3 Minuten vor 12 (Teil 2/2)

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Die geopolitische Lage ist derzeit sehr kritisch. Der Ton zwischen den Supermächten verschärft sich, Kriege um knappe Rohstoffe fordern viele Opfer, vor allem im Mittleren Osten, und der Mensch zerstört seinen Lebensraum, die Erde.

All das und noch mehr schlägt sich in der sogenannten "Doomsdayclock" nieder, die nach dem Zweiten Weltkrieg von einigen Atomphysikern der Zeitschrift „Bulletin of the Atomic Scientists“ ins Leben gerufen wurde. Sie soll der Menschheit als Mahnung dienen. Schlägt diese Uhr 12, dann droht der Weltuntergang. Aktuell steht sie auf 3 Minuten vor 12. Eine so späte Uhrzeit gab es seit der Hochphase des Kalten Krieges nicht mehr.

Dieser Beitrag gibt eine Übersicht über die aktuellen Probleme der Menschheit, versucht sie zu interpretieren und ihre Zusammenhänge zu erklären.
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13:39 min, 13 MB, mp3
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Upload vom 25.03.2015 / 12:39

Dateizugriffe: 588

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Religion, Umwelt, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Emanuel
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 25.03.2015
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Transkript
3 Minuten vor 12 (Teil 2)

3. Der Kühle Krieg

Nicht kalt, aber doch ziemlich kühl ist die aktuelle Beziehung des Westens mit Russland. Das liegt natürlich auch an der angespannten Lage in der Ukraine, bei der man ohne Übertreibung, auch wenn das Politik und Medien nur ungern tun möchten, von Krieg sprechen kann. Russland streitet einen direkten Eingriff im Krieg der Ukraine mit den Separatisten ab. Die NATO hingegen gibt Russland die Schuld an dem Konflikt und nennt die Annexion der Krim „völkerrechtswidrig“. Beide Seiten haben ihre Argumente für ein Pro und Kontra dieser Annexion. Was die NATO hingegen gerne unterschlägt, ist die sukzessive Erweiterung der EU gen Russland und die damit auch näher rückenden Militärbasen der USA und deren Alliierten. Darf sich Russland darum keine Sorgen machen? War so ein Vorgehen der NATO nach der Wiedervereinigung Deutschlands nicht völlig indiskutabel? War es nicht Hans-Dietrich Genscher der stellvertretend für westliche Außenminister folgendes mit seinem US-amerikanischen Kollegen 1990 versprach:

[Genscher Zitat YouTube: 00:10 – 00:25]

Was soll man daraus schlussfolgern? Kann man denn auf Aussagen von Politikern eigentlich gar nichts geben? Zweifeln sollte alle Mal erlaubt sein. Man muss weder „Putin-Versteher“, Fan der russischen Regierung oder NATO-Hasser sein, um mit Verstand feststellen zu können: Russland hat allen Grund sich bedroht zu fühlen. Und das liegt nicht alleine an den politischen und wirtschaftlichen Sanktionen gegen das Land, die stetig vergrößert werden, sondern auch wegen dem Krieg in der Ukraine, direkt vor der russischen Haustür.

Die westlichen Mainstreammedien zeichnen unterdessen ein Bild von Russland, was sich nicht hinter der „roten Angst“ von 1917 – 1920 oder in der Zeit des Kalten Krieges verstecken muss. Politiker propagieren eine russische Bedrohung und Rundfunk und Printmedien berichten unverhältnismäßig darüber. Jedoch nicht immer deckungsgleich mit der Realität. Der Programmbeirat der ARD rügte die Ukraine Berichterstattung mit „Einseitigkeit zulasten Russlands, mangelnde Differenziertheit sowie Lückenhaftigkeit“. Das ging von ein massiven Kritikwelle der eigenen Zuschauer aus. Der SPIEGEL ging sogar noch weiter, als er auf seinem Titelcover der 31. Ausgabe von 2014 befahl: „Stoppt Putin jetzt!“ Das ganze in roten Großbuchstaben, Ausrufezeichen und im Hintergrund die Bilder der Opfer von MH17. War die Schuld Russlands am Abschuss dieser Passagiermaschine im Luftraum der Ukraine denn bewiesen? Nein!

Das sind nur wenige Beispiele einer tendenziösen Berichterstattung in unseren Medien. Kann man pauschal von einer „Lügenpresse“ reden, wie es die PEGIDA-Anhänger machen? Nein! Denn es gibt noch sehr viele gewissenhafte Journalisten, die sich ihrer Verantwortung, Meinungen erzeugen zu können, bewusst sind. Dennoch sollte man die erzeugte negative Stimmung in der Bevölkerung durch die restliche Presselandschaft nicht unterschätzen.

Das schlechte politische Verhältnis von Russland mit dem Westen, war vermutlich auch Grund genug, der „Doomsdayclock“ mindestens eine Minute hinzuzufügen. Zuletzt hatten wir eine so kritische Atomkriegsuhrzeit 1984, als der Kalte Krieg in einer sehr bedenklichen Phase war.

[Sound: Uhrticken]

4. Der Ruf zu den Waffen der NATO

[Gauck Zitat bei Antrittsrede Bundeswehr 2012 25:18 – 26:28]

Joachim Gauck machte bei seiner Antrittsrede beim Besuch der Bundeswehr klar, was für Bundespräsident er sein würde: Ein Sprecher für Wirtschaft und Industrie, der allen Ernstes der Meinung ist, dass es notwendig sei, für die vergangenen Kriege, aber auch für der Zukunft, an denen sich Deutschland beteiligte und beteiligen wird, zu sterben. Gauck ist auch der erste deutsche Bundespräsident, der die Eröffnungsrede auf der Münchner Sicherheitskonferenz von 2014 hielt. Die MSC ist eine private Veranstaltung, bei der sich Politiker, Rüstungsindustrieelle und Militärangehörige treffen, um über die Konflikte dieser Welt zu sprechen. Was genau das für Konflikte und Kriege sind, hat bereits Horst Köhler 2010 in einem Interview mit Deutschlandradio klar gemacht.

[Ausschnitt aus Interview mit Horst Köhler im Deutschlandradio]

Für diese ehrliche Aussage musste Horst Köhler schließlich seinen Posten als Bundespräsident räumen. Diese Aussage macht jedoch eindrücklich klar, wofür Soldaten und Zivilisten im Ausland sterben: Wirtschaftsinteressen! Wer das so deutlich formuliert, hat in der Politik nichts verloren. Geht gar nicht, Herr Köhler!

[Sound: Uhrticken]

Die NATO, die sich selbst gerne als Friedenstruppe darstellt, hat auch im September 2014 über ihren Generalsekretär Rasmussen verkünden lassen: „Russlands illegale militärische Aktionen in der Ukraine sind ein Weckruf. Wir müssen jetzt den Trend umdrehen und nach und nach die Ausgaben für die Verteidigung erhöhen". Für Deutschland soll das konkret bedeuten, dass es seine Militärausgaben von 1,3% des Bruttoinlandsproduktes auf 2% erhöhen soll. Zum Vergleich: Die USA investieren 4,3% und Großbritannien 2,4%. In Moneten ausgedrückt sind die USA absoluter Spitzenreiter bei den Militärausgaben mit 640 Milliarden US-Dollar, gefolgt von China mit 188 Milliarden und Russland mit gerade mal 87,8 Milliarden. Deutschland liegt auf Platz 7 weltweit mit 48,8 Milliarden Dollar. Die Zahlen sind übrigens von 2013. Aktuell werden Waffen aller Art von der NATO und Russland modernisiert. Dazu gehören übrigens auch die Atomwaffen. Ein weiteres Scheitern der globalen Politik, die sich eigentlich dafür einsetzen müsste, die Völker dieser Erde vor größerem Schaden zu bewahren, indem man überall abrüstet statt aufrüstet.

Das Wettrüsten hat also mal wieder begonnen und sicherlich Grund genug für die Atomphysiker des „Bulletin of the Atomic Scientists“ alarmiert der Atomkriegsuhr, den Indikator für einen möglichen Weltuntergang, die ein oder andere Minute hinzu zu fügen.

[Sound: Uhrticken]

5. Die Enthüllungen der Whistleblower

Sollte man sich nicht über die Welt, in der wir leben, Gedanken machen, wenn Menschen die über Verfehlungen unserer Regierungen berichten, sich verstecken müssen und nicht als Zeuge zugelassen werden, wenn es um einen handfesten Überwachungsskandal geht? Ein Skandal, der die Freiheit eines jeden Bürgers der westlichen Zivilisation in Frage stellt. Ein Skandal, der nicht in Nord-Korea statt fand, sondern direkt bei uns, im ach so freien Westen. Die Urheber, die Geheimdienste der USA, dem „land of the free“, nahmen sich die Freiheit nicht nur ihre erklärten Feinde, sondern auch ihre Freunde zu belauschen.

[NSA Überwachungskritik von Merkel]

So wurde eben nicht nur die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, abgehört. Mit tatkräftiger Unterstützung der deutschen Geheimdienste und von Konzernen, wie etwa Google, wurde jeder Bürger überwacht und unter Generalverdacht gestellt, illegal zu handeln. In einem Ausmaß, das so nicht bekannt war und für weltweites Entsetzen sorgte. Snowden musste sich in Russland verstecken, Julian Assange, ein weiterer Whistleblower, sitzt noch heute in der ecuadorianischen Botschaft in London fest. Wegen seinen Enthüllungen droht ihm, ähnlich wie Snowden, eine Auslieferung an die USA, sobald er die Botschaft verlässt.

[Sound: Uhrticken]

Was bei einer Auslieferung an die USA passieren kann, zeigt der Fall von Chalsea Manning, ehemals Edward Manning. Sie sitzt bereits wegen ihren Enthüllungen zum Gefangenenlager Guantanamo Bay, Kriegsverbrechen der USA und Veröffentlichung von Botschafter-Depeschen im Gefängnis. Für 35 Jahre. Wie frei kann ein Land schon sein, wenn der Bote von Verbrechen der eigenen Regierung verurteilt wird, nicht aber die Täter, die Regierung selbst? Klar, es geht um die Bewahrung der Staatssicherheit. Doch wie stark wurde sie durch diese Enthüllungen überhaupt gefährdet? Wurde vielleicht nur der Ruf und das Ego einer Weltmacht geschädigt? Die Enthüllungen von Whistleblowern zeigen uns das, was uns unsere Regierungen vorenthalten, nämlich ihre schmutzige Wäsche. Eigentlich ein Job unserer Presse. Wenn Enthüllungen von Verbrechen strafbar sind, dann sind wir weniger frei als wir dachten. Doch auch wenn Informationen auf ganz klassischem Wege als Buch veröffentlicht werden, wie jüngst der CIA Folterbericht, so müssen sich die eigentlich Verantwortlichen dieser Verbrechen gegen elementare Menschenrechte nicht verantworten.

Der Krieg der Informationen findet jeden Tag im Internet statt. Die schöne Welt der sozialen Medien, lässt uns das nur zu gerne ignorieren. Die Kontrahenten sind Organisationen wie Wikileaks, das Hackernetzwerk „Annonymous“ und viele weitere, die aktiv gegen die Verfehlungen von Regierungen vor gehen. Erst Enthüllungen zeigen ein deutlicheres Bild von der Welt in der wir leben. Sicherlich ist diese enthüllte Wahrheit auch ein Grund für die derzeitige Weltuntergangstimmung der Atomphysiker.

[Sound: Uhrticken]

6. Der von Menschen beeinflusste Klimawandel

Ein weiterer Anstoß für die Weltuntergangstimmung der Wissenschaftler ist natürlich nicht zuletzt auch der Klimawandel, der wohl auch durch den Menschen beeinflusst wird, glaubt man der Klimaforschung. Und auch wenn es Klimawandel schon in der Zeit vor der Industriellen Revolution gegeben hat, so dürfte der Mensch heute durch all seine technischen Errungenschaften einen viel zu großen Einfluss auf Mutter Natur haben. Beispiele gefällig?

Da hätten wir die Abholzung unserer Wälder, die wichtig sind für die Verarbeitung von CO². Das Töten von ganzen Tierarten. Die Verschmutzung und Überfischung unserer Meere. Das Öl, das durch seine Knappheit nicht nur den Weltfrieden gefährdet, wie bereits erwähnt, sondern auch noch massiv, alleine durch seine Gewinnung, Transport und Verarbeitung, unser Ökosystem belastet. Und das sind nur einige Fälle, wo der Mensch durch seine Gier, seinem Hunger nach Wachstum und der damit verbundenen Egozentrik uns an den Rand der Selbstzerstörung getrieben hat. Nur zu oft scheint Ego mit Eco verwechselt zu werden.

Über den Klimawandel wird viel geredet, seine Gefahren sind umfassend diskutiert worden. Da aber ein verantwortungsvoller Umgang mit unserem Planeten so völlig mit den Interessen des Kapitalismus kollidiert, zumindest im Moment, stemmen sich viele Konzerne gegen die geforderten Klimaziele der Politik, die ohnehin nur als halbherzig gelten. Profit ist eben wichtiger.

Da aber der Klimawandel schon jetzt solche unschönen Dinge, wie verstärkte Naturkatastrophen mit sich bringt, die vor allem die armen Menschen in betroffenen Regionen trifft, dürfte es nicht nur den Atomphysiker der „Doomsdayclock“ Sorgenfalten und graue Haare bereiten.

[Sound: Uhrticken]

Fazit

Ziemlich düstere Aussichten, was? Was kann man nun aus all diesem Elend folgern? Ist uns Menschen überhaupt noch zu helfen? Sollen wir nun in ständiger Angst leben, uns Zuhause einsperren und alles und jedem misstrauen? Nun, das wäre vermutlich der größte Fehler und extrem gefährlich. Was wäre also zu tun?

Angst zu haben ist sicherlich der falsche Weg. Da man aktiv werden sollte, ist Angst, die nun einmal etwas Passives ist, kontraproduktiv. Man sollte auch nicht „anti“ sein, aber auf jeden Fall „pro“ Frieden. Diese Einstellung sollte man teilen. Sich für Frieden einsetzen, wo es nur geht. Es gibt Bewegungen da draußen, mit denen man sich online vernetzen kann, um dann zusammen für Frieden und den Erhalt davon auf die Straße zu gehen. Nie war Kommunikation für den Frieden einfacher als heute. Nie war es einfacher sich auch aus anderen Quellen als Alternative für die Mainstreammedien zu informieren. Es geht darum der Stock in den Speichen der Kriegsbefürworter zu sein und es ihnen möglichst schwer zu machen, ihre Ziele umzusetzen. Vor allem dann, wenn diese Kriegsbefürworter nichts anderes als Geld und Macht im Sinn haben. 1% der Welt begreifen die Erde als ihr Schlachtfeld in der Tradition des Brettspiels „Risiko“. Nur sind sie nicht diejenigen, die auf diesem Schlachtfeld sterben müssen. Es sind die restlichen 99%. Das sind wir und wir sind in der Überzahl.

„Was kann ich alleine schon tun? Die da oben machen doch eh was sie wollen!“, ist der Standardspruch aller resignierten Seelen, die sich durch ihr Leben hangeln. Wenn man aber begreift, dass man nicht alleine ist, die kritische Masse der Bürger, denen das friedliche Zusammenleben auf diesem Planeten nicht egal ist, immer größer wird, dann kann man durchaus positiv in die Zukunft blicken, wenn man aktiv an ihrer Gestaltung mitarbeitet. Noch ist es nicht 12 Uhr!

[Sound: Uhrticken]

Kommentare
25.03.2015 / 12:45 Emanuel, Radio Unerhört Marburg (RUM)
Wurde gesendet bei...
...Radio Unerhört Marburg in der Sendung "Gleis 16" am 25.02.2015 und 27.02.2015.
 
22.04.2015 / 15:16 Olga,
Deutsch-russisches Magazin INTERWELLE
Gekürzt gesendet beim Deutsch-russischen Magazin INTERWELLE am 14.04 um 21.00 Uhr und wiederholt am 16.04 um 11.00 Uhr. Danke