Wasserprivatisierung - wie lange kann sich München wehren?

ID 6285
 
Ein Kommentar von Alexander v. Dercks zu den Risiken der Wasserprivatierung. Trotz einhelliger Überzeugung des gesamten Stadtrats ist Gefahr in München noch nicht gebannt.
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05:15 min, 2462 kB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 02.03.2004 / 14:00

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Umwelt
Entstehung

AutorInnen: Alexander v. Dercks (Greenpeace München)
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 29.01.2004
keine Linzenz
Skript
Wir haben nunmehr einiges über die Folgen der Wasserprivatisierung in anderen Städten und Ländern gehört. Was Sie als unsere Zuhörer sicher noch mehr interessieren dürfte ist die Frage, wie es in München aussieht.

Vorab ist fest zu stellen: München hat ein Trinkwasser, um das uns sehr viele andere Großstädte beneiden. Unser Trinkwasser liegt bei allen Schadstoffen unter den zulässigen Grenzwerten, zum Teil werden die Grenzwerte deutlich unterschritten. Unser Wasser ist sogar für die Zubereitung von Säuglings- und Krankennahrung geeignet, denn es erfüllt die Grenzwerte der Mineral- und Tafelwasser-Verordnung. Ein Beispiel: Das Nitrat, mit der wichtigste Indikator. Der Grenzwert der Trinkwasserverordnung liegt bei 50 mg/l, Münchener Leitungswasser hat im Schnitt lediglich 7 mg Nitrat pro Liter.

Mit der Initiative „Öko-Bauern“ fördern die Stadtwerke gezielt den ökologischen Landbau im Einzugsbereich der Wassergewinnung und beugen so langfristig einer Verunreinigung des Trinkwassers vor. Über 100 Landwirte haben ihren Betrieb bereits auf die grundwasserschonende Landwirtschaft umgestellt. Zusammen bewirtschaften diese Landwirte eine Fläche von rund 2.500 Hektar – das größte ökologisch bewirtschaftete Gebiet in Deutschland. Dass dies auch Erfolg hat beweisen permanente Untersuchungen - ein Labor überprüft Monat für Monat 1.200 Proben mikrobiologisch und weitere 40 Proben chemisch.

Nicht vergessen werden sollte, dass der Verbraucher das Münchener Wasser nahezu konkurrenzlos billig bekommt - in den meisten anderen Regionen in Deutschland ist Wasser erheblich teurer. 1000 Liter - das sind ca. 3 Badewannen voll - kosten in München gerade einmal 1,23 Euro.

Die Privatisierung des Wassers setzt alle diese Vorteile aufs Spiel. Wie steht es nun in München mit der Privatisierung? Die gute Nachricht zuerst: Parteiübergreifend steht der Münchener Stadtrat hinter der Wasserversorgung in öffentlicher Hand. Zwar sind die Stadtwerke derzeit privatrechtlich organisiert - nämlich als GmbH. Die Gesellschaftsanteile liegen jedoch zu 100% bei der Stadt. Gefahr droht jedoch von der EU. Die EU-Kommission würde über die Trinkwasser-Privatisierung entscheiden, und zwar nur, wenn dies z. B. die Deutsche Bundesregierung dort beantragen würde. Sieht die Kommission dann die Wasserversorgung als eine unternehmerische Tätigkeit an, so müsste diese ausgeschrieben werden, so wie z.B. ein Bauprojekt. In der Folge könnten sich private Unternehmen um die Übernahme bewerben und müssten auch den Zuschlag erhalten, z.B. wenn diese Privaten das Wasser günstiger liefern können.

Deutsche Industrieverbände fordern den Wettbewerb am Wassermarkt. Das ist schwer verständlich, denn die Industrie nutzt überwiegend Wasser aus eigenen Brunnen. Auch die Weltbank und die Deutsche Bank plädieren für eine Liberalisierung. Und gänzlich unverständlich erscheint, dass auch das Bundeswirtschaftsministerium diese Privatisierungsbestrebungen unterstützt. Dieser Druck wirtschaftlich interessierter Kreise könnte sehr leicht auch die EU-Kommission beeinflussen. Wettbewerb soll die Preise senken – mit dieser neoliberalen Theorie greift man nun also auch nach dem Wassermarkt. Mit möglicherweise verheerenden Folgen

Nicht vergessen werden sollte, dass die erzwungene Liberalisierung des Wassermarktes ein Verstoß gegen das Grundgesetz wäre. In Artikel 28 Grundgesetz heißt es::

„Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln“.

Gerade aber diese "Verantwortung" wird durch Privatisierung abgegeben. Die Handlungsspielräume der Kommunen würden dabei bis auf Null zurückgehen!. Dies betrifft insbesondere auch die Verantwortung für die Daseinsvorsorge, die jede Gemeinde für ihre Bevölkerung hat.

Die vorgesehene Privatisierung verletzt aber auch andere Ziele des GG, in denen u.a.

„die Kommune zur gleichmäßigen materiellen Sicherstellung der Grundbedürfnisse verpflichtet ist“.

Eine private Betreiberfirma - möglichst noch auf internationaler Ebene - ist an das Grundgesetz nicht gebunden.

Was aus der Privatisierung und einem kurzfristigen Preisvorteil letztlich werden kann sehen wir in anderen Ländern wie England, Frankreich und Italien: Mittelfristige Verschlechterung von Wasserqualität und Wasserangebot, steigende Preise, kaum Investitionen in die Leitungsnetze und Abbau von Arbeitsplätzen. Denn private Unternehmen wollen Gewinne erwirtschaften. Hiergegen gibt es in einer sozialen Marktwirtschaft auch nichts einzuwenden: Unternehmen müssen Gewinne erwirtschaften, wenn sie konkurrenzfähig bleiben wollen. Was sich hierfür jedoch nicht eignet, das ist ein so lebenswichtiges Gut wie Wasser. Millionen, ja Milliarden Menschen beneiden uns um unsere Wasserqualität. Es wäre unverantwortlich, diese natürliche Lebensgrundlage und unersetzliche Ressource zum Spielball wirtschaftlicher Interessen zu machen. Hoffen wir, dass unsere politischen Vertreter weiterhin mit Nachdruck den Privatisierungs-Bestrebungen Paroli bieten.