Not my gauck oder Lassen sie mich durch, ich bin Bürgerrechtler!

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"Glosse" über Joachim Gauck, seine seltsamen Statements und neoliberale Einstellung.
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09:03 min, 12 MB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 02.03.2012 / 22:30

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Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: ldr
Radio: RadioBlau, Leipzig im www
Produktionsdatum: 02.03.2012
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Kurz nach der erlösenden Nachricht, dass sich die Vorsitzenden von CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen auf die Lichtgestalt Joachim Gauck einigten, tauchte im Internet auch schon sein Manuskript zur geplanten Antrittsrede nach der Wahl auf.
Daraus zitiert:

„DDR, DDR, DDR, DDR, DDR, DDR, DDR, DDR, DDR, Demokratie, Deutschland, Freiheit ,Freiheit ,Freiheit ,Freiheit ,Freiheit ,Freiheit ,Freiheit ,Freiheit ,Freiheit ,Freiheit ,Freiheit, Gott, Gott, Ich, Ich, Ich, Ich, Ich, Ich, Ich, Ich, Ich, Ich, Ich, Ich, Kommunistenarschlocher, mein, mein, mein, mein, meine, meine, meinem, meinem, meinen, meinen, meiner, meiner, meiner, meines, meines meines, Toleranz, Zausel, Zwiesel, zwitschern.“

Recht hat er. Laut Deutschlandtrend der ARD vom 1.3. 2012 halten 67% der Bevölkerung Gauck für eine gute Wahl. Nur 22 Prozent sehen das anders, stimmten also mit nein. Umso glücklicker, darf man, also WIR uns schätzen, dass er überhaupt zugesagt hat. Schließlich fragte die Süddeutsche Zeitung 2010: Was machen sie in fünf Jahren, Herr Gauck. Er antwortete „Ich werde dann 75 Jahre alt sein und hoffentlich nicht mehr so ein anstrengendes Programm haben wie jetzt.“
Die SZ legt nach: Sie werden also nicht noch mal antreten, um Bundespräsident zu werden? „Das ist eher unwahrscheinlich. Ich sehe mich mehr als Bürger, der mitredet.“

Gut, offen gelassen hat er sichs damit, und der Hinweis, den der ihn grad chauffierende Taxifahrer bekam, als er DEN Anruf bekam, dass er nun den künftigen Bundespräsidenten fahren würde, zeugt von schneller Entscheidung und sicherlich mindestens vorhandenen Selbstbewusstsein. Vielleicht etwas mehr als das.

Nur im Netz, diese Parallelgesellschaft ohne Ausbildung und Zukunft, war Gauck nach dem Rücktritt Wulffs auf einmal nicht mehr dieser Kandidat der Herzen, zu dem er das letzte Mal, als Gegenkandidat zu Wulff, stilisiert wurde. Je nach eigener Peergroup in den einschlägigen sozialen Netzwerken, schlug es einem #nogauck und #notmypresident hashtags um die Ohren oder vielmehr Augen.

Und tatsächlich, schien er, der gröBRaZ, größte Bürgerrechtler aller Zeiten, der der Gauck Behörde, Überraschung, ihren Namen gab, auf einmal nicht mehr so rein, wie 2 Jahre zuvor. Und das meint nicht seinen überraschenden Ausruf, er wäre ungewaschen und verwirrt, bei der gemeinsamen Pressekonferenz fast aller Parteien und eben seiner Selbst.

So hat die sogenannte Occupybewegung im Internet eine große Verankerung, was am Mobilisierungspotential der heutigen Zeit eben online liegt und den vor Allem in den USA allgegenwärtigen Livestreams, als es um die Räumung des Occupy Camps in New York City z.B. ging.
Unsäglich albern sei das alles und ja, das könnte man sogar finden. Schließlich bieten die versprenkelten Interviewfetzen, die man zu und mit Occupyaktivisten hört, allerlei Anlass das alles albern zu finden oder gar gar keine Lust zu spüren, sich diesem Haufen da anzuschließen.
Gauck ging es aber gar nicht so sehr um Verschwörungstheoretiker, Nazis die am Protst teilnahmen oder allzu verkürzte Kapitalismuskritik. Im Gegenteil, je verkürzter diese wäre, umso zufriedener wäre er wohl, schließlich sagte er: Ich habe in einem Land gelebt, in dem die Banken besetzt waren.
Und das könnte man doch nicht wieder wollen und fordern. Die DDR als allgegenwärtiges Übel in allen Themen.

Das zeigt sich ähnlich bei den sogenannten Montagsdemos, damals, als Hartz IV noch nicht so einfach von den Lippen ging. Diese wären töricht und geschichtsvergessen, so sagte er und abermals nicht aus inhaltlichen Gründen. Der Titel Montagsdemonstrationen war es. Schließlich wäre das hier, trotz Hartz IV ja immernoch ein demokratisches System. Allerdings, man darf skeptisch sein, ob Sonntagsdemonstrationen oder unbenannte Demonstrationen an einem Dienstag, ihn zu der Aussage hinreissen lassen hätten: Diese Demos wären das Gegenteil von töricht , also klug und geschichtsbewusst.

Wieder Gauck:  "Als Bundeskanzler Schröder einst die Frage aufwarf, wie viel Fürsorge sich das Land noch leisten kann, da ist er ein Risiko eingegangen. (...) Solche Versuche mit Mut brauchen wir heute wieder." Die Agenda 2010 fand er jedenfalls gut. Und dem stakkatoartigen Wiederholen von Fordern und Fördern, Eigeninitiative und anderem Gefasel ist er wohlgestimmt.

Und dann ist da ja noch der Totalitarismus. Den Garten Eden, den er im wiedervereinigten Deutschland fand, gilt es aufs Äußerste zu verteidigen. Auch gegen die Ewiggestrigen, die soetwas wie das Schulsystem der DDR verteidigen.

Schließlich stellte er in einem Interview mit www.gegen-vergessen.de einem Verein, der die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen und das Unrecht der SED-Diktatur wach hält

fest: Im Westen währte die braune Diktatur 12 Jahre, im Osten aber kamen noch 44 rote Jahre dazu. Die Länge der Dauer von Ohnmacht spielt eine Rolle."
Der Freitag schreibt: Gauck ließ es sich jedoch nicht nehmen, dabei mitzuwirken, aus der Gedenkstätte für die Opfer der Wehrmachtsjustiz in Torgau eine Gedenkstätte auch für die NS-Täter zu machen. 

Dort wurden nämlich nach 1945 auch Nazis eingesperrt und einige zum Tode verurteilt.
Nun, aufsowas fährt Sachsen natürlich doppelt ab.

Weiterhin zählt er, also Gauck, auch zu den Erstunterziechnern der Prager Erklärung zum gewissen Europas und zum Kommunismus.  Die Erklärung forderte die Ausrufung des 23. August als Europäischer Tag des Gedenkens an die Opfer von Stalinismus und Nationalsozialismus. Der Gedenktag wurde am 2. April 2009 vom Europäischen Parlament ausgerufen.  weiß Wikipedia. Der Leiter des Simon Wiesenthal Centers in Jerusalem bezeichnete die Prager Erklärung gegenüber publikative.org als “das Manifest derjenigen Bewegung, welche die kommunistischen Verbrechen mit denen der Nazis gleichsetzt”.

Man könnte so weiter machen. Thilo Sarazzin attestierte er Mut, nach dem Erscheinen seines Buches: Deutschland schafft sich ab. Dabei heisst es auch hier wie so oft, man würde Gauck nur falsch verstehen oder absichtlich verkürzt zitieren. Die Süddeutsche meint z.B. zum Fall Sarazzin: Zwar wirken die Zitate rückblickend unglücklich gewählt, zumal einem so eloquenten Redner wie Gauck gewahr gewesen sein müsste, welche Sprengkraft sie in verkürzter Form besitzen. Doch bei genauerer Betrachtung lobte Gauck Sarrazin vor allem dafür, ein Thema anzupacken, das er von den politischen Eliten vernachlässigt sah. Von der Argumentation des früheren Finanzsenators hingegen distanzierte er sich deutlich.

Das wiederrum erscheint leicht euphemistisch. Klar, dem biologistischen-Gen-Quatsch Sarrazins kann er nichts abgewinnen, aber wenn diese Debatte schon Mut verdient hat, verliehen vom Ich, Freiheit Bürgerrechtler, kann es tatsächlich nicht weit her sein, mit einer politischen Kultur. Ein Buch herauszugeben, mit verquasten und verfälschten Statistikanalysen, zum Überthema Islamisierung Deutschlands, dass dieses Buch also weg geht wie warme Semmeln, das ist vielleicht ein genialer ökonomischer Schachzug, aber wozu bedarf es dafür in Deutschland Mut?

Zu guter letzt gibt’s da noch das Thema Internet an sich: Das Deutschen Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet , ein Projekt der Post, will irgendwie vertrauliche und sichere Kommunikation im Internet zu fördern. Dafür hat es nun sieben Thesen veröffentlicht, vom Autor: Jochachim Gauck. Dort heißt es dann  Die Anonymität im Internet werde "zunehmend für kriminelle Zwecke missbraucht". In der Einleitung wiederrum schreibt er: "Das weltweite Internet bietet alle Voraussetzungen, um die in den ersten zehn Artikeln unserer Verfassung verankerten Grundrechte aller Bürger in diesem Land auszuhöhlen." Telepolis fragte darauf: Aber warum sollte das Internet die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz (Artikel 3) oder die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Artikel 4), den Schutz von Ehe und Familie (Artikel 6) oder die Versammlungsfreiheit (Artikel 8) gefährden?

Man weiß es nicht, ob Gauck es so sicher weiß, man weiß es auch nicht.

Am Ende, selbst wenn das alles genannte, Details seihen oder kontextverloren, wie es so oft jetzt hieß.
Dass Gauck eher dem neoliberalen Sozialstaatsabbau nähersteht als anderen und weiterhin die Gleichsetzung und Relativierung von Nationalsozialismus und DDR vorantreibt, lässt sich eben kaum verleugnen.
Man darf leider, gespannt sein.

Kommentare
04.03.2012 / 18:08 AL, coloRadio, Dresden
wird
heute gesendet
 
05.03.2012 / 07:15 hikE, Radio Unerhört Marburg (RUM)
in Fruehschicht 5.3.2012
gesendet. Danke! GröBraZ gefällt mir besonders... und natürlich die Zusammenfassung der Rede