Buchtipp: "Die Sonne der Sterbenden"

ID 4830
 
Besprechung von Jean-Claude Izzos gerade in deutscher Übersetzung erschienen Romans. Incl. Abmo und Zitate; ohne Anmo. Siehe auch Skript.
Audio
04:00 min, 3850 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 05.09.2003 / 11:00

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Klassifizierung

Beitragsart: Rezension
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur
Serie: Radio Palmares - Magazin
Entstehung

AutorInnen: Markus Kilp
Kontakt: tomschrott(at)yahoo.com
Radio: PalmaresPB, Paderborn im www
Produktionsdatum: 05.09.2003
keine Linzenz
Skript
Jean Claude Izzo : „Die Sonne der Sterbenden“

Anmovorschlag:

Die Bücher des französischen Schriftstellers Jean Claude Izzo, fanden in Deutschland in den letzten Jahren große Anerkennung. Bekannt wurde der sozialkritische Autor vor allem durch seine Marseille-Triologie um den ungewöhnlichen Ex- Flic Montale. Nun hat der schweizer Unionsverlag ein weiteres Buch aus dem Spätwerk des vor drei Jahren verstorbenen Autors veröffentlicht. In „Die Sonne der sterbenden“ widmet er sich dem Leben derjenigen, die auf der Straße leben und dort ums überleben kämpfen.

Beitrags-TEXT:

Der Clochard Rico (ist) auf dem Weg nach Marseille. Nachdem sein Freund Titi in Paris auf der Straße gestorben ist, hält Rico dort nichts mehr: Seine Wohnung hat er schon lange verloren, der Pariser Winter setzt ihm zu, sein bester Freund ist tot, seine Familie will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Eine ernüchternde Bilanz eines verpfuschten Lebens. Die Freiheit auf der Straße ist für ihn zur Last geworden: obwohl Rico es nicht wahr haben will, war er schwer erkrankt, seine Lunge von den vielen billigen Zigaretten zerfressen, seine Leber vom Alkohol zerstört.

Buch-Zitat: S. 19, “on the road again”

Die Reise nach Süden wird für ihn zu einer letzten Herausforderung.
Ohne Geld und von der Gesellschaft verstoßen, bewegt er sich in der Parallel-Welt der „Unsichtbaren...“ Obdachlose, Illegale Einwanderer, Prostituierte.
Er begegnet dabei einigen, denen es nicht viel besser geht als ihm selbst. Dem verwirrten Felix beispielsweise..., der ständig einen Fußball mit sich herumträgt und kaum mehr spricht. Und der jungen Mirjana, die auf den Straßenstrich geht um ihre Schlepper zu bezahlen, die Sie aus Bosnien ins Land geschleußt haben.

Evtl Zitat S. 152 „Rico kramte ... auf die Straße hier.“

Jean Claude Izzo zeichnet ein bedrückendes Bild von einer französischen Gesellschaft, die Marginalisierte und Arme in einer Grauzone der Verachtung im Stich lässt. Obwohl in Rico schon viel abgestorben ist, wie er selbst glaubt, stehen dabei seine Gefühle und Erinnerungen doch im Mittelpunkt der Erzählung: Seine Unglücklichen Liebesgeschichten, gescheiterten Beziehungen, die Gewalt und Rücksichtslosigkeit, die ihm als Obdachlosen auf der Straße täglich begegnen.

Ergreifend ist die Geschichte des Clochards Rico auch deshalb, weil Sie aus der Perspektive des jungen Abdou erzählt wird, der in Rico etwas wie einen Familienersatz sieht. Nachdem seine eigene Familie, während des algerischen Bürgerkriegs von Soldaten ermordet wurde, ist der Junge nach Marseille geflohen. Von schweren Verbrennungen am ganzen Körper gezeichnet ist auch er Außenseiter.

Im Marseille der Einwanderer hilft er Rico zu überleben, und auf der Suche nach seiner Vergangenheit, nach seiner ersten Liebe schöpft Rico zum ersten Mal wieder Hoffnung.

Marseille ist hier, wie schon in vielen anderen von Izzos Romanen eng verknüpft mit dem Schicksal der Protagonisten: Es ist Heimkehr, Asyl, letzte Zuflucht, Bastion gegen die Kälte, die ihm Rest des Landes herrscht, und letztlich doch keine Rettung für den schutzlosen, schwer erkrankten Rico.

Marseille, wird in seiner Schönheit und Schicksalhaftigkeit... zum Endpunkt zum letzten und verzweifelten Ziel.

Mit treffenden Worten und ohne falsche Betroffenheit schafft es Izzo hier der Liebeserklärung an seine Stadt ein weitere Facette hinzuzufügen.

Abmoderation:
„Die Sonne der Sterbenden“ ist im Unionsverlag erschienen. Rund 250 Seiten im Hardcover sind für 16.90 Euro zu haben.