[EF] 3. Denknadel - Puschkinstraße 16, ehemals Viktoriastraße

ID 44158
 
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In Erfurt stehen Denknadeln für die Opfer Nazideutschlands. Im Rahmen einer Sondersendung zur langen Nacht der Erinnerung entstanden diese kurzen Features über die Menschen denen diese Nadeln gewidmet sind.

Redaktion: Undine Zachlot, Frank Lipschik, Johannes Smettan
Sprecher_innen: Marie Baumann, Roman Pastuschka, Johannes Smettan
Lizenz: cc by-nc-sa Radio F.R.E.I. Erfurt, 8.11.2011

Musik:
cc by-sa stefano mocini – injustice
cc by-nc-sa Blancheneige Bazaar Orchestra - Meshugge
Audio
04:11 min, 5872 kB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 08.11.2011 / 15:45

Dateizugriffe: 729

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur, Politik/Info
Serie: Denknadeln in Erfurt
Entstehung

AutorInnen: johannes
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 08.11.2011
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Script:
Puschkinstraße 16, ehemals Viktoriastraße
Leopold Stein 1880 bis 1943
deportiert am 2. März 1943 nach Auschwitz
„In den späten Abendstunden des 9. November 1938 wurde unser Vater von der SA aus unserer Wohnung in der Rubensstraße abgeholt. Am nächsten Tag wurde er nach Buchenwald gebracht und nach zirka fünf Wochen wieder entlassen. Die Haare waren ihm geschoren und er erzählte kaum etwas über seinen Aufenthalt dort. Nur, dass man den Juden Rhizinus-Öl zu trinken gab und sie dann in einen verschlossenen Raum einsperrte.“
Leopold Stein war als Volksschullehrer seit 1911 an der Volkshochschule Bleicherode angestellt, bevor er 1933 in den Ruhestand versetzt wurde. Gemeinsam zog er mit seiner Frau Elly und den Kindern Lotte Cäcilia und Ruth 1933 nach Erfurt.
Auszug aus der Verfügung des Erfurter Oberbürgermeisters Walter Kießling 1938:
„Ich untersage den Leitern sämtlicher städtischer höherer Mittel-, Volks-, Fach- und Berufsschulen, jüdische Personen das Betreten der zugehörigen Gebäude zu gestatten und sie an irgendwelchen Veranstaltungen teilnehmen zu lassen. [...]
Ich untersage sämtlichen städtischen Lehrern und Beamten und Angestellten an Juden irgendwelchen Unterricht in körperlicher, charakterlicher und geistiger Richtung zu geben.“
Seit dem 15. November 1938 war allen jüdischen Schülerinnen und Schülern der Besuch „deutscher Schulen“ verboten wurden. Doch der Lehrer Leopold Stein erhielt 1940 die Erlaubnis in der Viktoriastraße, heute Puschkinstraße, eine private jüdische Volkshochschule zu eröffnen. Am 30. Juni 1942 wurde die Schließung sämtlicher jüdischer Schulen angeordnet. Besoldeten und unbesoldeten Lehrkräften wurde verboten Bildung in jeglicher Form an jüdische Schülerinnen und Schüler zu vermitteln.
„Ruth Stein hat als einziges jüdisches Mädchen 1937 das Abitur im Ursulinenkloster gemacht. Ihr wurde Schutz unter Andersgläubigen gewährt. Ihr Vater war für Deutschland in den Ersten Weltkrieg gezogen. Er habe immer erklärt, dass es nicht so schlimm werden würde. […] Das letzte, was Ruth Cemach, von ihrem Vater bekam, war eine Karte, auf der stand, dass er sich von ihr verabschieden müsse, weil er „verreise“ … Jahre später erfuhr sie, dass es sich um die Deportation nach Auschwitz gehandelt hat“
schreibt die Erfurter Straßenzeitung BRÜCKE über die Erinnerungen von Ruth Cemach, geborene Stein, an ihren Vater. Leopold Stein wurde am 2. März 1943 gemeinsam mit seiner Frau nach Auschwitz deportiert. Ihre Töchter Ruth und Lotte Cäcilia schafften die Flucht nach London beziehungsweise Jerusalem. Und leben heute wo?