"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Pofalla -

ID 61055
 
AnhörenDownload
Ich habe ja nichts gegen eine Karenzzeit von 5 Jahren, während der ein Wechsel aus hohen politischen Ämtern in Führungspositionen in der Wirtschaft nicht möglich ist, wie dies Katja Kipping fordert, aber dass der Wechsel des ehemaligen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla in den Vorstand der Deutschen Bahn irgend etwas mit Korruption zu tun hat, das werden wohl nicht einmal Transparency National und International und Global und Universal behaupten wollen, obwohl sie es gerne getan hätten, wie ihr Rülpser vom Verfall der politischen Sitten belegt.
Audio
10:30 min, 24 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 07.01.2014 / 11:11

Dateizugriffe: 380

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 07.01.2014
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Der SPD-Staatssekretär Kelber seinerseits benutzte die Gelegenheit, um sich gleich zu Beginn seiner Amtszeit öffentlich als Trottel zu erkennen zu geben, der von gar nichts keine Ahnung nicht hat. Er ließ verlauten, es entstehe der Eindruck, dass Pofalla gezielt gekauft worden wäre. Genosse Kelber: Mit welchem Ziel sollte der Staatsbetrieb Deutsche Bahn denn einen Politiker kaufen, der noch nie in seinem Leben einen Zug von innen gesehen hat? Frau Merkel hat keinen Platz mehr für Ronald Pofalla, deshalb wird er gewechselt, und weil gerade sonst nix frei war, rückten die Damen und Herren im DB-Vorstand etwas enger zusammen, das heißt die 7 Herren und die ehemalige BMW-Managerin Heike Hanagarth, welche dazu bestimmt ist, die Technik-Probleme der Bahn zu lösen. Pofalla wird kein einziges Problem der Deutschen Bahn lösen und, so Gott will, auch keine neuen schaffen.

Nein, die deutschen Unternehmen, egal, ob in Staatsbesitz oder in privaten Händen, brauchen keine Politiker zu kaufen, um irgendwelchen Zugang zur Regierung zu erlangen. Wenn die Deutsche Bank ein Finanzmarkt-Regulierungsproblem hat, dann trinkt der Vorstandsvorsitzende mit der Kanzlerin eine Tasse Tee, und wenn die Kanzlerin eine Kapitaltransaktionssteuer einführen will, dann trinkt sie eine Tasse Tee mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, so und nicht anders hat man sich das vorzustellen. Und wenn man sich Deutschland als ein Gesamtsystem vorstellen will oder für Poststrukturalisten: als eine Gesamtstruktur, dann hat das auch seine Richtigkeit so. In Deutschland braucht man nicht zu schmieren oder zu kaufen. Das ist eben die Substanz eines sozialdemokratischen Staatswesens. Ganz anders ist dies in anderen Ländern, zum Beispiel in Griechenland, davon können Krauss Maffei Wegmann, Rheinmetall und Atlas einen Formel-I-Hit pfeifen. Just zu Beginn des neuen Jahres wurden erneut Bestechungsvorwürfe bekannt gegen diese schönen Rüstungsfirmen. Es geht um Lieferungen just in jenem Zeitraum, in dem Griechenland in die Euro-Zone aufgenommen wurde. Etwas zuvor hatte es Zoff gegeben mit der Türkei, die damals noch nicht von der AKP regiert wurde, um ein paar Quadratmeter Steine und Felsen in der Ägäis, da müssen natürlich mit Segen der Nato U-Boote geliefert werden und Panzer zum Schutz des Nato-Partners Griechenland vor dem Nato-Vorposten Türkei. Und dass die Schmiergelder über Schweizer Banken abgewickelt wurden, versteht sich sowieso von selber. Immerhin gibt das einige zusätzliche Hinweise darauf, dass damals bei den Bilanzfälschungen anlässlich der gloriosen Begrüßung des Griechen-Staates in der Euro-Gemeinschaft nicht nur und vielleicht nicht einmal vor allem die internationale Finanzkrake Goldman-Sachs ihre Hände im Spiel hatte, sondern dass es eben damals noch um ein paar regionalpolitische Elemente ging, mit denen der angeblich islamistische Premierminister Erdogan anschließend ziemlich gründlich aufgeräumt hat.

Die Türkei ist und bleibt unterdessen der zentrale Anker der europäischen Nahostpolitik mit einer geradezu ungeheuren Stabilität im Vergleich zu den Nachbarländern Syrien und zum Irak. Im Irak erhält Uncle Sam die Quittung für den Einmarsch vor über zehn Jahren mit Zins und Zinseszinsen. Seit der Oberkommandierende Trottel Wilhelm Busch die nicht existierenden Chemiewaffen als Grund für die Invasion erfunden hat, ist das Land ein Melting Pot aller möglicher nichtstaatlicher oder antistaatlicher Organisationsformen, von der Al Kaida über die Schiiten bis zu den Sunniten, wobei eben das bevorzugte Kommunikationsmittel in den letzten Jahren Selbstmordattentate waren, aber neuerdings besetzen Sunniten und Al-Kaida-Verbände ganze Städte, was allgemein auf zwei Faktoren zurückgeführt wird: einerseits auf den Bürgerkrieg in Syrien, bei dem die USA seit ein paar Jahren ihre eigenen Gegner mit modernen Waffen ausstatten, ganz ähnlich wie zwanzig Jahre zuvor in Afghanistan, und anderseits auf den offenbar nicht besonders begnadeten Regierungschef Maliki, der die Finanzierung der lokalen sunnitischen Milizen eingestellt hat, worauf diese begonnen haben, statt gegen mit der Al Kaida zu kämpfen. Den größeren Spannungsbogen, einmal abgesehen vom Fernduell zwischen den USA und Russland, sieht man generell zwischen Saudi¬ara¬bien und dem Iran, wobei der Iran in Syrien um die Aufrechterhaltung der Verbindung zur Hisbol¬lah im Libanon kämpft. Über die Ziele der Saudis mag ich dagegen nicht einmal spekulieren, vor allem, seit im letzten Jahr die erste Frau ihren Autofahr-Führerschein gemacht hat. Das ist ja absolut unerhört. Überhaupt habe ich gelesen, dass Qatar als Vorreiter der internationalen Frauen¬bewe¬gung zu den nächsten Olympischen Spielen erstmals auch Frauen entsenden wird. Vielleicht ist dies der wahre Grund dafür, dass die FIFA ihre übernächsten Fußball-Weltmeisterschaften dort durchführen wird, wer kann schon so etwas wissen. Vielleicht zieht Saudiarabien in zirka fünfhundert Jahren nach. So oder so tobt in Syrien und im Irak gegenwärtig ein Bürgerkrieg mit sehr vielen Facetten, und wenn es gelingt, Ende Januar für Syrien einen Waffenstillstand herzustellen, dann können wir von einem kleinen Wunder sprechen. Unterdessen steht aber wie eine eins die Türkei als unsere Wacht am Rhein.

Aus den USA erreichen uns zwei Nachrichten: Erstens hat Sergio Marchionne jetzt auch noch die restlichen Anteile an Chrysler für Fiat aufgekauft, und zweitens wurden im letzten Jahr wieder über 15 Millionen Neuwagen verkauft, was ungefähr im Bereich vor der Finanzkrise liegt. Da hatte ich doch gehofft, dass die Finanzkrise wenigstens einen kleinen positiven Effekt hätte, indem sie die Anbindung der Wirtschaft an die Automobilbranche etwas lockern würde, und schon steht der Sektor wieder auf beiden Beinen, als wäre nie etwas gewesen. Gut, es dürfte bis zu ein Drittel weniger Beschäftigte haben, die Automobilstadt Detroit steht als solche zum Verkauf, aber die Branche als ganze hält sich unglücklicherweise weiterhin ausgezeichnet. Aber wem sage ich das. Auch Deutschland baut sein Wirtschafts- und Jobwunder weiterhin auf die rollende Einzimmer¬woh¬nung, die dank GPS und Bordcomputer immer mehr mit dem Wagenlenker oder mit der Wagenlenkerin zusammenwächst und unterdessen ihrerseits sämtliche persönliche Daten erhebt. Der Sektor floriert derart wunderbar, dass ich gar nicht die Kraft habe, meine grundsätzlichen Einwände wieder auf den Tisch zu legen, nicht einmal angesichts des Smogs in den neu automobilisierten chinesischen Großstädten. Im Prinzip ist ja auch nicht dies die wichtige Entwicklung in den Schwellenländern und eben zumal in China, sondern der steigende Wohlstand, der gleichbedeutend ist mit steigendem Konsum. Unterdessen ist die Armutsgrenze in China schon so weit nach Westen gewandert, dass das Land unterdessen seinerseits im Ausland produzieren lassen muss, zum Beispiel in Kambodscha, und wenn es nun in Kambodscha zu richtiggehenden Lohnstreiks kommt, dann muss man nicht nur freudig applaudieren, sondern auch laut heraus lachen darüber, wie schnell und klassisch der Industrialisierungsprozess jetzt die Tiefe von ganz Ostasien erfasst. Weiter so, Freunde, und wenn es halt um den Preis von ein paar Jahren Luftverschmutzung ist. Insgesamt ist die Entwicklung eben doch nur positiv.

Um noch einmal auf die Korruption zurückzukommen: Wenn der SPD-Staatssekretär Kelber im Fall Pofalla und Deutsche Bahn von einem gezielten Einkauf spricht, so ist er wohl der einzige, der sich nicht an den wirklich epochalen Vorgängerfall erinnert, nämlich an den anderen Wechsel des SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder zum russischen Energiegiganten Gasprom. Ich räume ja sehr gerne auch hier mildernde Umstände ein, zum Beispiel die Verteilung von Risiken bei der Energiezufuhr auf mehrere Zulieferer und auf unterschiedliche Energieträger, alles klar und gebongt, und trotzdem kostet es doch Zeit und Nerven, über Pofalla auszurufen und dabei diesen glasklaren und lupenreinen Bestechungsfall beiseite zu lassen. Ich weiß gar nicht, ob ich euch schon erzählt habe, dass sich auch in der Schweiz ein ähnliches Müsterchen zugetragen hat, nämlich mit dem ehemaligen Armenadvokaten Moritz Leuenberger, der als Leiter einer Parlamentarischen Untersuchungskommission über die Verbandelung einer Bundesrätin mit ihrem Ehemann vor fünfundzwanzig Jahren einen ganz anderen Fall aufgedeckt hat, nämlich einen Vorläufer des heutigen NSA-Skandals, damals aber noch mit dem Mittel des Papiers, also mit so genannten Fichen, welche unser Inlandgeheimdienst über mehr als zehn Prozent der Bevölkerung angelegt hatte, die natürlich im Verdacht der kommunistischen Subversion standen. In der Folge wurde der Armenadvokat Leuenberger für die Sozialdemokratische Partei in den Bundesrat gewählt und vergab während den letzten paar Jahren seiner Amtstätigkeit unter anderem als oberster Herr über Straße und Schiene Bauaufträge in Milliardenhöhe an verschiedene Bauunternehmen. Nach seinem Ausscheiden vor gut vier Jahren ließ er es sich nicht nehmen, in den Verwaltungsrat des größten Bauunternehmens zu wechseln, angeblich weil er da irgendwelches Fachwissen über umweltgerechtes Bauen von was weiß ich, vermutlich eben Autobahnen einbringen könne. Für einen Sozialdemokraten war diese direkte Vorteilsnahme damals derart unverfroren, dass niemand auf die Idee kam, daraus einen Skandal zu basteln, zumal diese Sorte von Wechseln bereits eine lange Tradition bei den bürgerlichen Amtskollegen hatte; der letzte FDP-Bundesrat mit einem bedeutenden Verwaltungsratsmandat war unser Herr Fahrrad- und Zigarrenfabrikant Villiger, der nach der Finanzkrise und während der Sanierung ein paar Jahre lang den Verwaltungsratsvorsitz der Großbank UBS inne hatte. Aber eben, bei Sozialdemokraten gab es so etwas eigentlich gar nicht. Und als es das dann doch einmal gab, eben bei unserem Moritz, da war das Abenteuer doch nur von kurzer Dauer; die Implenia hat ihn nach zwei Jahren bereits wieder rausgeschmissen wegen offensichtlicher Inkompetenz. Aber das ist wieder eine andere Story.