Der Bürgerkonvent - neoliberale Mobilmachung

ID 4045
 
Der Beitrag setzt sich mit der Lobbygruppe "BürgerKonvent" (www.buergerkonvent.de) auseinander, die in letzter Zeit durch Fernsehspots von sich reden macht. Die Forderungen des BürgerKonvents werden beleuchtet und in antikapitalistischer Weise kritisiert. Ausserdem wird auf den nationalistischen Charakter der Werbespots eingegangen. Gebauter Beitrag mit O-Tönen, Zitaten und Musikschnipseln.
Audio
08:35 min, 4021 kB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 22.05.2003 / 18:56

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Left Beat
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 22.05.2003
keine Linzenz
Skript
Das Bürgerkonvent – neoliberale Mobilmachung
<br><br>
In Zeiten der Krise sind diejenigen nicht fern, die einfache Ratschläge anbieten. Anstatt sich angesichts des sich abzeichnenden sozialen Elends der Kritik des gesellschaftlichen Gesamtzusammenhangs zu widmen, versuchen die selbsternannten Retter Deutschlands das Volk ideologisch mobil zu machen.
<br><br>
Von einem dieser Rettungsversuche soll heute die Rede sein, es geht um das sogenannte Bürgerkonvent. Wer einen Fernseher besitzt, dem werden die Werbespots des Bürgerkonvent ein Begriff sein. Ein Beispiel gefällig?
<br><br>
<audio werbespot trümmerfrauen>
<br><br>
Der deutschnationale Unterton der Fernsehspots ist offensichtlich: vergangene Leistungen des deutschen Volkes werden betont, die Deutschen sollen sich stark fühlen, einen gemeinsamen Nenner in ihrer Historie finden und so enger zusammenrücken.
Ein neuer nationaler Mythos wird gesucht: der Nationalsozialismus taugt selbstverständlich nicht als gemeinsamer Bezugspunkt und wird verschwiegen, zeigt er doch am ehesten dass Deutschland als Nation eigentlich keine Existenzberechtigung mehr hat.
Als Ersatz für den deutschen Nationalmythos müssen Trümmerfrauen, Einheit und Oderflut herhalten. Kein Wunder, auch der neofaschistische Nationale Widerstand Jena schickte eine Delegation mit Gulaschkanone zum Sandsäckestapeln an die Oder und entdeckte dort die Stärke der Volksgemeinschaft. Wie das Bürgerkonvent in seinem zweiten Werbespot:
<br><br>
<audio werbespot oderflut>
<br><br>
Ein Blick auf die Website des Bürgerkonvents macht deutlich, welche Ideologie hier transportiert werden soll, um welchen gesellschaftlichen Umbau es geht: es blüht der deutschnational aufgeladene Neoliberalismus. Der Widerspruch zwischen einzelnem Bürger und der Gesellschaft soll aufgehoben werden. Legitime Interessen des Einzelnen bzw. gesellschaftlicher Gruppen in der kapitalistischen Gesellschaft werden als überholt und unbrauchbar angesehen. Der Einzelne soll verzichten und sich mehr anstrengen um Deutschland wieder nach vorne zu bringen. Das liest sich dann so:
<br><br>
<Zitat:>
<br><br>
Wohlstand kommt von Arbeit. Deshalb müssen wir mehr und besser arbeiten, wenn unser Wohlstand weiter wachsen soll.
<br><br>
Dabei sind viele recht anspruchsvoll. Arbeitsplätze sollen gut bezahlt, interessant, angenehm, nicht sehr anstrengend und gesellschaftlich angesehen sein.
<br><br>
Andere Völker haben uns eingeholt und mitunter überholt. Zugleich sind sie oft bescheidener. Unsere derzeitigen Ansprüche übersteigen unsere Leistungen.
<br><br>
Auch Arbeitnehmer können sich unternehmerisch verhalten!
<br><br><br><br>
Das sollte mensch sich langsam auf der Zunge zergehen lassen. Das Bürgerkonvent kritisiert tatsächlich das Interesse an einem angenehmen und angesehenen Arbeitsplatz bei dem mensch sich nicht tot arbeitet &#8211; vom einzelnen Arbeitnehmer wird gefordert so zu denken wie sein Arbeitgeber, dessen Geschäft es doch ist, an der Ausbeutung der Arbeitskraft des Beschäftigten zu verdienen. Der einzelne lohnabhängig Beschäftigte soll also seine eigene Ausbeutung von sich aus effizienter gestalten &#8211; zu seinem Nachteil, zu Deutschlands Vorteil.

<br><br>
Interessant ist hierbei vor allem die Kombination von nationaler Zielsetzung und persönlichem Verzicht. Die Globalisierung des Kapitalismus hat scheinbar keineswegs nationale Befindlichkeiten aufgeweicht, die nationale Größe soll nur durch ein verbessertes Eigenmanagement im kapitalistischen Sinne hergestellt werden. Das Versprechen des Kapitalismus auf persönliche Bedürfnisbefriedigung und Warenkonsum durch den Verkauf der eigenen Arbeitskraft wird angesichts seiner immer offensichtlicher werdenden Uneinlösbarkeit ersetzt durch das Versprechen nationaler Größe.
<br><br>
So sehen dann auch die Forderungen des Bürgerkonvents im sozialen Bereich aus:
<br><br>
<zitat:>
<br><br>
Staat kann unseren Lebensstandard nicht sichern. Wir müssen mehr für uns selbst sorgen.
<br><br>
Um den individuellen Lebensstandard im Alter, bei Arbeitslosigkeit sowie im Krankheits- und Pflegefall aufrecht erhalten zu können, müssen wir in bislang ungewohnter Weise für uns selbst vorsorgen.
<br><br>
Hierauf müssen wir uns nicht nur mental einstellen.
<br><br>
Wir müssen auch unsere Lebensgewohnheiten spürbar verändern.
<br><br>
Ohne einen gewissen Konsumverzicht wird es nicht gehen.
<br><br><br><br>
Also weg mit der Stereoanlage, weg mit dem Zahnersatz, damit Deutschland besser wird als jetzt. Auch der Traumjob, bislang bestes Beispiel für das Funktionieren der Verankerung kapitalistischer Ideologie wird Geschichte:
<br><br>
<zitat:>
<br><br>
Der Traumjob wird häufig ein Traum bleiben.
<br><br>
Die Arbeitswelt ist härter und nüchterner als sich das vor allem viele Jüngere vorstellen.
<br><br>
Gefragt sind wieder Tugenden, die lange als altmodisch galten: Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Anpassungsbereitschaft.
<br><br><br><br>
Deutsche Sekundärtugenden also, statt dem Streben nach individueller Bedürfnisbefriedigung. Das Bürgerkonvent versucht die globale Krise des kapitalistischen Systems auf die rückschrittliche Art und Weise zu lösen und verrät dabei das Individuum indem es auf die Nation rekurriert.
<br><br>
Hoffen wir, dass das Bürgerkonvent genauso schnell wieder verschwindet wie die vor einiger Zeit gestartete Initiative &#8222;Deutschland packt´s an&#8220; von Roman Herzog.
<br><br>
Denn Deutschland ist nicht besser als jetzt. Deutschland muss sterben. Dann wäre schon ein Etappenziel auf dem Weg zur freien Weltgesellschaft erreicht.