Bouncemusik aus New Orleans

ID 55771
 
Ein gebauter Beitrag über queere Bouncemusik, und die damit verbundene Partykultur in New Orleans. Mit Musikbeispielen.
Audio
13:48 min, 19 MB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 04.05.2013 / 00:41

Dateizugriffe: 5

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur, Schwul, Frauen/Lesben, Musik, Internationales
Entstehung

AutorInnen: sakura
Radio: Transgenderradio Ber, Berlin
Produktionsdatum: 04.05.2013
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Was ihr eben gehört habt war das Stück „Tiddy Bop“ von Katey Red. Katey Red ist eine queere Bouncemusikerin aus New Orleans. Seitdem sie in den späten 90er jahren begann zu performen, gibt es so viele queere Bouncemusiker_innen, dass manche von einem eigenen Bouncegenre sprechen, dem Sissy Bounce. Sissy bounce unterscheidet sich nur an einem einzigen Punkt von allem anderen Bounce, und das ist, dass besonders viele queere Musiker_innen inzwischen diese Musik machen. Eine der ersten dieser Musiker_innen ist Katey Red. Sie sagt, Bounce wurde von Sissies übernommen. Sissie Bounce existiere nicht, es sei einfach Bounce der von Sissies gemacht werde.

Wie ihr schon hören konntet, ist Bounce ein Hiphopstil, der sehr bass-, beatlastig und schnell ist. Vor allem ist es aber auch ein Tanzstil. Bounce ist Partymusik, die live stattfindet, denn ein wichtiger Bestandteil ist „call and respond“, also der Frage und Antwortgesang zwischen MC und Publikum. Wie in anderen Rap- und HipHop-Stilen gibt es die MCs die für den Rapgesang und die Performances verantwortlich sind, und die DJs, die die Musik mischen, aber zum Teil auch live erzeugen.
Der Tanzstil von Bounce besteht vor allem aus Bootyshaking, also Arschwackeln, im schnellen Rhythmus der Musik. Dazu passen die oft sehr sexualisierten Texte, in denen es neben den Neighbourhoods der Musiker_innen oft um schwulen Sex, oder männliche Prostitution und ähnliche Themen geht. Die MCs rappen auch Aufforderungen zum Tanzen an das Publikum

Die meisten Tänzer_innen sind weiblich und/oder queer, und strecken beim Tanzen den größtenteils schwulen und oder transgender MC's ihre wackelnden Hintern entgegen.
Der „Call and Response“ Gesang geht auf eine lange Tradition des Mardi Gras in New Orleans zurück, und hat sowohl afroamerikanische als auch nativamerican-Wurzeln, die sich in New Orleans unter der weissen Vorherrschaft früh vermischt haben.

Nachdem Katey Red als Türöffnerin im Bounce gewirkt hat, kamen schnell weitere schwule und transgender Musiker_innen dazu, wie Big Freedia und Sissy Nobby. Alle bekannten Bounce Musiker_innen sind aus New Orleans, und die allermeisten von ihnen sind schwarz, schwul oder trans* meist alles zugleich. Ausserhalb von New Orleans wurde Bounce vor allem in Folge des Hurrikans Katrina von 2005 bekannt. Durch die Evakuierung ihrer Stadtteile waren die Musiker_innen gezwungen, in anderen Teilen der USA mit der Musik ihr Geld zu verdienen.

Bei Bounce werden wenige Musikstücke und Beats von den DJs immer wieder gesampled und neu gemischt, vor allem der „triggerman beat“ aus dem Song „Drag Rap“ von den showboys, und „brown beat“ von Cameron Paul, dazu wird dann von MCs gerapt.
Für diese Form der Musik funktioniert kein Copyright, so dass die Musik ausserhalb der schwarzen und queeren Clubkultur von New Orleans nie Mainstream wurde. Ohne Copyright konnte sie nicht so gut von weissen Mainstreammedien verbreitet und kommerzialisiert werden, wie es mit so viele anderer subkultureller Musik vor Bounce geschehen ist.

Ein anderer Grund dafür sind wohl die explizit sexuellen Inhalte. Auch der Tanzstil ist sehr sexuell. Bounce heisst soviel wie hüpfen, wackeln. Und zwar vornübergebeugt mit dem zu den MCs hochgereckten Hintern. Das ist vielen heterosexuellen Männern wohl unangenehm, daher ist das tanzende Publikum vor allem weiblich und /oder queer.

Bounce live zu performen erfordert einiges an stimmlichen und tänzerischen Fähigkeiten, und als Konservenmusik macht Bounce nur begrenzt Sinn. Durch die schnellen Beats funktioniert es schlecht als Hintergrundmusik, auch nicht, wenn es als Sample in anderen Musikrichtungen verwendet wird.

Die Musiker_innen verdienen ihr Geld vor allem mit Auftritten und der dort verkauften Musik. Sie kennen sich untereinander, viele performen gemeinsam und die Texte werden gegenseitig übernommen und zitiert. Aber es gibt auch gelegentlich Gedisse unter den unterschiedlichen Stadtvierteln von New Orleans.

Als Katey Red mit ihrer Musik bekannter wurde, gab es Bounce schon fast 10 Jahre. Aber auch vor Katey Red gibt es eine lange Tradition queerer Musiker_innen in New Orleans. Dennoch ist auch dort nicht nur in Rap und HipHop Homophobie und Cissexismus ein Problem, was die große queere Präsenz in dieser Musikrichtung noch beeindruckender macht.
Viele der Musiker_innen sind miteinander befreundet, und es gibt eine grosse gegenseitige Unterstützung bis hin zu Mutter-Tochter-Beziehungen der Älteren zu den jüngeren Musiker_innen.

Die Musik wirkt sehr empowernd, gerade auch für Leute, die oft in der Musik nicht so präsent sind, und es scheinen auch einfach sehr exzessive Partys zu sein. Jetzt hört ihr noch ein weiteres Stück von Katey Red, es heisst „don't speak“. Auf unserer Website könnt ihr auch Links zu Videos und mehr Informationen zu Bounce finden.