"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Donald Trump -

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In der Regel begnügen sich die Milliardäre mit ihren Milliarden, was ja auch schon ganz hübsch ist, und lassen die anderen für sich arbeiten, eben, ihre Milliarden, aber auch die Beschäftigten in ihren Unternehmen, soweit sie über eigene Unternehmen verfügen, und sonst halt die Beteiligungen und die Beziehungen, welche sich mit den Milliarden praktisch automatisch einstellen.
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10:12 min, 12 MB, mp3
mp3, 160 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 11.08.2015 / 10:24

Dateizugriffe: 801

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Wirtschaft/Soziales
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 11.08.2015
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Es gibt aber auch Milliardäre, die sich selber direkt in die Politik stürzen, und zwar aus verschiedenen Gründen. Wir haben den Typus Berlusconi, dem nur die Politik als Ausweg blieb, um 20 Jahre lang nicht in den Knast zu wandern, nachdem er sich sein Vermögen beim Bau von Milano due und beim Aufbau seines Medienkonglomerats illegal erworben hatte. Wir haben den Typus Stronach, der übrigens anlässlich seiner Geburt bzw. der Taufe den schönen Namen Franz Strohsack trug, einen Namen, den man nicht genug loben und empfehlen kann – wieso heißen nicht mehr Menschen Franz Strohsack? – Seine Milliarden machte er mit dem Autozulieferer Magna, der seinerzeit bekannt wurde, als er den Automobilhersteller Opel kaufen wollte, nachdem die Übernahme von VOeST Alpine ein paar Jahre zuvor gescheitert war. Vor drei Jahren gründete er das Team, nicht Strohsack, sondern Stronach, wobei ich selber eine politische Partei mit dem Namen Team Strohsack eindeutig bevorzugt hätte. Die ÖsterreicherInnen wohl auch, denn der Erfolg blieb aus. Immerhin kann man vermelden, dass sich Stronach wie auch Berlusconi lange Zeit einen Fußballklub hielt, wobei seine Austria Wien deutlich weniger Durchschlagskraft hatte als die AC Mailand, aber sie war wohl auch billiger, und dementsprechend ist Stronach auch nur etwas weniger als zwei Milliarden Euro wert und hat seinen Steuersitz in der Schweiz, wie es sich für einen österreichischen Politiker gehört, während Berlusconi doch um die 15 Milliarden schwer ist, seinen Steuersitz jedoch in Mailand hat, wobei allerdings seine 15 Milliarden irgendwo im Ausland wohnen, vermutlich im Bermuda-Dreieck. Immerhin ist auch Stronach ein Familienmensch, wie Berlusconi, und dementsprechend schickt er auch seine Tochter Belinda in die Schlacht, wobei es sich bei Berlusconi um die Wirtschaft handelt und bei Stronach um die Politik. Belinda wurde im Jahr 2004 für die Konservative Partei Kanadas ins Unterhaus gewählt, trat aber ein Jahr später zur Liberalen Partei über und wurde Ministerin, zunächst für das Staatspersonal und dann für Demokratiereform. In Italien übernahm den Posten des Reformministers nicht Marina Berlusconi, sondern die Schnapsflasche Roberto Calderoli von der Lega, wenn Ihr euch erinnert.

In der Schweiz gibt der Milliardär Christoph Blocher seit rund 20 Jahren den Ton an in der Politik mit seiner rechtsnationalistischen Schweizer Volkspartei. Er hat zwar keinen Fußballclub, sein Interesse gilt eher und eher erfolglos den Medien, aber er besitzt auch eine Tochter, genauer gesagt vier Stück, und eine davon hat er als Universalerbin eingesetzt schon zu Lebzeiten, nämlich als er vor zehn Jahren in den Bundesrat gewählt wurde, also in die Landesregierung, da musste er nämlich seine Beteiligungen abgeben von wegen Interessenkonflikten und so weiter, übrigens durchaus im Gegensatz wiederum zum Berlusconi. Jedenfalls führt seither die Magdalena die Ems-Chemie, und die bewirbt sich jetzt ihrerseits für einen Sitz im Nationalrat anlässlich der Wahlen in diesem Herbst. Sie ist übrigens Autorin eines philosophischen Hauptwerkes mit dem Titel: «The Seven Thinking Steps» in der Unternehmensführung. Und die Firma blüht und gedeiht prachtvoll.

Aber eigentlich wollte ich von den Vereinigten Staaten sprechen, wo gegenwärtig ein weiterer Milliardär auf Politik macht, nämlich der Immobilien-Tycoon Donald Trump, ein ausgemachter Idiot, der Politik mit Showbusiness verwechselt, wobei ich zugeben muss, dass die Grenzen oft fließend sind. Im Moment führt Trump bei den parteiinternen Beliebtheits-Umfragewerten der republikanischen Partei aufgrund aller möglichen blödsinnigen Aussagen, die man zu irgend­wel­chen beliebigen Themen grad machen kann. Ich nenne ihn einen Idioten, weil ihm verschiedene Eigenschaften eines Arschloches fehlen, er ist einfach ein Trottel mit aufgeblasenem Geldbeutel, eben, ein Idiot und weiter nichts. Aber wieso erzielt dieser Idiot derart hohe Beliebtheitswerte bei einem ansehnlichen Teil der Wählerschaft? Diese Frage stellt sich nicht erst seit Donald Trump, sondern seit der Ausbildung der Tea Party als Kristallisationspunkt jener Kräfte, welche es auf die letzten Überreste der Vernunft im politischen Kampf abgesehen haben. Sie mobilisieren im Namen einer vorgeblichen Grund- oder Urwahrheit die gesamte affektive Energie gegen alles, was entfernt nach Intelligenz aussieht. Es handelt sich um die große Anzahl von Menschen, die beim Autokauf von einem gewieften Händler über den Tisch gezogen worden sind und seither davon überzeugt sind, dass vernünftige Überlegungen nur dazu da sind, sie zu betrügen, weshalb man sie nach Möglichkeit mit Schusswaffen bekämpfen sollte. Nun ist die Frage einfach die, weshalb es in einem angeblich zivilisierten Land derart viele Menschen gibt, welche Donald Trump geil finden? Oder anders gefragt: Wie kommt die Wissenschaft darauf, nach außerirdischer Intelligenz zu forschen?

Nicht nur in der US-amerikanischen, sondern auch in der österreichischen, der schweizerischen, der italienischen und in der deutschen Politik haben wir es neben den scheinbar logisch-argumentativen Auseinandersetzungen mit gewaltigen halb und ganz unterbewussten Strömungen in der öffentlichen Meinung zu tun. Das ist nun wohl keine besonders aufreizende Neuigkeit, und sie hat viel damit zu tun, dass die sozialdemokratischen Demokratien in der westlichen Welt durchs Band nicht substanziell demokratisch sind, sondern Schauspiele von Demokratien, und gerade die dumpfe Einsicht in diese Betrügerei mobilisiert das kollektive Unterbewusste in einer verständlichen Empörung. Bloß müsste es sich nicht um das Unterbewusstsein handeln, wenn es nicht auch eine offensichtlich leicht zu manipulierende Größe wäre. Zunehmend tritt an die Stelle des Argumentes oder seiner Vorspiegelung das nackte Ressentiment, und dieses Ressentiment ist auch marketing­technisch eine derart gut handhabbare Größe, dass es von allen Instanzen gepflegt und gefüttert wird, die kein besonderes Interesse an Demokratie haben. Als Mittel dafür werden in der Regel die Medien eingesetzt und in neuer Zeit natürlich schwergewichtig die Social Media. Ich glaube, eine Zeit lang waren gewisse Leute, welche sich von den Social Media so etwas wie Basisdemokratie oder Gewalt von unten erhofften, sogar stolz auf Erscheinungen wie zum Beispiel einen Shit Storm; wenn man sich aber ankuckt, wie solche Phänomene heute allein den Eigengesetzen des Ressentiments und des kollektiven Unterbewussten folgend auftreten, muss man sich sämtliche Hoffnungen abschminken, die man hier vielleicht mal investiert hatte. Aber es geht auch klassisch, und es geht bis ins Detail. In der Sonntagspresse in Zürich gab es zum Beispiel einen fetten Titel über eine Frau, die am Neujahr ihre beiden Kinder getötet und sich nun letzte Woche im Gefängnis selber umgebracht hat, und zwar lautete der Titel: «Sophie X. hatte in ihrer Zelle TV und Zeitungen!» Mit Ausrufezeichen. Mann, diese Frau hatte im Gefängnis tatsächlich Fernsehen und Zeitungen, was für ein Skandal. – Aber ist es auch wirklich ein Skandal? – In keiner Art und Weise, natürlich. Die Skandalisierung erklärt sich nur aus der Vorgeschichte, indem nämlich nach der Kindstötung ein Drama losgetreten wurde rund um die kürzlich neu geschaffene Aufsichtsbehörde, die am Schluss so dastand, als hätte sie die Kinder höchstselber umgebracht. Seither ist an diesem Fall alles ein Skandal, und nur daraus ist der Titel zu erklären, er taucht also bereits in einer fortgeschrittenen Phase der Ausbildung des Ressentiments auf und hat nur noch zum Zweck, diese formlose Masse weiter am Köcheln zu halten.

Bei den Social Media geht es nicht nur bei den Shit Storms ums kollektive Unterbewusste. Hier ist definitiv eine neue Ebene entstanden, von welcher die jüngeren Generationen den Großteil ihrer Grundwerte beziehen, wo die kollektiven Moralvorstellungen geformt werden. Interessanterweise haben sich die Kirchen als traditionelle Hüterinnen der Moral bisher noch kaum um diese Ebene gekümmert; sie gehen davon aus, dass die grundlegenden Elemente, mindestens die zehn Gebote tief genug im gesellschaftlichen Unterbewusstsein verankert sind, um auch diese Neuerung zu überstehen. Vermutlich liegen sie mit dieser Einschätzung richtig. Trotzdem könnte man sich vorstellen, dass die Kreationisten oder vielleicht auch bloß einige wild gewordenen Milliardäre versuchen, diese moderne Kommunikationsebene mit ihrem anti-intellektuellen, anti-intelligenten Mist voll zu stopfen. Wie ein solcher Versuch dann ausgeht, lässt sich nicht zum Vornherein so einfach sagen. Plötzlich muss man mal froh sein, wenn der Verfassungsschutz sich ein wenig um all diese Dinge kümmert. Auf jeden Fall verändern die sozialen Medien vorderhand mal sämtliche Hierarchien der Informationsvermittlung, und bei dieser Gelegenheit können sich eben auch die Autoritäten viel massiver verschieben, als man es sich vorstellt. Mit Autoritäten bezeichne ich hier solche in einem transparenten Sinne, also Instanzen oder Menschen, welche die Erscheinungen auf der Welt nach ihrem Wesen fragen und Beziehungen und Einstellungen offen legen. Wenn im gesellschaftlichen Diskurs keine solchen Instanzen mehr vorhanden sind, wenn sich die öffentliche Meinung plötzlich gleichwertig an der Bild-Zeitung orientiert wie an der Frankfurter Allgemeinen, dann ändert die öffentlichen Diskussion ihren Charakter grundlegend.

Schaun wer mal. So oder so ist diese Sphäre des kochenden und aufzukochenden Ressentiments ein zentraler Bereich für jedes System, das sich als Demokratie versteht. Sie ist die direkte Nachfahrin der Massenpsychologie des Faschismus und wurde genau aus diesem Grund während langer Zeit mit erheblicher Vorsicht gehandhabt, vor allem in Europa, während die Vereinigten Staaten natürlich auf eine andere Geschichte zurückblicken. Aber auch bei uns sind die entsprechenden Sensibilitäten nicht mehr so ausgeprägt, wie sie es auch schon waren. Umgekehrt gilt ganz eindeutig, dass der Faschismus ein historisches Phänomen ist, der sich bei uns in keiner Art und Weise wiederholen kann, auch beim besten Bemühen der neofaschistischen Bewegungen nicht. Bloß diese eigenartige dumpf brodelnde, antirationale und mit sämtlichen Zutaten des rassistischen Egoismus betriebene Ressentimentsphäre, die könnte man in den modernen Gesellschaften jetzt dann einmal abschaffen. Vielleicht hilft eine Bildungsoffensive auch mal in diesem Bereich.