Black Power in Darmstadt, 1971

ID 42019
 
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Im Juli 1971 gerieten schwarze und weiße GIs in einer Darmstädter Kaserne aneinander. Hieraus entwickelte sich eine politische (auch juristische) Auseinandersetzung, bei der das US-Hauptquartier in Heidelberg mäßigend eingreifen mußte.

Eine Reminiszenz, 40 Jahre später, zur Politisierung und zum Widerstand afroamerikanischer GIs in Darmstadt und andernorts.

Gespräch mit Louis Natali, einem der Rechtsanwälte der GIs, der sich noch gut an die damaligen Ereignisse erinnern kann. Das Gespräch wurde auf Englisch geführt, der restliche Beitrag mitsamt einer historischen Einordnung ist auf Deutsch.
Audio
47:11 min, 43 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 11.07.2011 / 23:56

Dateizugriffe: 470

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: andere
Redaktionsbereich: Internationales, in anderen Sprachen, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Walter Kuhl
Kontakt: info4(at)waltpolitik.de
Radio: dissent, Darmstadt im www
Produktionsdatum: 11.07.2011
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Aus dem Sendemanuskript (der vollständige Text ist im Verlauf der Woche online).

"Im August 2008 verließ die US Army ihren Standort in Darmstadt. Im März 1945 war sie als Besatzungsmacht gekommen und sie blieb auch in den Zeiten des Kalten Krieges, ja selbst nach dem Zusammenbruch des Realen Sozialismus, in den vom deutschen Militär übernommenen Kasernen. Drei Jahre sind vergangen, die Kasernen stehen leer, obwohl oder vielleicht auch gerade weil günstiger Wohnraum in Darmstadt knapp ist. Die Konversion des Kasernengeländes in profitable Wohngebiete wird mit dem Segen einer Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung vollzogen; die Schnäppchen werden gewiß sorgfältig filetiert werden. Doch was verbarg sich hinter den Kasernen?

Hinter den Kulissen deutsch-amerikanischer Freundschaft verbarg sich eine weitgehende Trennung zwischen deutscher und US-amerikanischer Lebensrealität. Die US-amerikanischen Soldaten waren nicht gekommen, um mit der deutschen Bevölkerung zu fraternisieren. Zu Beginn mögen sie die ehrenvolle Aufgabe besessen haben, die Reeducation Nazideutschlands zu beobachten, zu überwachen und zu begleiten. Als die Weichen Richtung Westintegration gestellt waren, wurden aus Nazis Verbündete im antikommunistischen Kampf. Die Remilitarisierung des besiegten Feindes kam schneller als gedacht, und heute ist die Bundeswehr überall auf der Welt gerne gesehen, wenn es um imperialistische Machtpolitik geht. Da ist es durchaus folgerichtig, wenn die Bundesregierung der Lieferung deutscher Panzer nach Saudi-Arabien zustimmt, denn die Macht kommt bekanntlich nicht nur aus Gewehrläufen, sondern auch aus den Kanonen eines profitablen Exportartikels.

Doch nicht der neueste deutsche Rüstungsdeal ist mein heutiges Thema. Vor ziemlich genau 40 Jahren ereignete sich in der Cambrai-Fritsch-Kaserne eine Auseinandersetzung zwischen weißen und schwarzen Soldaten. Von diesen rassistisch motivierten Prügeleien gab es viele, doch es war diese Prügelei am 18. Juli 1971, die Aufmerksamkeit auch über das mit Mauern und Stacheldraht abgeriegelte Kasernengelände erlangte. Vierzig Jahre später war es nicht einfach, diese Episode schwarzen Widerstandes in der US-Armee zu rekonstruieren. Geholfen haben mir hierbei der deutsch-kanadische Historiker Fred Kautz und der US-amerikanische Rechtsanwalt Louis Natali.

Was sich damals auf der Ludwigshöhe ereignete, stand in Zusammenhang mit dem Vietnam-Krieg und der Entwicklung afroamerikanischen Selbstbewußtseins. Deshalb gibt es heute kein Kalenderblatt nach dem Muster von Gedenktagen und Jubiläen. Vielmehr werde ich versuchen, die Prügelei in der Cambrai-Fritsch-Kaserne in den globalen Zusammenhang zu stellen, in die sie gehört. Zudem werde ich nach vielen Monaten wieder einmal ein wenig Musik einspielen. Vor anderthalb Monaten, am 27. Mai, starb in New York der afroamerikanische Musiker und Dichter Gil Scott-Heron. Er verband politische und soziale Texte mit einem unverwechselbaren Sprechgesang, aufgrund dessen er als Wegbereiter von HipHop und Rap-Musik gilt. Am Mikrofon ist Walter Kuhl aus der Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt.

Was am 18. Juli 1971 geschah, ist schnell erzählt. Es war Sonntag, und einige schwarze Soldaten tranken im Klubraum der Kaserne Bier oder Whiskey und hörten der im Hintergrund gespielten Soul Music zu. Einige weiße Soldaten wollten provozieren und spielten mit ihrem Cassettenrecorder Country and Western Songs. Hierbei stand nicht nur die Musik der Unterdrückten gegen die der Unterdrücker, sondern in der jeweiligen Musik drückte sich auch der Rassismus einer Gesellschaft aus, die gerade eben dabei war, die US-amerikanische Form der Apartheid, die Segregation, abzulegen."


Aus Urheberrechtsgründen ist in der Audiodatei das die Sendung abschließende Stück "B Movie" von Gil Scott-Heron nicht enthalten. Falls ein anderes Stück am Ende gespielt werden soll, sollte die Abmoderation entsprechend geändert werden.


Short English summary:

In July 1971 Afro-American and white G.I.s got into a brawl in the E.M. Club [Enlisted Men's Club] in Cambrai-Fritsch Kaserne in Darmstadt. It started when the white G.I.s blasted Country & Western music, in order to drown out the soul music, to which the black soldiers were listening.

The next morning the C.O. of the 93rd Signal Battalion. put one oft the black soldiers, whom suspected to have been the ring leader, under arrest. In solidarity with him the other blacks demanded to be arrested too. Given the alternative of an Article 15 or a court martial, most opted for the later. This brought with it the risk of higher punishment, but it gave the accused soldiers the right to be represented by legal council of their choice. That's how the American Civil Liberties Union and the National Association for the Advancement of the Colored People (NAACP) got involved. When a team of lawyers, commissioned by them, held a press conference in Frankfurt, USAREUR Headquarters in Heidelberg pulled in its tail and dropped all charges.

As a footnote to the incident: The black soldiers were politicized by the racial harassment to which they had been subjected. If they hadn't been against the Vietnam War before, the certainly were now. They sent a delegation to the peace negotiations in Paris, in order to let the Viet Cong delegates know that they were not in agreement with US policy in Southeast Asia.

(by Fred Kautz)

The original transmission included the song "B movie" by Gil Scott-Heron. It is not included in this audio file due to copyright reasons.

Kommentare
12.07.2011 / 17:31 redaktion_A, Radio Helsinki, Graz
wird am 18.7.2011 morgens gesendet
thanx!
 
13.07.2011 / 10:30 detlef,
gesendet am 14 07 2011 im Abendprogramm OSMOS
danke
 
23.07.2011 / 08:10 Frau Mann, Wüste Welle, Tübingen
gesendet
gesendet am 23.07.2011 in MANNcherlei - vielen Dank!