Sachsensumpf-Minderheitenbericht vorgestellt

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Sachsensumpf ist der Name einer Korruptionsaffäre, die seit Mai 2007 der Öffentlichkeit bekannt ist. Das Material dazu wurde bis Mai 2006 vom Sächsischen Verfassungsschutz zusammengetragen. Nach dem Bekanntwerden des Sachsensumpfes sollten die Staatsanwaltschaften ermitteln und Verfahren einleiten. Bald wurde die Korruptionsaffäre als bloß "heiße Luft" abgetan. Dennoch gibt es seit Juli 2007 einen Landtags-Untersuchungsausschuss zum Sachsensumpf. Dass heißt, es gab diesen Untersuchungsausschuss in 2 Legislaturperioden. Weil die jetzige Legislaturperiode bald zuende ist, am 31. August wird ein neuer Sächsischer Landtag gewählt, beendet der Sachsensumpf-Untersuchungsausschuss nun seine Arbeit mit einem Abschlussbericht, der am 10. Juli, also am Donnerstag nächster Woche im Landtag diskutiert werden wird. Weil es im Sachsensumpf-Untersuchungsausschuss eine Mehrheit von CDU- und FDP-Abgeordneten gibt, so wie im gesamten Landtag auch, hat die demokratische Opposition aus Linken, SPD und Grünen am Mittwoch, am 2. Juli, auf einer Pressekonferenz in Dresden einen eigenen Minderheitenbericht zum Sachsensumpf vorgestellt. Wie zu erwarten differiert der zum offiziellen Abschlussbericht.
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Upload vom 03.07.2014 / 00:15

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: AL
Radio: coloradio, Dresden im www
Produktionsdatum: 02.07.2014
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Im Sachsensumpf-Minderheitenbericht heißt es unter anderem:

"Der zentrale Befund des 2. UA besteht aus Sicht der einsetzenden Fraktionen in der Feststellung, dass durch Versäumnisse und Fehlentscheidungen sowie ein politisches Klima der Abwiegelung und Abmoderation seitens der Staatsregierung eine tatsächliche, rechtsstaatliche Aufklärung der möglichen Existenz von Personengeflechten „krimineller und korruptiver Netzwerke“ in Sachsen nie ernsthaft in Angriff genommen wurde und damit im Ergebnis (gezielt) verhindert worden ist."
[...]

"Die Weisung des Staatsministers des Inneren zur vollständigen Auswertung der vier Fallkomplexe und Übergabe von für die weitere Strafverfolgung potenziell relevanten Erkenntnissen wurde durch das LfV nur zu einem geringen Teil umgesetzt. Die Umsetzung erfolgte lediglich durch die von der ehemaligen Leiterin des OK-Referats in großer
Eile verfassten sogenannten Behördenbriefe, die mit Datum vom 24. Mai 2007, 1. Juni 2007 und 5. Juni 2007 an die Staatsanwaltschaft Dresden bzw. in zwei dieser Fälle zeitgleich an die Generalbundesanwältin übergeben worden waren. Nur in diesen genannten Fällen erfolgte überhaupt ein Versuch, den mit der Weisung des Staatsministers des
Innern klar formulierten Auftrag zur Verdichtung des Aktenmaterials zu möglicherweise strafrechtlich relevanten Befunden durch Mitarbeiter des LfV ernsthaft zu erfüllen."
[...]

"Nach dem 5. Juni 2007 werden zu weiteren Fallkomplexen nur noch unaufbereitete, unverdichtete, dafür aber zusätzlich geschwärzte umfangreiche Aktenmaterialien an die
Staatsanwaltschaft Dresden übergeben, die von vornherein kaum eine eigenständige staatsanwaltschaftliche Ermittlung mit dem erforderlichen Verständnis des Informationsgehalts aus den Strukturermittlungen des OK-Referats im Hinblick auf mögliche Straftaten zulassen.
[...]

"Gleichzeitig wird eine äußerst intensive Abstimmungstätigkeit zwischen dem Landesamt für Verfassungsschutz und der Staatsanwaltschaft Dresden sichtbar, die an der Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und Objektivität sowie überhaupt an dem Vorhandensein eines eigenständigen Ermittlungskonzepts auf Seiten der Staatsanwaltschaft erhebliche
Zweifel aufkommen lässt. Aus dem LfV heraus wird offensichtlich über die Verbindung zu Presse und Rundfunk/Fernsehen die „Steuerung“ der öffentlichen Meinung via Pressekonferenz bzw. gezielten informellen Kontakten zu ausgewählten, der Sichtweise des LfV nahestehenden Journalisten betrieben. Diese unter dem Deckmantel der „Transparenz“ und informativer Offenheit erfolgende Kommunikation mit Vertretern der Medien steht in einem erkennbaren zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit der Schrittfolge im Verlauf der Realisierung der mit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten des LfV Boos einsetzenden Umkehrung der Vorwürfe."
[...]

"Originäre eigenständige oder gar Strukturermittlungen, wie sie angesichts der Masse der Informationen, die in Form von Dossiers oder als (geschwärztes) Aktenmaterial an
die Staatsanwaltschaft Dresden abgegeben worden waren und unabdingbar gewesen wären, wurden nicht durchgeführt. Weder die Ausstattung der bei der Staatsanwaltschaft gebildeten Ermittlungsgruppe noch die Qualifikation ihres Leiters bzw. des mit der Bearbeitung der meisten Verfahren betrauten Staatsanwalts Christian Kohle waren geeignet, die enorme Herausforderung einer sachgerechten Aufarbeitung der mit geheimdienstlichen Mitteln zusammengetragenen Informationen zu den OK-Beobachtungskomplexen des LfV umzusetzen."
[...]

"Es fällt auf, dass sich seit 2007 bis heute kein unabhängiges Gericht mit den Ursachen, Hintergründen und Entwicklungen um den „Sachsen-Sumpf“ beschäftigt hat. Allenfalls
sind die in Sachsen besonders weisungsgebundenen Staatsanwaltschaften und unter diesen vor allem die eigentlich fachlich und personell überforderte Staatsanwaltschaft
Dresden, tätig geworden."
[...]

"Dem staatsanwaltschaftlichen Team um OStA Schwürzer ging es eigentlich nur um den Schutz des (Frei-)Staates vor der üblen Nachrede des Sumpfes und d.h. bei Ihnen: Schutz
vor den zur Aufklärung herangezogenen Beamten des Verfassungsschutzes, vor polizeilichen Ermittlern, Zeugen, unbotmäßigen Journalisten, Abgeordneten und allen anderen,
die es für möglich halten, dass in Sachsen strukturell bedingt etwas Ungesetzliches passiert sein könnte. Diese wurden dann inflationär als erzieherische Maßnahme mit Ermittlungsverfahren überzogen. Dies scheint der eigentliche Sumpf zu sein: Verbissene Abmoderation der Kern aller Bemühungen."
[...]

"Der wahre Sachsensumpf ist eine Mischung von fachlicher Überforderung, rechtsstaatlicher Unbildung und einer verantwortungslosen Kumpanei der beteiligten Strafverfolgungsbehörden und hat dem bundesweiten Ansehen des Freistaats Sachsen schwere Blessuren zugefügt."
[...]

So weit also Ausschnitte aus dem Minderheitenbericht von Linken, SPD und Grünen des Sachsensumpf-Untersuchungsausschusses, vorgestellt am 2. Juli auf einer Pressekonferenz von Klaus Bartl (Linke), Karl Nolle (SPD) und Johannes Lichdi (Grüne). Wer mehr dazu lesen will, frage die Suchmaschine seines Vertrauens. Nolle und Lichdi kandidieren übrigens nicht mehr für den neuen Landtag.

Mitglieder des Sachsensumpf-Untersuchungsausschusses stellen ihre Ergebnisse des Untersuchungsausschusses außerdem am Donnerstag, am 3. Juli bei einer Podiumsdiskussion in Plauen im Vogtland zusammen mit Cathrin Schauer vor. Cathrin Schauer ist Sozialarbeiterin und Geschäftsführerin von Karo e.V., Verein gegen Zwangsprostitution , Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Kindern. Sie war am 9. Mai als Zeugin im Sachsensumpf-Untersuchungsausschuss geladen. Sie hatte nach eigenen Angaben Informationen über schwere Verbrechen an Kindern und Frauen, die sie während ihrer Arbeit als Sozialpädagogin erhalten hat, an MitarbeiterInnen des Referates Organisierte Kriminalität des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz in den Fällen weitergeleitet, in denen es ihr richtig erschien. Nach ihrer Aussage am 9. Mai erschien am 7. Juni in der Sächsische Zeitung aus Dresden ein Artikel „Deckname Asterix - Eine Sozialarbeiterin berichtet im „Sachsensumpf"- Ausschuss, wie sie Informantin des Verfassungsschutzes wurde. Dabei werden auch pikante Details bekannt“. In der Freien Presse aus Chemnitz erschien am 12. Juni ein Artikel unter der Überschrift „Deckname Asterix: KARO- Chefin enttarnt“. Beide Artikel enthielten Informationen von ihrer Zeugenaussage am 9. Mai in nichtöffentlicher Sitzung. Diese Informationen hätten aus dem Untersuchungsausschuss nicht an die Presse weitergereicht werden dürfen. Laut den Angaben von Cathrin Schauer wurden in den Artikeln Unwahrheiten geschrieben. Laut einer gemeinsamen Pressemitteilung der 3 Oppositionsfraktionen werden mit der Berichterstattung Gefahren für Leib und Leben der Mitarbeiterinnen des Plauener Vereins KARO und insbesondere der Ausschusszeugin Cathrin Schauer in Kauf genommen. Auch dies soll Thema der Podiumsdiskussion am 3. Juli in Plauen sein.

Der Minderheitenbericht:
http://www.linksfraktionsachsen.de/media...

http://www.karo-ev.de

siehe auch:
Interview mit Klaus Bartl (Die Linke):
http://www.freie-radios.net/62775