TTIP Rundumschlag MAi 2014

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Das Freihandelsdogma der EU Die Ideologic des Freihandels ist zentraler Bestandteil der EU Außenhandels-strategie. TTIP ist der bislang weitest reichende Versuch von Politik und Wirtschaft, unter dem Deckmantel des freien Warenverkehrs gesellschaftliche Errungenschaften abzubauen. Doch auch auf andere Verhand-lungen trifft dies zu, etwa mit Kanada (CETA) oder mit den Ländern Afrikas, der Karibik und dem Pazifik (EPAs).Verschleiert als Maßnahmen gegen die Krise, erleben wir so eine heftige Welle neoliberaler Globalisierung und Entdemo-....
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59:24 min, 27 MB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 19.11.2014 / 16:25

Dateizugriffe: 594

Klassifizierung

Beitragsart: Collage
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Arbeitswelt, Politik/Info
Serie: Attac München
Entstehung

AutorInnen: AWR Peter
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 15.05.2014
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Das Freihandelsdogma der EU Die Ideologic des Freihandels ist zentraler Bestandteil der EU Außenhandels-strategie. TTIP ist der bislang weitest reichende Versuch von Politik und Wirtschaft, unter dem Deckmantel des freien Warenverkehrs gesellschaftliche Errungenschaften abzubauen. Doch auch auf andere Verhand-lungen trifft dies zu, etwa mit Kanada (CETA) oder mit den Ländern Afrikas, der Karibik und dem Pazifik (EPAs).Verschleiert als Maßnahmen gegen die Krise, erleben wir so eine heftige Welle neoliberaler Globalisierung und Entdemo-kratisiemng. Frei-handel nach außen und Austeritätspolitik innerhalb Europas bilden eine unheilvolle Allianz.

Welche "Handelshemmnisse" sollen beseitigt werden? Alles, was den globalen Konzemen zusätzliche Kosten und damit weniger Gewinn bescheren könnte, soll entweder massiv abgesenkt oder ganz beseitigt werden:
Zum Beispiel das Vorsorgeprinzip. In der EU miissen Unternehmen vor Zulassung ihrer Produkte und Verfahr -en nachweisen, dass diese unschädlich sind; sieht die Behörde ein Risiko, kann sie die Zulassung verhindern. In den USA dagegen kann die Zulassungsbehörde erst im Nachhinein einschreiten; sie muss die Schädlichkeit streng wissenschaftlich nachweisen. Großen Unternehmen ist das EU-Modell schon lange ein Dorn in Auge.
Zum Beispiel der Verbraucherschutz. Viele Auflagen, etwa bei Nahrungsmitteln, sollen weg-verhandelt werden. Derm das Ziel ist: z.B. Hormonfleisch, gen-technisch veränderte Lebensmittel oder mit Chlor desinfiziertes Geflügel sollen auch in der EU verkauft werden dürfen.
Zum Beispiel die Arbeitnehmerlnnenrechte. TTIP könnte die Abwärtsspirale bei Arbeits- und Sozialstandards EU-weit beschleunigen, zumal in den USA deutlich schwächere Rechte gelten. Da wird es mit Sicherheit zu Kom -promissen kommen - und die bedeuten immer eine Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Außerdem haben andere Freihandelsabkommen trotz gegenteiliger Versprechungen ganz überwiegend zu Arbeitsplatzabbau und massiver Ausweitung des Niedriglohnsektors geführt, z.B das nordamerikanische Handelsabkommen NAFTA zwischen den USA, Kanada und Mexico. Versprochen waren mehrere Hundertausend Arbeitsplätze und Vermehr-ung des Handels. Beim Handel ist das eingetreten, gleichzeitig wurden aber mehr als eine Million Ar­beitsplatze abgebaut Konzerne haben in die beiden anderen Staaten Arbeitsplät­ze ausgelagert, dadurch gingen in den USA etwa 800.000 Jobs verloren, in Me­xico ca. eine Million. Nur in den Sweatshops wurden Arbeitsplätze erhöht Gleichzeitig wurde das Kernprodukt der mexikanischen Grundnahrung, nämlich Mais nach Mexico exportiert und große Agrarfirmen dort aufgebaut, so dass die Kleinbauern in Mexico nahezu eingegangen sind.
Zu NAFTA wurde ein Zusatzabkommen gemacht: North American Labour cooperation. In der Präambel steht: die drei Vertragspartner orientieren sich an den ILO-Normen. Auch die EU-Staaten haben die acht ILO-Normen anerkannt, die USA allerdings nur zwei. Und in Europa setzt die Troika einfach solche Normen außer Kraft, z.B. in Griechenland. Da gelten sie nichts mehr. Auch bei TTIP könnte es so ein Nebenabkommen geben. Daher ist es wichtig, dass auch die Arbeitnehmer in den Widerstand gegen TTIP einbezogen werden, da die Gewerkschaften sich leider untätig verhalten.
die Öffentliche Daseinsvorsorge Welche Folgen konnte TTIP dafur haben?
Schon jetzt fordert die EU den Verkauf der Wasserversorgung oder von öffentlichen Bildungs- und Pflegeein-richtungen, etc. Mit TTIP möchte die Konzern-lobby international weitere Privatisierungen öffentlichen Eigen-tums auf Kosten der Allgemeinheit verankern. Schon jetzt werden deutsche Pflegeeinrichtungen von Private Equitiy Fonds betrieben. Die aber wollen natiirlich Gewinne machen. Das heißt, die Pflegeheime sind teuer. Aber die Gewinne werden natiirlich auch durch die Einsparungen beim Personal erwirtschaftet. Die Folge ist: diese Einrichtungen sind noch nicht einmal gut.
Und wenn wir uns vorstellen, dass irgendwann einmal auch die gesamte Bildung privatisiert ist, dann heißt das, dass Bildung nur noch fur diejenigen zugänglich ist, die sie bezahlen können. In den USA miissen Studierende Tausende von Dollars pro Semester zahlen- die meisten können sich das nicht leisten, Auch Kitas, Horte etc. könn -ten unbezahlbar werden. Wenn das eintritt, bedeutet es für Frauen, dass sie ihre Kinder wieder zuhause betreuen miissen, also einen Riickfall in eine Zeit, in der Frauen gezwungen waren, ausschließlich Hausfrauen zu sein.
auch die Forschung betroffen
Die Konzerne, die die Universitäten fmanziell unterstiitzen. würden entscheiden können, was erforscht wird, vor allern aber, was veröffentlicht werden darf. In Kanada z.B. unter-suchte eine Wissenschaftlerin im Auftrage eines Konzerns, der die Universität sponserte, ein Kindermedikament und stellte fest, dass es für Kinder schädlich wäre. Trotz Verbots hat sie das veröffentlicht und wurde umgehend gekündigt. Sie hat jahrelang dagegen prozessieren müssen, bis sie ihren Job endlich wieder bekam. das öffentliche Beschaffungswesen betroffen?
Die EU drängt die USA auf die Liberalisierung öffentlicher Ausschreibungen auf allen staatlichen Ebenen. Damit wiirde es zukünftig noch schwerer, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge soziale und ökologische Ziele zu berücksichtigen oder die eigene Region zu stärken.
Zu den Diemtleistungen gehören doch auch die Finanzdienstleistungen, wie sieht es damit aus in TTIP?
Das ist sogar ein zentraler Punkt in diesem Abkommen. Die Ursachen der Finanzkrise wurden in der EU ja kaum bearbeitet. Die USA waren da strikter: der Finanzsektor wurde deutlich reguliert. Das ist natiirlich den europä-ischen Finanzdienstleistern, vor allem den Banken, auch der deutschen Bank, ein Dorn im Auge. Mit TTIP möchten sie die wenigen Regulierungsfortschritte, wie sie in den USA zu Krisenbekämpfung eingeleitet wurden, wieder abschaffen.
Kultur? Ist die von TTIP ausgenommen?
Ursprünglich wollte vor allem Frankreich den Kultursektor von TTIP ausgenommen haben. Tatsächlich hat die EU ihn dann aus dem Verhandlungmandat herausgenommen-- allerdings nur vorläufig.
Inzwischen ist die Ausnahme auf die audiovisuelle Dienste zusammengeschmolzen. Aber auch das nur vorläufig; die Europäische Kommission kann dem Rat ,,zu einem späteren Zeitpunkt ergaäzende Verhandlungsrichtlinien vorlegen". Tatsächlich könnte die Kultur in mehrfacher Hinsicht besonders leiden. So könnte z.B, der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf Kulturgüter von kommerziellen Anbietern als Diskriminiemng angesehen werden. Das gleiche gilt fur die öffentliche Kulturförderung für Theater, Museen und Bibliotheken. Sie könnten jederzeit dem Freihandel geopfert werden. Europäische Filme, die über-haupt nur durch öffentliche Förderung zustande kommen, würde es dann nicht mehr geben. Die Abschaffung der Buchpreisbindung (Streit um E-Book-Preise) könnte Zahl der Buchhandlungen verringern.
dieses Klagerecht von Konzernen gegen Staaten, müsste das nicht vor allem aus dem TTIP-Vertrag herausgenommen werden?
Leider würde das gar nichts nützen. Denn dieses Klagerecht gibt es bereits hundertfach in anderen, bilateralen Investitionsschutz-Abkommen, abgekurzt BITs. Es gibt weltweit bereits etwa 3000 BITs, davon entfallen 1200 auf EU-Mitglieder, und Deutschland ist darin Weltmeister: es hat alleine 131 solcher bilateralen Verträge. Die EU möchte alle diese BITs harmonisieren. Um dieses Klagerecht aus TTIP herausnehmen zu können, müsste man also das Investor-klagerecht aus allen diesen BITs herausnehmen, und das würde niemals gelingen. Im Gegenteil: das TTIP Investitionskapitel soll praktisch als Blaupause für alle anderen Abkommen in der Welt dienen.
Hinzu kommt etwas, was wir bei all unserem Kampf gegen TTIP zunächst übersehen haben, d.h. eigentlich konnten wir es nicht sehen, weil es wie TTIP völlig im Geheimen verhandelt wurde: das schon fast fertig verhandelte Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada CETA. Nur weil der kanadische Ministerpräsident Harper und Frau Merkel das kürzlich verkiindet haben, sind wir dar-auf gestoßen. Und natiirlich ist diese Investorenklage darin, Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass dieses Klagerecht Kanada zugestanden werden kann und den USA nicht ? Und selbst wenn es bei TTIP herausgenommen würde: dann könnten US-Konzerne einfach Tochterfirmen in Kanada gründen, und die dürften dann mit Bezug auf CETA gegen EU-Staaten klagen.
Der dritte Grund ist der allerhaarigste. Schon das Investorklagerecht ist ja ein Angriff auf die Demokratie: die Parlamente könnten aus Angst vor solchen Klagen schon vorab darauf verzichten, Gesetze zum Schutz der Bevölkerung zu erlassen.
Aber der dickste Angriff auf die Demokratie ist die Art des Abkommens selbst Es soll nämlich ein sogenanntes ,,living agreement" werden, das ist ein für künftige Entwicklungen offenes Abkom-men. Das sieht dann so aus: Es wird ein sogenannter ,,Regulatorischer Kooperationsrat" gebildet aus einerseits Beamten der EU und der USA, andererseits Konzemvertretern. Das bedeutet: Alles, was Parlamente oder die Öffentlichkeit jetzt nicht akzeptier-en würden, wird verlagert in diesen transatlantischen "Regulierungsrat". Dieser Rat wird es Konzernen auch nach Abschluss des Vertrages ermöglichen, sehr früh in Gesetzgebungsverfahren mit einem Mitspracherecht eingebun -den zu werden - und zwar lange bevor Parlamente die Vorschläge zu sehen bekommen. Mit dem Mittel der ,,regulatorischen Harmouisierung" sollen gegenseitige Anerkennungen von Standards durchgesetzt und sogar bestehende Gesetze überarbeitet werden. Die Konzern-lobby würde diesen Hebel nutzen, urn bestehende ,,Handelshemmnisse" zu beseitigen und z.B. neue Verbraucherschutz-gesetze, Sozialstandards, Umweltstandards zu verhindern, aber eben auch jetzt noch bestehende Standards abzusenken.
Das ist besonders gefährlich aus zwei Gründen: erstens wird auch damit eindeutig die Demokratie unterwandert, wenn nicht sogar zerstört. Es ist zu befürchten, dass die Parlamente die so vorbereit-eten Gesetzesvorlagen nur noch abnicken können. Zweitens aber kann man die kritische Öffentlich-keit jetzt wunderbar besänftigen: es wird in TTIP vermutlich zunächst keine Gentechnik, kein Hormonfleisch oder Chlorhuhn auftauchen. Besonders scharf kritisierte ,,Handelserleichterungen" sind damit scheinbar vom Tisch. Aber über die Geheimverhandlungen dieses Regulationsrats können sie später, fast unbemerkt, eben doch kommen. Schon jetzt wird ja sogar über das hoch gefährliche Fracking bei uns diskutiert, ob es nicht doch in der EU, sogar in Deutschland eingeführt werden soll. Dabei gibt es Kommunen in den USA, bei denen das Grundwasser bereits durch die Chemikalien verseucht ist, die beim Fracking in den Boden gedriickt werden.
Beispiel
Das kanadische Bundesland Quebec verhangte 2012 aufgrund eines Biirgerentscheides ein Fracking-Moratorium. Daraufhin hat der kanadische Konzern Lo­ne Pine uber seine US-amerikanische Tochterfirma 2013 so eine ,,Investor -gegen-Staat"-Klage eingereicht Der Konzern fordert 250 Millionen kanadische Dollar an Entschadigung vom kanad-ischen Staat. Bei seiner Klage bezieht sich der Konzern auf das Investitions.schutzkapitel des nordamerikanischen Frei-handelsabkommens NAFTA. Es gibt auch noch einen dritten Grund, warum die Herausnahme des Investorklagerechts nichts nützen würde, . …..