Ausschuss-Update: Sachsensumpf, NSU und Verfassungsschutz

ID 53860
 
AnhörenDownload
Zur Zeit arbeiten im sächsischen Landtag 2 Untersuchungsausschüsse zum Thema Verfassungsschutz. Der Eine, also der Jüngere, genannt der 3. Untersuchungsausschuss soll zum Nationalsozialistischen Untergrund NSU aufklären und wird am Freitag, am 22. Februar, das nächste Mal tagen, unter anderem mit der Fortsetzung der öffentlichen Vernehmung von Olaf Vahrenhold, Vizepräsident des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Der andere Ausschuss, genannt der 2. Untersuchungsausschuss soll zum sogenannten Sachsensumpf aufklären und kam zuletzt am Mittwoch, am 20. Februar, zur fortgesetzten Zeugenvernehmung der früheren Referatsleiterin Organisierte Kriminalität (OK) Simone Skroch zusammen. Außerdem hatte eine Expertenkommission zur Evaluierung des Sächsischen Verfassungsschutzes, von Innenminister Markus Ulbig am 1.8.2012 einberufen, ihren Bericht am Mittwoch, am 20. Februar, vorgestellt.
Audio
09:06 min, 8575 kB, mp3
mp3, 129 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 21.02.2013 / 01:54

Dateizugriffe: 549

Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: AL
Radio: coloradio, Dresden im www
Produktionsdatum: 20.02.2013
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Im Folgenden hören wir also ein kleines Update zu 3 Teilbereichen des sächsischen Verfassungsschutzes, zuerst von der Zeugenaussage von Simone Skroch beim Sachsensumpf-Untersuchungsausschuss am Mittwoch:

Den ersten Teil ihrer Zeugenaussage machte Simone Skroch bereits am 9. Januar. Dazu sollte man als Hintergrundinformation wissen, dass Simone Skroch Leiterin des Referats Organisierte Kriminalität (OK) war, welches am 28. Mai 2006 geschlossen wurde. Das Referat OK ermittelte im Bereich organisierte Kriminalität unter anderem zu Autohandel, Schutzgelderpressung, Raub, Menschenhandel und Waffenhandel, teilweise sollen auch Polizeibeamte und hohe Justizbeamte in kriminelle und mafiöse Strukturen verwickelt gewesen sein, teilweise mit Übergängen in Bereiche, die vom Verfassungsschutz als "Rechtsextremismus" und "Ausländerextremismus" bezeichnet werden. Aber der Verfassungsschutz hat eine andere Arbeitsweise als die Polizei. Der Verfassungsschutz kann zwar ermitteln, muss aber Straftaten nicht zur Anzeige bringen. Die Ermittlungsergebnisse des Verfassungsschutzes sind meist nicht einfach von Gerichten verwertbar, da beim Verfassungsschutz der Informantenschutz wichtig ist und nach der Weitergabe von Hinweisen vom Verfassungsschutz an die Strafverfolgungsbehörden wie Polizei und Staatsanwaltschaften keine Namen von Informanten mitgegeben werden dürfen und diese daher neu ermittelt werden müssen. Simone Skroch führte aus, dass es ihr trotzdem darum gegangen sei, dass Straftaten auch verfolgt werden, gerade um den Eindruck entgegen zu wirken, der Verfassungsschutz würde Straftaten deckeln. Die Abgabe der Ermittlungen an Strafverfolgungsbehörden wurde zunächst im Jahr 2006 nicht genehmigt. Stattdessen wurde das Referat Organisierte Kriminalität am 28. Mai 2006 geschlossen. Im Mai 2007 erfuhr die Öffentlichkeit, dass die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) über den weiteren Umgang der Daten aus dem Referat Organisierte Kriminalität des Verfassungsschutzes entscheiden müsse, nachdem der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig diese Datensammlung entdeckte. Dies hieß fortan Sachsensumpf. Der damalige Innenminister Albrecht Buttolo ordnete sofort an, alle Erkenntnisse aufzuarbeiten und den Strafverfolgungsbehörden abzugeben. Es wurden teilweise vorschnelle Ermittlungsverfahren gegen die Verdächtigen eingeleitet und die Presse informiert. Das Problem des Quellenschutzes blieb. Bald wurde der Sachsensumpf von offizieller Seite allerdings als bloß "heiße Luft" einer übereifrigen Ermittlerin runtergestuft, gegen die dann in mehreren Verfahren selbst ermittelt wurde, unter anderem wegen Verleumdung, Falschaussage, Verfolgung Unschuldiger und Verrat von Dienstgeheimnissen. Sie soll unter andern ihre Ermittlungen auf zu wenige Quellen gestützt haben. Beim Untersuchungsausschuss am Mittwoch, am 20. Februar, sagte Simone Skroch aber, dass beim Landesamt für Verfassungsschutz bei ihrer letzten Akteneinsicht zur Vorbereitung ihres Termins am Mittwoch bestimmte Akten nicht auffindbar waren, unter anderem die Ordner, in denen sich die Übermittlungen des Referats OK an andere Verfassungsschutzämter und an ausländische Nachrichtendienste befanden. Bei den verbliebenen Akten wären umfangreiche Schwärzungen, insbesondere welche Informationen zu extremistischen Bestrebungen im Zusammenhang mit dem Referat OK beinhalten. Bereits am 9. Januar führte Simone Skroch aus, dass von der Werbungsvorlage Asterix, die auch im Verfahren gegen sie eine Rolle spielt, nur noch eine gefälschte Version vorhanden sei und dass Quellenberichte aus dem Zeitraum 2004 bis 2006 mit 7 verschiedenen Auskunftspersonen verschwunden seien, von denen aber noch Spesenabrechnungen vorhanden seien und mit denen die Anzahl der Quellen höher liegen würde, als dann später behauptet. Die meisten Quellen seien später abgeschaltet wurden. Einige seien aber von anderen Referaten übernommen wurden, unter anderem vom Referat Rechtsextremismus, der vom Verfassungsschutzvizepräsident Olaf Vahrenhold geleitet wird. Darunter sollen Führungspersönlichkeiten sein.
Besonders eingegangen wurde im Sachsensumpf-Untersuchungsausschuss am 20. Februar auf den 3. Juli 2007, der Tag, an dem Simone Skroch vom damaligen Verfassungsschutzpräsidenten Reinhard Boos fallengelassen wurde, nachdem der Sachsensumpf 1 1/2 Monate in der Öffentlichkeit war. Am 1. Arbeitstag nach einem lang geplanten Urlaub fehlte der Schlüssel zum Panzerschrank. Dann sollte Simone Skroch unvorbereitet und immer kränker zu einer Zeugenvernehmung zur Staatsanwaltschaft. Nach ihrer Rückkehr beim Verfassungsschutzamt soll sie auf medizinische Hilfe angewiesen gewesen sein. 2 herbeigekommene Sanitäter wollten sie mit ins Krankenhaus nehmen, mussten aber mehr als eine Stunde warten, weil sie noch eine Befragung mit Drohungen und Geheimnisverratsanschuldigungen von Präsident Boos im Beisein von Vizepräsident Vahrenhold über sich ergehen lassen musste. Dabei soll sie Todesangst und einen Kreislaufzusammenbruch gehabt haben. Später hat sie deswegen Boos und Vahrenhold angezeigt. Ihre Aussage deckt sich dabei mit den Aussagen der beiden Sanitäter, welche teilweise im Ausschuss verlesen wurden. Auf einige Fragen vor allem vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Patrick Schreiber (CDU) wollte Simone Skroch nicht antworten, da gegen sie noch Verfahren laufen, um sich nicht selbst zu belasten. Außerdem durfte sie auch Vieles nicht in öffentlicher Sitzung sagen. SPD-Obmann Karl Nolle ließ es sich nicht nehmen, den Verfassungsschutz als "Institution zum Wegfinden von Akten" und die CDU-Ausschussmitglieder als Blockflöten und "schwarzen Block" zu beschimpfen. Die Befragung der ehemaligen Referatsleiterin Organisierte Kriminalität beim sächsischen Verfassungsschutz wird am 8. März im Untersuchungsausschuss in nicht-öffentlicher bzw. geheimer Sitzung fortgesetzt.

Sollten die Anschuldigungen der Aktenvernichtung und der Fälschung von Beweismitteln bei oder zum Zwecke von Ermittlungen gegen Verfassungsschutzmitarbeiter in der Sachsensumpfaffäre stimmen, in die Verfassungsschutzvizepräsident Olaf Vahrenhold involviert wäre, wäre die Frage, wie dessen Aussagen gegenüber dem NSU-Untersuchungsauschuss zu bewerten wären, wo ja auch der Vorwurf der Aktenvernichtung im Raum steht. Dass die fortgesetzte öffentliche Zeugenaussage von Olaf Vahrenhold am Freitag, am 22. Februar, im sächsischen NSU-Untersuchungsausschuss Substanzielles erbringen werden, ist ohnehin nicht zu erwarten, jedenfalls nicht, wenn lediglich die Aussagen vom 21. Januar fortgesetzt werden. Damals waren bald mehr Informationen durch die Abgeordneten, die sich durch die Presse informierten, zu erfahren, als vom Verfassungsschutzvizepräsidenten selbst, der sich entweder nicht detailliert erinnern konnte, oder mit dem Fall nicht betraut war und der ausführte, dass das Landesamt für Verfassungsschutz nur Akten vernichtet hätte, die mit dem Fall NSU nichts zu tun hätten. Immerhin lebten die NSU-Mitglieder jahrelang in Zwickau, was ja in Sachsen ist.

Am Mittwoch, am 20.Februar, hat außerdem eine Expertenkommission zur Evaluierung des Sächsischen Verfassungsschutzes ihren Bericht vorgestellt. Der Expertenkommission gehört unter anderem Monika Harms (Generalbundesanwältin a.D.) an. In einer Pressemitteilung wurde der bereits begonnene Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutzämtern und Polizei gelobt. Der Verfassungsschutz solle Fortbildung und den Anteil an Stellen des gehobenen Dienstes erhöhen. Geisteswissenschaftler sollten eingesetzt werden. Der Verfassungsschutz sollte mehr Öffentlichkeitsarbeit machen, ein Projekt zur Stärkung der Zivilcourage gegen Extremismus ins Leben rufen, die Aktenverwaltung optimieren, im Bereich der Nachrichtenbeschaffung ein kennzahlengestütztes Führungsunterstützungssystem einführen, das eine umfassende fachliche und wirtschaftliche Bewertung des Einsatzes von nachrichtendienstlichen Personen erlaubt. Der Landtag soll einen „Verfassungsschutzbeauftragten“ berufen. Grüne und Linke kritisierten diese "Reformen" in Pressemitteilungen als unzureichend.


siehe auch:

Expertenkommission legt Bericht vor:
http://www.medienservice.sachsen.de/medi...

Ermittlungen gegen Sachsensumpf-Ermittlerin und Schwund beim VS:
http://www.freie-radios.net/53065

Kommentare
21.02.2013 / 14:15 Richie,
Verwendet in ZipFM vom 21.02.
Danke