Wie immer gibt es im Sommer um diese Zeit viele Camps und Demo-Radtouren. Bei indymedia ist auch mal versucht worden, da einen Überblick zu schaffen. Eine Demoradtour, mit einer schon längeren Traditon, ist die Tour de Natur. 1991 wurden Menschen in Südthüringen, fast im wahrsten Sinne des Wortes, von der Deutschen Einheit überfahren. Das so genannte Verkehrsprojekt Deutsche Einheit sollte eine Autobahn, die A 71/73, von Erfurt nach Franken bescheren. Ein Geschenk, das Menschen um Suhl herum nun wahrlich nicht haben wollten. So organisierten sie, wie so oft zu dieser Zeit, eine Demo. Die Autobahn ist zum großen Teil zwar schon gebaut, aber anders als andere Widerstandsbewegungen hat die Tour de Natur nicht damit aufgehört zu existieren. Denn schon von Anfang an wurden die Aktiven von Suhl durch Auswärtige unterstützt, Auswärtige, die selbst bei sich vor Ort ähnliche Probleme mit gigantischen Autobahnprojekten hatten. So war es naheliegend, den Protest auch auf diese anderen auto-wahnsinnigen Projekte auszudehnen. Daher ging der Widerstand mit dem Bau der A71 auch nicht unter, denn die widersinnigen Argumente waren überall in Deutschland dieselben. Und so treffen sich bis heute Aktive aus dem ganzen Bundesgebiet immer Ende Juli bis Anfang August, um gegen viele solcher Projekte zu demonstrieren, und das mit dem Fahrrad.
Aber es gibt nicht nur Misserfolge. So ist es Aktiven der Tour de Natur gelungen, Autobahnprojekte bei Kassel oder im Fichtelgebirge zu verhindern. Erfolge, die Aktiven aus anderen Regionen genauso Kraft geben wie das gemeinsame Demonstrieren auf bis zu 200 Rädern. Mit dieser geballten Kraft versuchen sie sich dann auch für regionale Eisenbahnverbindungen einzusetzen.
Die Tour de Natur ist nicht nur bei der Verkehrspolitik stehen geblieben, auch wenn sie immer noch einen Schwerpunkt bildet. So wird sich sowohl mit den Folgen als auch Ursachen von Verkehr beschäftigt. Was z.B. bedeutet, dass die regionalen Strukturen gefördert werden sollen, um Verkehr zu vermeiden. Für die Tour de Natur heißt das praktisch, dass ihre mobile Großküche, das Mampfmobil, immer ökologisch in der Region einkauft.
Als zweiten plakativen Schwerpunkt hat sich die Tour de Natur eine andere Lebensweise auf die Fahnen geschrieben. Das heißt auch, dass die Tour de Natur selbstverwaltet ist; von den Entscheidungsstrukturen bis zum Putzen und Kochen. Die Tour de Natur ist kein Pauschaltourismus. Alles geschieht nur, wenn es Menschen machen, die mitfahren. Sei es das Straßenspektakel, das auf den Marktplätzen stattfindet, dieser Radiobeitrag hier oder die inhaltlichen Workshops, die z.B. von Verkehrspolitik, über andere Ernährung bis hin zu alternativen Wohnformen oder Sexismus gehen können.
Und trotz der doch teilweise radikalen Ansichten ist die Altersstruktur weit gefächert. Von kleinen Kindern in Anhängern bis hin zu Menschen jenseits der 70 reicht das Spektrum.
Dieses Jahr heißt das Motto der Tour de Natur "Wer im Treibhaus sitzt, sollte nicht mit Autobahnen werben". Das Motto ist nicht neu, es wurde schon letztes Jahr verwendet. Aber es ist halt leider immer wieder aktuell. So fuhr die Tour de Natur letztes Jahr bei einer Hitzewelle, und vorletztes Jahr wurde die Rückreise fast durch das Hochwasser der Elbe verhindert.
Dieses Jahr geht es wegen der EU-Osterweiterung nach Tschechien. Denn dort steht zu befürchten, dass sich die gleichen wahnsinnigen Fehler wie in Ostdeutschland wiederholen: Stilllegung der vorhandenen Eisenbahnverbindungen und Aus- bzw. Neubau von Autobahnen. So ist die Tour de Natur am Mittwoch, dem 28.7. in Kulmbach in Franken gestartet und wird über Tschechien, Zwickau, Dresden nach Prag führen, wo die Tour de Natur am 14. August endet. Einsteigen in die Tour ist jederzeit auch spontan möglich. Der genaue Streckenverlauf ist im Internet unter www.tourdenatur.net zu finden. Oder mensch ruft die Tour de Natur direkt an unter 0171-2021389.