Mit deutscher Vernunft gegen NS-Opfer

ID 43042
 
AnhörenDownload
Bericht und Gespräch über die Verhandlung Deutschland gegen Italien vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag mit Mitgliedern des AK Distomo.

Martin Klingner vom AK Distomo und Anwalt griechischer Überlebender des Massakers von Distomo berichtet ausführlich über den ersten Verhandlungstag und trifft eine politische Einschätzung.

Deutschland klagt gegen Italien, weil italienische Gerichte Deutschland zu Entschädigungszahlungen an NS-Opfer verurteilt haben: Damit würde die Staatenimmunität verletzt und es würde Chaos eintreten, wenn Individuen gegen Staaten klagen könnten. Das oberste Gericht Italiens hatte entschieden, dass im Falle von Verbrechen gegen die Menschheit und schweren Kriegsverbrechen keine Staatenimmunität gelte.

Hintergrund ist, dass sowohl in Griechenland als auch in Italien Überlebende von Massakern und anderen NS-Verbrechen gegen Deutschland geklagt und Entschädigungen zugesprochen bekommen haben, Deutschland sich aber weigert zu zahlen. Als die Anwälte der NS-Überlebenden und der Angehörigen von Opfern damit begannen, deutsches Eigentum in Italien zu pfänden, zog Deutschland mit seiner Klage nach (Dezember 2008). Dies ist ein erneuter Versuch, sich der Haftung für die NS-Verbrechen zu entziehen gegenüber den wenigen Menschen, denen es spät gelungen ist, ihr Recht durchzusetzen.

Die Klage wiederum ist selbst bereits ein Ausdruck der Hegemonie Deutschlands, das sich eine solche Klage gegen einen befreundeten Staat und Eingriff in dessen Rechtsprechung erlauben kann. Weder Italien noch Griechenland setzen dem viel entgegen, worin sich zum einen ihre weniger machtvolle Position und zum anderen ihr eigenes Interesse als Staat spiegelt, sich gegen Individuen zu schützen.

Bei der heute beginnenden Verhandlung in Den Haag hielten Vertreter_innen Deutschlands ihre Plädoyers, in denen sie über die Verbrechen wenig und über den Weltfrieden viel sprachen und offen chauvinistisch die höhere deutsche Vernunft gegen italienisches Unverständnis des Weltgeschehens setzten. Dabei versucht Deutschland gar nicht mehr, sich damit herauszureden, es habe seiner Verantwortung genüge getan, sondern wendet sich aggressiv gegen die Opfer seines Vorgängerstaates: Sie seien es, die den Frieden und die Menschheitsentwicklung gefährdeten, indem sie gegen die Staatenimmunität zu Felde zögen.

Im Gespräch mit Rosa Fava vom AK Distomo geht es um die Bedeutung des Verfahrens für die Aufarbeitung der Vergangenheit: Wo der politische Wille dazu fehlt, die Haftung Deutschlands für den Nationalsozialismus umzusetzen, oder zur Erinnerungskultur erstarrt ist, sind es die Prozesse der Überlebenden, die das Problem über die Entschädigungsforderungen offenhalten.

Möglichkeiten zur Beteiligung: Spenden an den AK Distomo, Pfändung deutschen Kulturguts überall, Postkarte an den IGH schicken!

Informationen:
- http://www.nadir.org/nadir/initiativ/ak-...
- ältere Beiträge zum Thema auf dieser Seite, zu finden durch Suche unter den Stichworten "Distomo", "Entschädigungen"
Audio
46:01 min, 42 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 12.09.2011 / 20:19

Dateizugriffe: 398

Klassifizierung

Beitragsart:
Sprache:
Redaktionsbereich:
Entstehung

AutorInnen: Nachmittagsmagazin für subversive Unternehmungen; nfsu
Radio: FSK, Hamburg im www
Produktionsdatum: 12.09.2011
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Kein Skript vorhanden.