleranz fördern - Kompetenz stärken“ abverlangt. Als erstes Bundesland führte das sächsische Innenministerium die Klausel für den Freistaat Sachsen ein. Bei der Verleihung des sächsischen Demokratiepreises letzten November kam des deshalb auch zum Eklat. Die Preisträger sollten die umstrittene Klausel unterschreiben, sonst hätte es kein Geld gegeben. Der Verein AKuBIZ e.V. aus Pirna hat den sächsischen Demokratiepreis aus diesem Grund auch abgelehnt und somit das Thema öffentlich gemacht und eine Protestwelle losgetreten. Vor knapp zwei Wochen fragte der Landtagsabgeordnete und grünen Politiker Jens Jennerjahn den sächsischen Innenminister Ulbig nach den Zahlen hinter der so genannten Anti-Extremismuserklärung. Also welche Fördermittelempfänger über das Programm "Weltoffenes Sachsen" in den Jahren 2005 bis 2010 gefördert wurden, die nach derzeitiger Auffassung der Staatsregierung unter Extremismusverdacht stehen würden. Jens Jennerjahn sagte später in einem Interview dass die Antwort von Innenminister Markus Ulbig kurz und knapp war: Es gäbt keine solchen Projekte". Somit ist die Extremismusklausel also eigentlich hinfällig.

Auch die ehemalige Bundespräsidentschaftskanditatin Prof. Gesine Schwan äußerte sich kritisch zur Klausel. Projekte die sich für Demokratie und gegen Rassismus einsetzen aufzufordern ihre PartnerInnen auf ihre Verfassungstreue hin zu überprüfen sei grundsätzlich problematisch. Egal wie es das Familienministerium noch umformuliert. Die Projekte sind ja ohnehin chronisch unterfinanziert und können ihre eigene Arbeit, nur mit vielen Überstunden verrichten. Eine Überprüfung potentieller Partnerinnen und Partner wäre ein großer bürokratischer Aufwand, der die Projekte von ihrer eigentlichen demokratiefördernden Aufgabe abhält.

Was am heutigen Aktionstag gegen die Extremismusklausel noch passieren wird, darüber möchte ich gleich mit Kati Lang sprechen. Sie ist bei der Opferberatung Sachsen tätig und Mitinitiatorin des Aktionstages "Für Demokratie - gegen Misstrauen und Bekenntniszwang"
Audio
05:36 min, 7868 kB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 01.02.2011 / 17:04

Dateizugriffe: 1133

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Kultur, Wirtschaft/Soziales
Entstehung

AutorInnen: tagesaktuelle Redaktion
Radio: corax, Halle im www
Produktionsdatum: 01.02.2011
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Kommentare
02.02.2011 / 11:01 kmm, Radio Dreyeckland, Freiburg
IM RDL-Mora
.. am 2.2.gesendet
 
02.02.2011 / 14:48 jochen, Radio Unerhört Marburg (RUM)
für zip verwendet
am 2.2.11, danke
 
04.02.2011 / 18:13 Coloradio, coloRadio, Dresden
Magazin
Im Magazin gesendet Danke Tim