"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Veganismus macht krank -

ID 44190
 
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[45. Kalenderwoche]
Keine Krise ohne Chancen, keine Gefahr ohne Gewinn: Eine gute Nachricht für den Welthandel erreicht mich vermittels eines Auszugs aus der New York Times, und zwar geht es um die Transportwege, die für den Welthandel nicht unerheblich sind, wie man sich leicht denken kann.
Audio
10:21 min, 9704 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 09.11.2011 / 10:53

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 09.11.2011
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Mit der bedauerlichen Klimaerwärmung eröffnen sich aber doch wunderbare Perspektiven, indem jetzt nämlich die Nordpassage bald einmal zu einer sicheren Wasserstraße wird, wenn uns nur die Temperaturen genügend ansteigen. Das heißt nicht zuletzt weniger Energieverbrauch und CO2-Ausstoß! – Ich weiß nicht, ob man hier geradewegs von einer Quadratur des Kreises sprechen darf, aber vermutlich wohl, denn sagen darf man ohnehin, was man will, solange man damit nicht gegen die guten Sitten oder mindestens das Gesetz verstößt. Trotzdem vermag mich diese Nachricht nicht wirklich in gute Laune zu versetzen. Aber dafür gibt es ja andere Dinge, wie zum Beispiel ver¬schiedene Fachmeldungen zum Fleischkonsum. Die erste überraschte mich auf einem Spaziergang auf einem Teilstück des berühmten Jakobswegs, den ich durchaus nicht zu Pilgerzwecken, sondern bloß zur körperlichen und geistigen Entspannung beschritt. In unserer Gruppe befand sich eine junge Frau, die seit Jahren unter dem Morbus Crohn, einer dauerhaften Entzündung im Darmtrakt litt und die schon die ganze bekannte Behandlungskette durchschritten hatte. Irgendwann, als ihr auf einer größeren Reise die Medikamente ausgingen, stellte sie zu ihrem größeren Erstaunen fest, dass die Krankheitssymptome ausblieben, und bald war es heraus: Die Frau war Vegetarierin gewesen, und dass sich die Krankheit zurückzog, führte sie darauf zurück, dass sie auf besagter Reise begonnen hatte, Fisch und Fleisch zu verzehren. Offenbar ließ sich der Zusammenhang auch nach ihrer Rückkehr und dem erneuten Zugriff auf die ganze Medikamentenpalette erhärten. – Nun gut, werdet ihr sagen, es handelt sich um einen Einzelfall, und das mag schon sein. Aber in einer Zeitungsnachricht vom 7. November lese ich von einem Alarmruf von Kinderärzten, welche sich unter anderem darüber beklagen, dass zunehmend Eltern ihre Kinder vegan ernähren – die Folge: Beschwerden, Mangelerscheinungen, Krankheiten, und zwar bis hin zur Einlieferung ins Spital. Mit anderen Worten: Fleisch enthält genau jene zentralen Massen- und Spurenelemente, welche der Mensch beziehungsweise eben das Fleisch benötigt. Eigentlich ist das ja logisch, bloß wollen es uns einige Ideologen und manchmal auch Wissenschaftler immer wieder ausreden. Zu den Ideologen zähle ich unter anderem verbohrte Tierschützer, also Leute, die nicht einfach für eine sach- und artgerechte Haltung von Tieren kämpfen, sondern welche die Tiere geradewegs als Mitbrüder und Mitschwestern im großen Teich der Schöpfung ansehen, verehren und anbeten. Nur aus einer solchen Haltung heraus kann ich mir Schlagzeilen erklären wie jene: «Hunde mussten für einen Versuch mit Parasiten ihr Leben lassen», wobei es sich erschwerend nicht einfach um Hunde handelte, sondern um, haltet euch die Ohren zu: um Beagles! Solche lieben, treuen, scheuen und gutmütigen Tiere einfach für medizinische Versuchszwecke einzusetzen bzw. geradewegs zu opfern, ist doch ein Verstoß gegen die Menschenrechte! – Und richtig hält denn auch der Vorsitzende der Vereinigung der Ärzte für Tierschutz in der Medizin diese Versuche mit diesen, Gott sei's geklagt: Beagles, für unethisch. Wenn man wenigstens Teckel genommen hätte oder Pudel oder Pinscher, aber Beagles, das ist mit Sicherheit unethisch, das sagt allein ein Blick in diese treuen Hundeaugen.

Die andere Sorte sind die Wissenschaftler, und auch hierzu gibt es immer wieder interessante Meldungen; die jüngste betrifft einen angeblich berühmten Sozialpsychologen, der nachgewiesen hat, dass Menschen in einer ungepflegten Umgebung eher anfällig seien für Vorurteile und Rassismus als jene, die täglich drei Mal duschen. Und in Bezug auf den Fleischkonsum fand Professor Diederik Stapel aus Tilburg heraus, dass Fleischfresser egoistischer seien und ein unsichereres Selbstbewusstsein hätten. Jeder brave Beagle hätte hierzu mit einem rauen Wuff aus treuen Augen seinen Beifall gespendet. Unglücklicherweise für die Beagles und für den Professor, aber auch für die gesamte wissenschaftliche Gemeinschaft, welche den Fleischkonsum somit auch auf sozialpsychologischer Ebene sozusagen widerlegt sah, hat der holländische Professor die Studien, auf welche er seine Thesen abstützt, schlicht und einfach gefälscht. Es würde mich nicht erstaunen, wenn plötzlich ein investigativer Journalist herausfinden würde, dass er eigentlich Dietrich Hochstapel heißt, aber gut, das ist jetzt etwas gar plakativ. Jedenfalls hatte Diederik Stapel mit Sicherheit einen derart guten Namen in der Wissenschaft und in der Öffentlichkeit, weil er eben mit seinen Forschungsresultaten genau dieses Beagle-Gefühl bedient hat, welches gegenüber dem Tier zum Vornherein mehr Respekt aufwendet als für manches kleine Menschenwesen. In diesem ganzen Komplex spielen vermutlich die Walfischfangkampagnen von Greenpeace und halt eben auch die Energiesparkampagnen der internationalen Ökobewegung ihre Rolle, welche uns immer auf einer nicht ausgesprochenen moralischen Tierschutzmatte vorrechnet, dass Fleischkonsum letztlich die Ursache sei für die ganze Energie- und CO2-Krise – ich erinnere nur an die furzenden Kühe in Argentinien, welche das Ozonloch über dem Südpol bewirken, bzw. an die Kühlschiffe, welche das argentinische Fleisch nicht einmal durch die Nordpassage nach Europa transportieren, einmal abgesehen davon, dass der Schiffstransport praktisch keine Energie verschlingt und dass der größte Transportaufwand bzw. Energieverbrauch in der Regel dort erfolgt, wo das Konsumgut vom Supermarkt nach Hause gebracht wird, aber eben. Und aus dem ganzen Komplex entsteht dann mit Vorliebe bei jungen Frauen massenhaft die höchst individuelle Überzeugung, dass man mit dem Verzicht auf Fleisch einen Beitrag zur Rettung der Welt leistet.

Falsch! Haut rein, Mädels! Lauft zum nächsten Wurststand!

Erneut der New York Times entnehme ich die Meldung, dass die US-amerikanische Bank Citigroup jüngst 285 Millionen US-Dollar hingeblättert hat, um einen Rechtsfall abzuschließen, in dem sie irgend einer Form des Betrugs angeklagt worden war, und zwar wie folgt: Citigroup verkaufte im Jahr 2007 an über 15 Hedgefonds Papiere im Wert von rund einer Milliarde US-Dollars, die sie zuvor eigenhändig gebüschelt und gebündelt hatte, und zwar so, dass sie eine bessere und eine schlechter Hälfte schuf. Und während Citigroup nun die schlechte Hälfte diesen Hedgefonds andrehte, setzte sie gleichzeitig auf den Kollaps dieser Papiere, ich weiß nicht genau, ob mit Optionen oder mit Versicherungen, aber immerhin, und die vollständige Entwertung dieser Papiere trat denn auch ein paar Monate später ein. Hedgefonds sind zwar auch nicht wirklich Vertrauen erweckende Einrichtungen, aber in diesem Fall waren sie die Leidtragenden in diesem ziemlich unseriösen Vorgehen, weshalb eben Citigroup in diesem Jahr nun rund 60% der erlittenen Verluste zurückvergütet hat. – Zugunsten von Citigroup wollen wir noch einräumen, dass zum Zeitpunkt des Verkaufs vielleicht noch nicht unbedingt absehbar war, wann der Preiszerfall eintreten würde, mit anderen Worten: Es wäre absolut auch denkbar gewesen, dass der Kollaps des Finanzsystems auch erst im Jahr 2008 oder gar 2009 eintreten würde, insofern kann man die Verantwortlichen persönlich gar nicht so richtig zur Rechenschaft ziehen, und aus diesem Grund wurde der Fall auch außergerichtlich gelöst, ohne Anerkennung irgendwelcher Schuld von Seiten von Citigroup. – Ähnliches wird von Goldman Sachs berichtet und wohl noch von einigen weiteren Finanzinstituten; der Artikel in der New York Times lenkt aber die Aufmerksamkeit dann weiter, weg von den Banken, hin zum Kongress, wo die Finanzindustrie offenbar nach wie vor einen übermächtigen Einfluss hat, und zwar ganz einfach dadurch, dass sie die Kongressmitglieder schmiert und den Parteien ihre Wahlkampagnen bezahlt. Eine Konsumentengruppe schätzt den gesamten, von der Finanzindustrie für diese Zwecke ausgegebenen Betrag – unter Berufung auf Opensecrets.org – von 1999 bis 2010 auf 2.3 Milliarden US-Dollar. Soviel kostet US-amerikanische Politik. Der Autor des Artikels, ein Herr Thomas L. Friedman, schließt mit den Worten: «Kapitalismus und freie Märkte sind die besten Triebkräfte zur Erzeugung von Wachstum und zur Milderung von Armut – sofern sie mit weit gehender Transparenz, Regulierung und Aufsichtsbehörden im Zaum gehalten werden. Amerika hat diese Kontrolle im letzten Jahrzehnt verloren. Wenn sie nicht wieder hergestellt wird, ist eine weitere Krise unvermeidlich.» Naja. Mal sehen.

Etwas überraschend weiter gesehen hat in der letzten Woche der Griecherer in einer Entwicklung, die einen positiven und einen negativen Effekt gebracht hat: Negativ erscheint mir der Wegfall der Volksbefragung, die für mich der plausibelste Vorschlag der letzten Monate war, und zwar weil sich bei dieser Abstimmung das griechische Volk definitiv zwischen seinen Gefühlen hätte entscheiden müssen. Einerseits wollen ja 60 Prozent keine Sparmaßnahmen, anderseits wollen 70% den Euro beibehalten, und beides zusammen geht nicht, allerdings geht auch die Wiedereinführung der Drachme nicht, mindestens nicht ohne schmerzliche Einschnitte, die es aber umgekehrt auch wieder im anderen Fall gegeben hätte – wie auch immer: Eine solche Volksabstimmung hätte endlich einmal das Volk zum Träger des Dilemmas gemacht, dieses hätte also nicht mehr die Parteien oder die Politik für eine politische Entscheidung verantwortlich machen können, sondern nur noch sich selber. Mindestens theoretisch. – Dann aber die positive Nachricht: Offenbar gibt es jetzt doch endlich eine Regierung der nationalen Einheit, und das war wirklich eines der dringendsten Gebote. Selbstverständlich hört man nach wie vor sehr gut, dass die Konservativen und die angeblichen Sozialdemokraten alles tun werden, um in dieser großen Koalition die Dinge so aussehen zu lassen, dass der Koalitionspartner die alleinige Schuld an all den Übeltaten trägt, welche die Regierung nun im Auftrag der internationalen Gemeinschaft ausführen muss. Aber trotzdem – ein Fortschritt ist schon mal erzielt, vielleicht folgen jetzt weitere. Und, wie letzte Woche gesagt: Vielleicht gibt es trotz allem noch eine Revolution?