Vogel der Woche (233): Die Bekanisse

ID 66143
 
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Superselten sein und dann auch noch durch ein 563-köpfiges Ornithologenrudel plattge"twitcht" werden - so was schafft nur die Bekanisse.
Audio
04:23 min, 4107 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 21.09.2014 / 19:54

Dateizugriffe: 1014

Klassifizierung

Beitragsart: Hörspiel
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Umwelt, Andere
Serie: Vogel der Woche
Entstehung

AutorInnen: hikE
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 21.09.2014
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Beginn Sprechtext

Heute: Die Bekanisse. Gannilago gannilago.

Laut brummend nähert sich ein imposanter Federberg in reissendem Flug! Die am Ufer des vormals stillen Moorsees aufgereiht stehenden Ornithologen, allesamt Männer in den besten Jahren, kräftige Waden, taugliches Schuhwerk, wettergegerbte Kleidung und empfindsame Gesichter, behängt mit den Kronjuwelen der Optiker- und Spannerzunft, sinken einer nach dem anderen zu Boden, als der berserkernde Luftraum-User sie passiert.

Einer der, ach! zu früh! Dahingewelkten greift sich ächzend ans Herz, da wo das Fernglas liegt, hebt matt, mit Schaum vor dem Munde, den Arm, und glotzt dem phänomenalen Flieger ungeniert auf die weiß leuchtenden, plüschigen Unterschwanzdecken. Um prompt noch mehr Schaum vor dem Gesicht zu kriegen. Und ehrfürchtig zu krächzen: "Gannilago gannilago Null-Eins, in Süd-Südwest überhin. Mausert zweite HS!"

Sofort kommt wieder Leben in die Runde, die eben noch an ein äußerst plastisches Gefallenendenkmal gemahnte, und der erste Kontrahent meldet sich: "Mein GPS behauptet, Südwest-Süd." - "Ich hol mal eben die aktuellen Wetterdaten ausm Internet" meldet sich ein Eifriger, der noch halb im Schlamm festklemmt, welcher ihn wie eine liebende Gattin angesaugt hat und schier nicht mehr hergeben möchte, und entblößt unter seinem Outdoor-Wams nach einem energischen "plickplickplick" der aufgerissenen Druckknopfleiste einen kleinen Laptop, dessen Ventilator sofort die Frischluft wittert und enthusiastisch zu gröhlen beginnt.

Die anderen Gestalten putzen ihre Optik, versuchen selbst einen Blick auf den Vogel der Begierde zu werfen, dessen Brummen langsam verhallt und lediglich noch an eine ferne Propellermaschine gemahnt. Einer Null-Eins Gannilago kann keiner widerstehen, der noch ein Fünkchen Gefühl in seiner Brust besitzt. Der Vogel, so selten wie die Blaue Blume, und dann auch noch als mit Schlick- und Matschwürmern von der Schnabelspitze bis zu den Schnabelwinkeln beladenes Weib, unterwegs zu flaumigen Kücken, die auf zart gerupftem Grase in einem Bodenhorste am Tuche des grimmen Hungers nagen! Wie heldenhaft sich die Mutter plagt, ihrem Nachwuchs die Kohle für den Lebensofen selbst in Form einer Schnakenaufsammlung zuzutragen, das lässt höchstens einen Holzbock ungerührt.

Da! Der weisse Arschpunkt kippt unvermittelt vom Azur ins Grün, verschwunden ist er im Bewuchs zwei Kilometer entfernt.

Resolute Blicke bahnen sich den Weg aus den Pupillen der Vogelkundler, die sich nun wie ein einziger Organismus - alle fünfhundertdreiundsechzig auf einmal - in Bewegung setzen, um das Nest der Bekanisse zu suchen und für immer bei "PIEP! 23°C, Luftfeuchtigkeit 89%, diesig", aus der Welt zu kartographieren.