(Bln) Bezirksamt Neukölln blockiert Weisestraßenfest

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Im Berliner Stadtteil Neukölln gab es seit der Maueröffnung mehrere Wellen der Gentrifizierung. In den letzten Jahren gelang es Spekulanten und Quartiersmanagement zusehends, Mieter*innen aus dem ehemals billigen Wohnkiez im Schillerkiez zu vertreiben und die ortsüblichen Vergleichsmieten anzuheben. Derzeit findet massive Verdrängung von Mieter*innen durch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen statt.

Dieses Vorgehen bleibt jedoch nicht unbeantwortet. Seit Jahren wehren sich Nachbar*innen und stadtteilpolitische Initiativen gegen die Verdrängung der Armen, Alten und Nichtdeutschen, die das Quatiersmanagement so entschieden betreibt. Ein Ausdruck dieses Widerstands ist das seit Jahren selbstorganisierte Unabhängige Weisestraßenfest. Regelmässig kommen hier Kiezbewohner*innen und ähnlich Betroffene aus ganz Berlin zusammen, tauschen sich aus und feiern gemeinsam. Auch antirassistische Gruppen und Gefangenensolidarität haben hier immer ein Forum.

Das Neuköllner Bezirksamt hat sich nun anscheinend entschieden, mit sinnlosen Auflagen bürokratische Hürden aufzubauen, um das Fest in diesem Jahr zu verhindern. Von der Anmelderin wurde verlangt, eine Liste aller teilnehmende Initiativen abzugeben. Andernfalls erhielte sie keine Genehmigung für das Straßenfest am 23. August, für das die Vorbereitungen auf Hochtouren laufen.

Radio Aktiv Berlin besprach diesen Vorfall in seiner aktuellen Ausgabe (4. August 2014).

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04:15 min, 5985 kB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 04.08.2014 / 19:17

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Kultur
Serie: Mietenstopp
Entstehung

AutorInnen: Radio Aktiv Berlin
Radio: Radio Aktiv Berlin, Berlin im www
Produktionsdatum: 04.08.2014
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript

Vorbereitungsgruppe Weisestraßenfest 2014
im Stadteilladen Lunte
Weisestr. 53
12049 Berlin

Berlin, 4. August 2014

Pressemitteilung
Ordnungsamt blockiert selbstorganisiertes Straßenfest im Schillerkiez – Neukölln

Erst drei Wochen vor Durchführung des für den 23. August 2014 geplanten Weisestraßenfestes verlangt das Ordnungsamt Neukölln plötzlich die Vorlage einer verbindlichen Teilnehmer*innenliste der Stände. Die Vorlage sei unumgänglich, sonst könne das Fest nicht genehmigt werden, so Herr Bork vom Ordnungsamt Neukölln.

Die Beantragung erfolgte bereits im April, die angeforderten Unterlagen wurden eingereicht, eine Teilnehmer*innen Liste wurde nicht verlangt. Im Gegenteil: Mündlich wurde versichert, dass die Genehmigung problemlos erteilt werden würde. Dann hörte der Anmelder nichts mehr vom Ordnungsamt, obwohl das Berliner Straßengesetz eine Entscheidung innerhalb eines Monats verlangt. Auf telefonische Nachfrage der Anmelderin am 25. Juli nach Verbleib der Genehmigung, wurde ihr mitgeteilt, dass die Genehmigung an ihre Adresse geschickt wird. Statt der Genehmigung kam am 30. Juli der Anruf von Herrn Bork mit der Nachfrage zu den Tischen, die aufgestellt werden sollen - wie breit und lang - und die Aufforderung eine Teilnehmer*innenliste zu mailen.

Das Weisestraßenfest findet seit Anfang der 90er Jahre regelmäßig statt. Eine Teilnehmer*innenliste wurde noch nie verlangt. Wie die Nachfrage bei den Organisator*innen anderer Berliner Straßenfeste ergab, wurde auch von diesen noch nie eine solche Liste angefordert.

Gemäß § 11 Abs. 2 Berliner Straßengesetz soll die Erlaubnis für das Veranstalten eines Straßenfestes erteilt werden, wenn überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegen stehen. Die 48-jährige Clara Zindler aus der Vorbereitungsgruppe: „Wir verstehen nicht, welche überwiegenden öffentlichen Interessen dagegen sprechen könnten, dass wir Anwohner*innen der Weisestraße einen gemeinsamen Nachmittag verbringen, uns austauschen und zusammen feiern.“

„Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Behörden das Nachbarschaftsfest in der Weisestraße verhindern wollen“, so Zindler weiter.

Das Weisestraßenfest wird von den Anwohner*innen ehrenamtlich und ohne finanzielle Interessen vorbereitet und durchgeführt. Zusammen und selbstorganisiert werden die Musikgruppen ausgewählt, das Kinderprogramm gestaltet und aufgeräumt. Diese gemeinsame Aktion trägt dazu bei, dass die Leute sich besser kennenlernen und die Nachbarschaft zusammenwächst. Das ist gerade im Schillerkiez, wo sich seit einigen Jahren viel verändert, besonders wichtig. Die Bewohner*innen des Schillerkiezes sind sich über den Zusammenhang von Mieterhöhungen und der Vertreibung der Alten, Arbeitslosen und Migrant*innen sehr bewusst und suchen gemeinsam Wege aus der Krise.

Das gemeinsame Planen der Nachbar*innen unterscheidet das Weisestraßenfest von kommerziellen Veranstaltungen. Daher ist es um so bedauerlicher, dass dem Weisestraßenfest von Seiten der Behörden Steine in den Weg gelegt werden, während kommerzielle Feste regelmäßig ohne Umstände bewilligt werden.

Dies ist nicht das erste Jahr, in dem das Ordnungsamt den Organisator*innen Probleme bei der Anmeldung macht. Vor drei Jahren wurde die Erlaubnis beispielsweise erst am Vorabend erteilt, nachdem zuvor die Annahme der Versicherung aus Formgründen verweigert wurde, obwohl unstrittig war, dass eine ausreichende Versicherung für das Fest vorlag.


Für Rückfragen steht Ihnen gerne Karl Keller: weisestrassenfest2014@gmx.de – 01758 442 576 zur Verfügung.