Geschichte des Plastiks

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Ein kurzer Abriss zur Geschichte von Kunststoff und Plastik.
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Upload vom 31.01.2012 / 12:29

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Klassifizierung

Beitragsart: Anderes
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Umwelt
Serie: Grünfunk (Greenpeace München)
Entstehung

AutorInnen: Beate Becker (Greenpeace München)
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 26.05.2011
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Plastik – Zahlen, Fakten und ein Blick in die Geschichte
Plastik, unser nicht gerade wertschätzender Begriff für Kunststoffe aller Art, stammt aus dem Griechischen und bedeutet ursprünglich die geformte/formende Kunst. Heute ist es synonym für jede Art von Festkörper, der synthetisch oder halbsynthetisch hergestellt wurde.
Seit Jahrzehnten durchdringen Kunststoffen unseren Alltag durch und durch. Während unsere Vorfahren rückblickend in der Steinzeit, der Bronzezeit, etc. lebten, so werden unsere Nachfahren von unsere Kultur womöglich als der Plastikzeit berichten…

Ein paar Fakten:
Weltweit werden jedes Jahr rund 250 Millionen Tonnen Kunststoffprodukte produziert, vier Mal so viel wie noch vor 30 Jahren. Davon machen Produkte für Verpackung und Wegwerfartikel ein ganzes Drittel aus. Allein in Deutschland entstehen jährlich – und diese Zahl darf man sich ruhig mal auf der Zunge zergehen lassen – 2,7 Millionen Tonnen Plastikverpackungen.
Neben der Verpackungsindustrie freut sich die Bauindustrie über leichte Bau- und Dämmstoffe, die Autoindustrie über Kunststoffe mit denen Metallbauteile ersetzen werden können. Die Konsumgüterindustrie nutzt die schier endlose Möglichkeiten Kunststoffe in jede beliebige Form und Farbe zu bringen, mit den je nach Funktionalität gewünschten Eigenschaften; mal hart wie Stahl mal weich wie Watte, mal fest, mal biegsam, mal fragil.
Die Kunststoffindustrie macht heute 6% unserer heimischen Industrie aus und machte im vergangenen Jahr 51,3 Milliarden Euro Jahresumsatz.
4% der Erdölprodukte aus den Raffinerien landen zur Weiterverarbeitung in der Kunststoffindustrie; meist in Form von Rohbenzin.
Chemisch gesehen bestehen Kunststoffe aus langen Ketten von Kohlenwasserstoffen – den sogenannten Polymeren, synthetischen Polymeren. Denn es gibt auch natürlich vorkommende Polymere, in den Zellen aller Pflanzen und Tiere. Die künstlichen werden in der Regel aus Erdöl, manchmal auch aus Erdgas oder Kohle gewonnen.
Für die Herstellung von Kunststoffen müssen die ursprünglichen Kohlenwasserstoffverbindungen auseinandergebrochen und umgebaut werden. Durch chemische Reaktionen ordnen sich die Moleküle neu und es entstehen große Molekülstrukturen, die Polymere. Durch weitere Verarbeitungsschritte werden daraus Tausende verschiedener Plastik-Pellets, die dann den Ausgangsstoff bilden für alles was uns an Plastik-Produkten bekannt ist.
Die enorme Vielfalt entsteht neben unterschiedlichen Ausgangsstoffen und Herstellungsverfahren auch durch die Beimischung von Additiven. Leider machen viele Additive, allen voran die Weichmacher, Plastik-Produkte zu gesundheits- und umweltschädlichen Produkten. Die europäische Industrie hat daher angekündigt dass sie künftig auf Weichmacher verzichten will – das wäre schon mal ein großer und auch sehr notwendiger Schritt.
Interessant ist ein Blick in die Historie der Kunststoffe
1856: das erste Zelluloid (auch Zellhorn genannt) entsteht. Jeder kennt diesen Stoff heute noch in Form von Tischtennisbällen. Im vorletzten Jahrhundert konnten durch Zelluloid erstmals Luxusartikel aus teuren Naturprodukten wie Elfenbein, Bernstein, Ebenholz, Perlmutt etc. imitiert werden und Ende des 19. Jhdts. spielte das Material noch eine wichtige Rolle bei der Produktion fotografischer Filme. Doch sobald es Alternativen gab, wurde der Stoff ersetzt denn seine Eingeschaft sich leicht zu entzünden war einfach sehr gefährlich.
Die Bezeichnung Kunststoffe erhielt die Werkstoffgruppe 1910. Zu dieser Zeit gab es in Deutschland intensive Forschung auf diesem Gebiet. Danach geforscht wurde im Bereich der Chemie. So gilt denn auch ein deutscher Wissenschaftler, der Chemiker Hermann Staudinger, als „Vater“ der Polymer-Wissenschaften. Seine Grundlagenforschung eröffnete der Chemischen Industrie in der Folge die rasanten Entwicklungsmöglichkeiten in der Polymer-Chemie – die Grundlage also zur Entwicklung all unserer moderner Kunststoffprodukte.
In den 50er Jahren wurden Verfahren entwickelt, die die Synthese der Kunststoffe ermöglichten, die heute am meisten für die Verpackung von Lebensmitteln, Kosmetika etc. verwendet werden. So erklärt sich die stetige Zunahme von Verpackungsmaterial seit jener Zeit. Wo wären wir wohl heute, hätte dieser Durchbruch damals nicht stattgefunden… - ein Wunschtraum den man gerne träumen möchte…. und wer weiß – hätte die Verpackungsindustrie sich nicht entwickelt, vielleicht hätte sich auch das Alzheimer Problem weniger stark verbreitet – müßte man doch viel kreativer darüber nachdenken, wie man Dinge verpackt und seine Einkäufe sicher nach Hause bringt.
Mit einem weitern Blick zurück in die Geschichte, findet man als Vorläufer der Kunstoffe eine Reihe natürlicher Materialien, die wohl schon seit Jahrtausenden von den Menschen in den Regionen, in denen diese Stoffe vorkamen, verwendet wurden. Mit der Kolonialisierung fanden diese Eingang nach Europa, wo sie die Entwicklung neuer Produkte vorantrieben.
Gummi Arabicum zum Beispiel ist ein Stoff, der in einer bestimmten Art von Akazienbäumen Afrikas vorkommt und aus der Rinde des Baumes gewonnen wird. Dieser Stoffe wurde im alten Ägypten als Verdickungsmittel und auch für die Mumifizierung von Toten verwendet. Noch heute hat findet er bei uns Verwendung; die Lebensmittelindustrie, verwendet ihn als Emulgator, Stabilisator und Füllstoff. Bis vor einigen Jahren fand er verbreitet Anwendung in der Gummierung von Papierwaren, etwa bei der feucht aufzuklebenden Briefmarke oder bei Briefumschlägen.
Auch dem steinzeitlichen Menschen soll eine Art Klebstoff bekannt gewesen sein: ein aus der Birkenrinde gewonnener Stoff, das Birkenpech konnte durch Feuer-Destillation gewonnen werde und diente dem damaligen Zeitgenossen wohl als Allzweck-Klebestoff und ermöglichte auch das Befestigen von Pfeilspitzen auf einem Wurfholz.
Im Mittelalter erschloß man sich die Möglichkeit aus Tierhorn ein plastisch veränderbares Material herzustellen. Leider ist nicht bekannt, was man daraus alles herstellte.
Im 16. Jhdt. wurde ein durchsichtiges und formbares Material aus Milchkasein gewonnen und etwa zur gleichen Zeit eine Art „Kunsthorn“ aus Ziegenkäse, dessen Vermarktung sich ein Fugger unter den Nagel riß.
Im 17. Und 18. Jhdt. wurde, v.a. über die Kolonien Südamerikas, der Kautschuk bekannt. Von indigenen Völkern schon seit langem genutzt, erlaubte ein neues technisches Verfahren, die Vulkanisation, die Umwandlung des Kautschuks in ein elastisches, gummiartiges Material was eine viel breitere Verwendung nach sich zog. Diese Errungenschaft in Europa zog im 19. Jhdt. den Kautschukboom in Brasilien nach sich und ließ die Amazonasregion ein paar goldene Jahre erleben.
Zurück in die Gegenwart, die neue Biopolymere entdeckt und auch entwickelt hat.
Seit den 90er Jahren wird im Bereich der Biokunststoffe intensiv geforscht. Hier gibt es eine Reihe von kunststoffähnlichen Produkten, etwa das aus Maisstärke gewonnene PLA - kurz für Polymilchsäure. Oder Thermoplastische Stärke, die aus Kartoffeln, Mais oder Weizen gewonnen wird, und in der Gastronomie gerne als Einmal-Geschirr Verwendung findet.
Doch VORSICHT - nicht alle Biokunststoffe sind auch biologisch abbaubar.
Verwirrenderweise gibt es 2 unterschiedliche Definitionen für Biokunststoffe: die eine besagt, dass es sich um einen Stoff handeln muss, der zu 100% aus nachwachsenden Rohstoffen besteht, die andere, dass der Stoff zu 100% biologisch abbaubar sein muss.
Unter die zweite Definition fallen so auch Materialienen, die zwar aus Erdöl hergestellt, aber biologisch abbaubar sind. Andersherum kann PLA, obwohl aus Maisstärke bestehend, nicht auf dem Gartenkompost entsorgt werden. Dazu braucht es die besonderen Bedingungen einer speziellen Industrie-Recycling Anlage.
Der Anteil an Biokunststoffen beträgt im Moment weniger als 1% am Gesamt-Kunststoffmarkt. Für die Zukunft werden aber erhebliche Zuwächse prognostiziert. So schön das Wort Bio-Kunststoff in unseren Ohren auch klingen mag, viele Experten sehen darin mehr Probleme als Lösungen: das eine ist nach wie vor das Problem der Entsorgung, das sich aber vielleicht durch Weiterentwicklung in den Griff kriegen mag. Bedenklicher ist wohl, dass riesige Mengen Agrarflächen nötig sind, um PLA Kunststoffe zu produzieren, und wir damit das gleiche Problem wie schon beim Biosprit haben – eine massive Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau.
Ein tauglicherer Lösungsansatz liegt vielleicht erstmal in einem differenzierten und konsequenten Recycling. Schon heute gibt es bei uns 3 unterschiedliche Recycling-Methoden.
Bei der werkstofflichen Verwertung werden Thermoplaste eingeschmolzen, um daraus wieder neue Produkte zu formen.
Stark vermischte Kunststoffabfälle werden rohstofflich verwertet; also in ihre Bestandteile zerlegt und diese anschließend in verwertbare Gase, Wachse und Öle umgewandelt.
Bei der energetischen Verwertung wird das Plastik bei sehr hohen Temperaturen verbrannt um eine vollständige und schadstoffarme Verbrennung zu gewährleisten. Dies geschieht vor allem in Hochöfen, Zement- und Kraftwerken.

Und nun - hat Plastik eine Zukunft?
Die Entwicklung von Plastikprodukten ist nach wie vor in vollem Gange. Für immer mehr Funktionalitäten werden Kunststoffe erzeugt, so boomen z.B. die leichten Teile in der Autoindustrie, wo sie helfen den Benzinverbrauch zu drosseln, gleichzeitig sorgt mehr Plastik im Auto angeblich auch für mehr Sicherheit – vielleicht nicht für Sicherheit der eigenen momentanen Gesundheit, aber doch im Falle eines Unfalls. Tja, und schön ist natürlich auch dass Rost bei Plastik kein Thema ist. Experimentiert wird heute auch mit besonderen Kunststoffmischungen z.B. mit Glasfasern, woraus dann sogenannte Faserkunststoffe entstehen. Diese sind z.b. für die Flügel von Windrädern sehr sinnvoll, denn mit solchen Leichtgewichten lässt sich mehr und effektiver Strom erzeugen, als mit Stahl-Rotatoren. Und die angeblich weiteste Verbreitung erfahren Hybridkunststoffe im Flugzeugbau – damit Fliegen künftig leichter und damit auch umweltfreundlicher wird – wer hätte das gedacht.