Mössingen, Januar 1933, Teil 2

ID 51985
 
AnhörenDownload
Interview mit Irene Scherer, Verlegerin der Neuauflage des Buchs "Da ist nirgends nichts gewesen außer hier", über den Mössinger Generalstreik am 31.1.1933 gegen Hitler. Eingebunden in das Sendemanuskript auf http://www.waltpolitik.powerbone.de/kv/k....

Teil 2 der Buchbesprechung.
Audio
03:49 min, 3578 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 08.11.2012 / 18:59

Dateizugriffe: 425

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Walter Kuhl
Kontakt: info4(at)waltpolitik.de
Radio: dissent, Darmstadt im www
Produktionsdatum: 08.11.2012
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
[Interview O-Ton]

Mit der Verlegerin Irene Scherer sprach ich über die Motivation zur Neuherausgabe des Bandes „Da ist nirgends nichts gewesen außer hier“

Nun ist die Begeisterung für dieses Buch andernorts alles andere als ungeteilt. Genauso, wie es einen konservativen Mainstream gibt, der aus gesellschafts­politischen Gründen am Namen Hindenburg als Sinnstifter deutscher Straßen und Plätze festhält, stoßen sich dieselben Konservativen, nur nicht in Münster und Darmstadt, sondern – hier – im Steinlachtal an der Darstellung des Mössinger Generalstreiks. Ihnen ist es nicht gelungen, diese Episode ihrer Kleinstadt in ihr eigenes Geschichts­verständnis zu integrieren. Also opponieren sie.

Obwohl es keinen ernsthaften Zweifel an der wissenschaftlichen Seriosität der Darstellung gibt und das Buch geradezu vorbildlich die inneren Widersprüche einer Dorfgemeinschaft ganz unideologisch beleuchtet, will die lokale Freie Wähler­vereinigung mit Unterstützung der CDU eine Neubewertung durchdrücken. Es handelt sich um nichts anderes als um konservative Geschichtspolitik, mit dem Ziel, die Erinnerung an emanzipatorische Ansätze, Bewegungen und Handlungen zu verwässern und zu negieren. Der zweite Mitherausgeber des Buches, Mössingens Museumsleiter Hermann Berner, zeigt in einem Nachsatz zur Neuauflage des Buches, daß und wie sich das konservative Establishment in seinem Geschichts­revisionismus Gehör zu schaffen sucht.

Vielleicht ist es auch nur einfach so, daß es der konservative Mainstream bis heute nicht hat verwinden können, daß ein paar einfache Bäuerinnen und Arbeiter aus Mössingen beispielsweise die Tübinger Studenten entwaffneten und damit lächerlich gemacht hatten, die noch zuvor an der blutigen Zerschlagung der Münchener Räterepublik beteiligt waren. Es bestehen nun einmal Verbindungslinien zwischen damaliger Burschenschaftler­herrlichkeit zu den heutigen wirtschaftlichen und politischen Seilschaften des konservativen Mainstreams.

Halten wir diesem dummen Dogmatismus einfach entgegen: vermutlich wäre auch durch ähnliche organisierte Streikaktionen in großen deutschen Städten Hitler und der National­sozialismus nicht zu verhindern gewesen, dafür waren sich Kapital und Reaktion zu einig. Aber vielleicht wäre die Geschichte nach 1933 dennoch anders verlaufen. Die Vorläufer des heutigen konservativen Establishments haben jedenfalls nichts gegen die Machtübergabe an Hitler unternommen. Eher das Gegenteil.

Wenn wir uns nämlich, nicht nur reichsweit, sondern auch in Darmstadt oder im Steinlachtal, die Wahl­bewegungen näher anschauen, dann stellen wir fest, daß ausgerechnet in Gegenden mit mehrheitlich protestantischer Bevölkerung die Nazis besonders wohlgelitten waren. In Mössingen zeigt sich das besonders krass. Hier ist die Reaktion in Gestalt einer christlich-sozialen Wählervereingung mit fliegenden Fahnen zu den Nazis übergelaufen.

Der von Bernd Jürgen Warneken und Hermann Berner im Talheimer Verlag neu herausgegebene Band „Da ist nirgends nichts gewesen außer hier“ umfaßt rund 350 Seiten und kostet 32 Euro. Für mich ist dieses Buch zweifellos die Entdeckung des Jahres.

Kommentare
11.01.2013 / 20:01 Inforedaktion *Spuren*,
gesendet in der Inforedaktion *Spuren* Freies Radio für Stuttgart
gesendet in der Inforedaktion im Freien Radio für Stuttgart am 11.1.13.