Vom Antisemitismusvorwurf, Israels Apartheid und der Dialektik zwischen beidem

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Vielleicht haben Sie es in den letzten Tagen mitbekommen, dass der deutsche Verleger und Journalist Jakob Augstein vom Wiesenthal-Zentrum auf eine Liste der weltweit 10 schlimmsten Antisemiten auf Platz 8 gesetzt wurde. Es funktionierte ja auch in der Vergangenheit immer wieder nur allzu gut, Kritiker der Besatzungspolitik Israels mit diesem Argument gerade in Deutschland in die Defensive zu drängen. Doch selten war die Kritik an dieser Verunglimpfung eines Israelkritikers, der alles andere als ein Judenhasser ist, so einhellig, wie im Fall Augstein.
Wir haben den Nahostkenner, langjährigen außenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Bundestag und Professor für Internationales Recht, Prof. Dr. Norman Paech angerufen und ihn gefragt, ob er das Ausspielen des Antisemitismusvorwurfs gegen Israelkritiker für eine eher zufällige Übertreibung oder für Methode hält.
Audio
09:58 min, 9349 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 04.01.2013 / 17:18

Dateizugriffe: 520

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Andrasch Neunert
Kontakt: andraschn(at)web.de
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 04.01.2013
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Kein Skript vorhanden.

Kommentare
05.01.2013 / 14:10 Ha., Radio Corax, Halle
Widersprüchliche Ressentiment-Rettung und Propaganda
Gleichgesinnten »Nahostkennern« (so werden auch die Experten des ZDF-Frühstücksfernsehens anmoderiert) rhetorische Fragen stellen, ist ganz großes Kino, aber davon abgesehen: Einerseits soll Israelkritik TABU sein und Kritiker mundtot gemacht werden, andererseits stellst Du selbst fest, dass die öffentliche Kritik an der »Verunglimpfung Augsteins« EINHELLIG (!) war (ganz zu schweigen von den Kommentarspalten, dem modernen Stammtisch). Fällt der Widerspruch nicht auf? Was irgendeine Organisation irgendwo auf der Welt im Netz schreibt, warum geilen sich alle daran auf? ********* Die Titanic kommentiert treffend: ************ Augstein meint, »immer häufiger wird Israels Besatzungspolitik mit dem Antisemitismus-Argument gegen jede Kritik in Schutz genommen. Dadurch verliert der Begriff seine Bedeutung und das Thema seine Würde. All das nützt den wirklichen Judenfeinden – und es schadet Israel.« »Immer häufiger« schreiben Journalisten, wenn sie zu faul oder nicht in der Lage sind, ihre Behauptungen zu belegen, zum Beispiel die, Israels Besatzungspolitik werde landauf, landab mit einem sog. Antisemitismus-Argument in Schutz genommen. Nun ist es aber eine verwegene, geradezu übergeschnappte These, es gäbe ausgerechnet in Deutschland, wo »Israelkritik« Volkssport ist und ein Krieg, der mit Hamas-Raketen auf Tel Aviv begann, medial eine arabische Opfergeschichte war, überhaupt so was wie eine pro­jüdische, proisraelische Front. »Darauf spekuliert tatsächlich einer der wesentlichen Tricks von Antisemiten heute: sich als Verfolgte darzustellen; sich zu gebärden, als wäre durch die öffentliche Meinung, die Äußerungen des Antisemitismus heute unmöglich macht, der Antisemit eigentlich der, gegen den der Stachel der Gesellschaft sich richtet, während im allgemeinen die Antisemiten doch die sind, die den Stachel der Gesellschaft am grausamsten und am erfolgreichsten handhaben« ­(Adorno, a.a.O.). Daß die Juden uns den Mund verbieten, ist das Gerücht über die Juden, das nach Adorno der Antisemitismus ist. Wer glaubt, daß es wahr sei, ist ein Antisemit. Augstein ist einer.» (http://www.titanic-magazin.de/essay-augstein.html)
 
10.01.2013 / 20:23 Andrasch, LoRa München, LORA München
ach Leute...
auch durch noch so variantenreiches Wiederholen werden die im kern bornierten, einseitigen und auf bittere Weise reflexhaften Betroffenheitschoere und Verdächtigungen von Kritikern der israelischen Regierungspolitik weder ueberzeugender, noch relevanter, noch wird die derzeitige Politik der Regierung Israels dadurch weniger nationalistisch, diskriminierend, entsolidarisierend und eben im Kern mit der Apartheidspolitik im frueheren Suedafrika substantiell und strukturell vergleichbar. Dass hier zu Teilen der Hamas eine traurige Uebereinstimmung in Stil und Ziel des politischen Handelns erkennbar ist, mindert die Friedenschancen umso mehr. Die friedensfeindlichen Lager beider Seiten brauchen sich gegenseitig, weil nur das wechselseitige Funktionieren der Feindbilder das Ueberleben der jeweiligen korrupten Machteliten ermoeglicht... Wer aber einem Wolf, der von sich selbst behauptet, ein verkleidetes Schaf zu sein, einen Spiegel vorhaelt, ist fuer dessen Identitaet weder verantwortlich, noch ist er an ihr mitschuldig, noch diskriminiert er ihn, er macht sie nur sichtbar.
 
25.01.2013 / 17:36 Ha., Radio Corax, Halle
Widersprüche, Ideologie und Co.
»nationalistisch, diskriminierend, entsolidarisierend« sind auch Politik und Diskurse in Deutschland, wie in allen bürgerlich-kapitalistischen Staaten, nur hat das mit Apartheid noch nichts zu tun. Auch ging es mir nicht um die Verteidigung der Politik der wahrlich üblen Regierung Netanyahu, sondern um die »im kern bornierten, einseitigen und auf bittere Weise reflexhaften Betroffenheitschoere und Verdächtigungen von Kritikern« des israelbezogenen Antisemitismus. Der antisemitische Israelfetisch findet sich nämlich bei Bürgerlichen wie Augstein, bei Linken wie Paech und Dir, bei den geifernden Stammtischen in Kneipen und Kommentarspalten. Dass Ihr als Vertreter der Mehrheitsmeinung Euch doch gleichzeitig als Tabubrecher fühlt, ist Zeichen der gegen Kritik und Reflektion übrigens abgedichteten Ideologie, wie sie die Verhältnisse hervorbringen, die ihr schon lange nicht mehr kritisiert. P.S.: Den »Widerspruch«, auf den ich ursprünglich aufmerksam gemacht habe, konntest Du auch nicht auflösen.