Max hat Angst und steigt aus - 1 Jahr Aussteigerhotline Linksextremismus

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Max hat Angst und steigt aus - 1 Jahr Aussteigerhotline Linksextremismus

gesendet 9.11. LDR/Radio Blau
Audio
07:23 min, 10 MB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 09.11.2012 / 15:28

Dateizugriffe: 70

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: LDR
Radio: RadioBlau, Leipzig im www
Produktionsdatum: 09.11.2012
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Das… ist Max. Max hat Angst. Max lebt in München und hat vor fünf Jahren einen folgenschweren Fehler begangen. Als er eines Abends im örtlichen Schuppen, diesem alten Ding draußen in Schwabing, den Vorteilen einer unbeschwerten Jugend frönte: also viel Bier, viel laut, viel bunt – aber immer mit der Option auf sofortige Integration in ein lasterfreies und wohlfeil bürgerliches Leben. Da jedenfalls fiel er auf ein Angebot ein, was zwar zu vorgerückter Stunde kaum abzulehnen möglich war, ihm heute aber wie eine Stahlkugel am Fußgelenk das Vorankommen schwer, wenn nicht sogar unmöglich macht. Der örtliche Beelzebub, der Meister ohne Margarita stellte sich in Form eines Johannes vor, der nach eigenen Aussagen, irgendwie irgendwas mit der Antifa, oder Antifaszene zu tun hätte. Und ob Max da nicht, da er doch auch so oft und so und auf der letzten Demo, kurzum Verstärkung könnten sie immer gebrauchen und ob er nicht mal zum Plenum, am nächsten Mittwoch vorbeikommen wölle. So wie er auf das Angebot einging, mit Blut wird heutzutage nicht mehr unterschrieben und Seelenverkäufe werden international mehr und mehr geächtet, schiens ihm, als ob der Himmel sich verdunkle, eine schwarze Sodombringende Front bäumte sich von den Alpen her auf und ließ zum krönenden Abschluss ungeheure Wassermassen, garniert von 20 Blitzen, die Max allein in 5 Minuten zählte hernieder, also es goss mörderisch. Max zählte 1 und 1 allerdings nicht zusammen, und erschien am besagten nächsten Mittwoch, quasi pünktlich zum ihm beworbenen Plenum. Seine außerordentliche Zeiteinhaltung brachte ihn zwar 1-2 misstrauische Zivilbullenrufe ein, aber das war er von Demos schon gewöhnt. Er selbst hatte schon argwöhnisch auf so manchen Typen geschaut, die bei solchen Anlässen manchmal erscheinen und offenbar immer vergessen auch ihre Schuhe dem Dresscode des schwarzen Blocks oder wo es eben beliebt anzupassen. Wie auch immer, die Jahre gingen ins Land. Max blieb seiner Gruppe treu. Marx wurde da gelesen, Seminare zu kritischer Theorie organisiert, zu Antinazidemos mobilisiert und das eine oder andere Augustiner geleert und geraucht, natürlich auch. Irgendwann aber, plagten ihm immer mehr Zweifel. Es schien ihm, als ob zwar alle Leute zwangsläufig älter werden, aber eine Entwicklung abseits des äußeren machte er nicht aus. Sein persönlicher Teufel, der ihn damals in die Gruppe brachte entwickelte sich mehr und mehr zu einem sogenannten Antideutschen, das machte ihm Angst. Viel hatte er darüber gelesen, selten welche getroffen, die sich auch selber so vorstellten, aber er wusste, das müssen schröckliche Zeitgenossen sein. Selbst in der Frankfurter allgemeinen Zeitung war neuerlich ein Artikel über diese Gruppe erschienen. Er wusste jetzt, Antideutsche haben guten Kontakt zu George Bush und Netanjahu, werfen Bomben über Dresden ab und fressen kleine Kinder. Das war zuviel. Jedenfalls für ihn. Es wurmte ihn zwar bei dem Gedanken, Mittwochs nun in ein quasi Loch zu fallen, aber der Schritt musste getan, die Trennung vollzogen werden.
Und so kam es. Unterschrieben hatte er ja wie gesagt nichts, er fühlte sich frei und kam eben einfach nicht mehr zum Plenum, sondern blieb zu Haus und aß 2 Kg Fleisch. Ein Vergnügen, dass ihm in den letzten Jahren allzu sehr verleidet wurde. Am nächsten Morgen fand’ er vor seiner Tür einen abgetrennte, den Blutspuren zu folgen, frischen Pferdekopf. Daneben eine rote Rose und eine Karte. In roter Farbe, möglich dass das nun auch Blut gewesen wäre, stand darin: Nächste Woche bist du wieder da, sonst… Drei Punkte hinter dem sonst. Es ängstigte ihn. Er rief die Polizei, die kam, runzelte die Stirn, murmelte was von „schon wieder“, riefen aber am Ende nur die Veterinäranstalt um den Kopf zu entsorgen und meinten sie können nichts tun, solange nichts wirkliches geschehen ist. Nichts wirkliches? Es grauste ihm bei der Vorstellung, was das wirkliche denn sei. Eine knappe Woche später, am Dienstag Abend, lauerte ihm Johannes auf. Auf dem Weg nach Hause passte er ihn ab und erinnerte ihn an die, ihn seinen Worten, ihre Verabredung. Es ginge um die Extremismustheorie und das sei wichtig, dass sich da alle updaten. Johannes machte eine aus Film und Fernsehen sattsam bekannte Fingerbewegung, horizontal zu seinem Hals und verschwand grußlos. Max ging nicht hin. Als Donnerstag Nacht eine Detonation seinen Briefkasten im Hausflur sprengte, war er froh dass es nur der olle Blechkasten war. Als sein Küchenfenster mit einem Stein eingeschmissen wurde, ohne Nachricht, dachte er besorgt, dass die Einschläge schon näher kommen. Als er daraufhin die abgetrennten Bowdenzüge seines Rads bemerkte, wurde es ihm zu viel. Hätte er es erst während der Fahrt bemerkt, er hätte nicht mehr bremsen können und wer weiß was dann… Nein, hier musste Abhilfe her. Er nahm die gelben Seiten. Er brauchte Hilfe. Er suchte nach Aussteigerhotlines. Er fuhr mit dem Finger alle angebotenen Nummern ab: Rechtsextremismus, organisierte Kriminalität, Terrorismus, ismus, LINKSextremismus. Das musste es sein. Er wählte die Nummer und schilderte in halben Sätzen was ihm passiert sei. Die Person am anderen Ende Leitung hörte verständnisvoll zu und unterbreitete ihm ein Treffen außerhalb Münchens. Dann ging alles schnell. Max hieß ab sofort Uwe, trug eine Perücke und bekam einen Job als Blumenwart in Köln Sülz. Von seinen alten Genossen hat er nie wieder was gehört.
Schnitt.
Seit einem Jahr nun gibt es tatsächlich die Aussteigerhotline Linksextremismus. 33 Personen haben diese in den letzten 12 Monaten angerufen. Drei davon waren Elternteile, besorge natürlich. Drei wollten tatsächlich aussteigen. Einer wollte gar nichts von, über oder zu Linksextremismus wissen. Einer aber eben genau das, allgemeine Informationen zu dieser schlimmen Gefahr. Und 25 Anrufer verarschten den Geheimdienstler an der Strippe. ist von einer nicht ernstgemeinten Kontaktaufnahme auszugehen” wie die kleine Anfrage zu diesem Thema diese Personen beschreibt. Von den Drei willigen Aussteigern hatte zwei Strafverfahren am Hals, möglich dass sie sich dadurch strafmildernder Umstände erhofften und eine Person aus Bayern ist am Ende tatsächlich ausgestiegen. Aus dem Zug. Aus der Antifa. Man weiß es nicht.
Die Regierung fasst das ganze so zusammen:
“trotz der zahlenmäßig überschaubaren Anzahl von ernsthaften Anrufern bzw. Ausstiegswilligen handelt es sich um eine sinnvolle Komponente einer mehrdimensionalen Bekämpfungsstrategie und zur Wiedereingliederung von ausstiegswilligen Linksextremisten in die Mehrheitsgesellschaft”
Was für ein Schwachsinn.

Kommentare
12.11.2012 / 08:11 Tagesaktuelle Redaktion, Radio Corax, Halle
gesendet im Morgenmagazin
am 12.11., vielen Dank!
 
16.11.2012 / 17:07 Jelle, Radioprojekt Bremen
zip-fm vom 14.11.2012
Vielen Dank!