polyphon: Nackte Zahlen, nackte Körper - Pornographie in Zeiten des Internets Teil 2

ID 73648
 
http://polyphon-rabe.ch/wp/?p=105
info@polyphon-rabe.ch

Jeder tut es, aber kaum jemand redet darüber: Pornos schauen. Pornographie gab es zwar schon immer, doch mit der Verbreitung des Internets hat sich auch die Pornographie gewandelt. Aus den Pornomagazinen und Rotlichtbezirken ist eine Multimilliardendollar-Industrie entstanden. Pornos sind heute für jeden sofort verfügbar, kostenlos, schnell und unkompliziert – und der Pornokonsum fängt immer früher an – das durchschnittliche Einstiegsalter für Jungen liegt derzeit bei 11 ½ Jahren.

Dazu werden die Darstellungen immer brutaler. Pornographische Bilder begegnen uns heute ständig im Alltag. Halbnackte Frauen bewerben alles von Autos über Parfum bis hin zu Lebensmitteln. Die Internet-Pornographie muss sich von diesen „harmlosen“ Darstellungen abheben und die Produzenten greifen zu immer gewalttätigeren, drastischeren Bildern.

Die Pornoperspektive ist dabei fast durchweg eine männliche – Frauen werden darin zu Objekten der männlichen Befriedigung degradiert.

Doch was macht das mit unserer Gesellschaft, wenn junge Männer zu gewaltverherrlichenden, herabwürdigenden Darstellungen von Frauen masturbieren? Macht es überhaupt etwas mit ihnen, oder ist das alles nur Fiktion?
Audio
59:36 min, 55 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 13.11.2015 / 15:13

Dateizugriffe: 8

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich:
Entstehung

AutorInnen: Thomas, Frida, Philippe von polyphon
Radio: RaBe, Bern im www
Produktionsdatum: 13.11.2015
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
[Moderation]

Hallo!
Ich bin Frida und ihr hört die monatliche Themensendung Polyphon. In der letzten Sendung haben wir mit der amerikanischen Wissenschaftlerin Gail Dines über Pornographie in Zeiten des Internets gesprochen – heute geht es um ein ähnliches Thema: „Nackte Körper – nackte Zahlen – was macht die Pornographie mit uns?“. Dazu haben wir drei Interviews geführt: mit Robert Jensen, Pornokritiker und Medienwissenschaftler aus den USA; Leena Schmitter, Feministin und Dozentin für Gender Studies and der Universität Bern und Patrick Kollöfel von der Stiftung Berner Gesundheit.

Jingle


Pornographie ist ein Massenmedium – mit ständig wachsender Reichweite – fast jeder Mann hat schon mal Pornos geschaut oder tut dies regelmässig. Dass Massenmedien Auswirkungen auf die Gesellschaft haben, wissen wir nicht erst seit Adorno. Trotzdem wird Pornographie im akademischen Kontext häufig ausgeklammert.
Pornokonsum ist in unserer Gesellschaft wesentlich akzeptierter als zum Beispiel der Sex mit einer Prostituierten. Die vorherrschende Haltung, auch unter vielen Feministinnen, ist, es schadet doch keinem, solange die Frauen es freiwillig tun. Aber was ist mit den Männern? Und wie weit kann man im Patriarchat überhaupt von Freiwilligkeit sprechen? Darüber habe ich mit Robert Jensen von der Universität Boston gesprochen. Er beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Pornokonsums auf unsere Beziehungen.


[Vorstellung]
Mein Name ist Robert Jensen, ich bin Professor für Journalismus an der Universität Texas in Austin, wo ich Kurse zu den Themen Mediengesetze, Medienethik und der Beziehung zwischen Medien und Politik unterrichte. Meine wissenschaftlichen Interessengebiete sind vielfältig und umfassen die Untersuchung der heutigen Pornoindustrie aus einer radikal feministischen Perspektive, die Kritk äussert an Pornographie aber auch Prostitution und Stripping, die ich die sexuell ausbeuterischen Industrien nenne, weil sie den weiblichen Körper routinemässig für die männliche Befriedigung vermarkten. Dies beinhaltet eine Kritik an der Pornoindustrie, eine Analyse der Bilder, die sie vermittelt und die Reflektion über die Auswirkungen auf die (männlichen) Konsumenten.

[Frage 1: Paradox der Pornographie]

RJ: In den letzten 25 Jahren in denen ich Pornographie untersucht habe, sind Pornos immer mehr mainstream geworden und allgemein akzeptierter als je zuvor. Obwohl nicht jeder das gutheisst, ist gerade in den USA Pornographie ein Teil der mainstream Popkultur geworden. Zur gleichen Zeit ist Pornographie gewalttätiger und viel herabwürdigender gegenüber Frauen geworden und auch ganz offen rassistisch. Der Widerspruch ist offensichtlich: In einer zivilisierten Gesellschaft würde man davon ausgehen, dass ein Massenmedium, das offen frauenverachtend und rassistisch ist, ein Randphänomen wäre. Aber in den USA ist es allgemein akzeptiert und anerkannt.

[Frage 2: Erfahrungen und Gewohnheiten von Männern]

RJ: Ich habe eine Studie mit Pornokonsumenten und verurteilten Sexualstraftätern durchgeführt. Auch habe ich in den zwanzig Jahren, die ich in dem Bereich forsche, viele informelle Gespräche mit Männern und Frauen gehabt. Zum Beispiel nach einem öffentlichen Vortrag, den ich gehalten habe.
Es lassen sich einige ziemlich klare Schlüsse ziehen über die Auswirkungen, die Pornographie insbesondere auf heterosexuelle Beziehungen hat. Betrachten wir die Auswirkungen von Massenmedien im Allgemeinen. Wir wissen wir, dass die Geschichten viel über unsere Kultur aussagen. Sie beeinflussen unsere Einstellungen und die Art und Weise wie wir über die Welt denken. Und das hat Auswirkungen auf unser Verhalten. Wir wissen nicht immer, wie das genau passiert, aber wir wissen, dass es passiert.
Ich habe heterosexuelle Beziehungen untersucht, in denen der Mann gewohnheitsmässig Pornos konsumiert. Also nicht nur als Zuschauer sondern vor allem beim Masturbieren. Wenn Männer gewohnheitsmässig frauenverachtende, gewalttätige Pornos konsumieren, gibt es zwei Hauptauswirkungen: Erstens ziehen sich diese Männer aus ihren Beziehungen mit ihrer Partnerin im echten Leben zurück. Und die Pornos nehmen dann den Platz der hauptsächlichen sexuellen Stimulation ein.
Zweitens gibt es viele Männer, die dann versuchen die Sexakte aus den Pornos in ihrer realen Beziehung nachzuspielen. Oft sind diese Praktiken unangenehm oder sogar schmerzhaft für ihre Partnerinnen. Aber diese Männer fordern das ein, weil sie sich so an den Pornosex gewöhnt haben.

[Frage 3: Warum Pornos so unwiderstehlich?]

RJ: Pornos liefern eine intensive sexuelle Stimulation. Auch dass diese Stimulation oft durch Bilder von männlicher Dominanz und weiblicher Unterdrückung hergestellt wird, ist nicht wirklich überraschend. Denn, wir leben in einer Gesellschaft, die sich durch männliche Dominanz definiert. Wir leben in einer patriarchalen Gesellschaft. Männliche Kontrolle und Dominanz werden dementsprechend auch in der Sexualität widergespiegelt
Ausserdem müssen wir im Gedächtnis behalten, dass fast alle sexuellen Begegnungen in der realen Welt auch eine emotionale Komponente beinhalten. Auch in jeder sporadischen Affäre gibt es eine emotionale Interaktion.
Wenn Männer nun nach einer sexuellen Begegnung ohne jeden emotionalen Bezug suchen, ist Pornographie eine gute Möglichkeit. Denn hier interagiert man nicht mit einer wirklichen Person, sondern mit dem Bild einer Person. Das erleichtert natürlich eine sexuelle Begegnung ohne Gefühle.
Nicht, dass ich das unterstützen würde. Ganz im Gegenteil – ich halte emotionale Verbindungen für überaus wertvoll und würde dafür plädieren, dass wir tiefere, verbindlichere emotionale Verbindungen eingehen. Aber in der Welt, in der wir leben, suchen nicht alle Männer nach dieser Art von Bindung.


Ihr hört Polyphon zum Thema "Was macht die Pornographie mit uns?"
Die meisten Pornos folgen dem gleichen Schema: Der Blick des Mannes auf die nackte Frau. Selbst in den sogenannten „features“ die eine Art von Rahmenhandlung haben, sind Männer im Normalfall die Akteure, der Frauenkörper ist das Objekt das zur schnellen unkomplizierten Befriedigung bereitsteht. Die Idee Pornographie abzuschaffen, erscheint ziemlich absurd – Männer sind ja nun mal so, oder?


[Frage 4: Biologie]
RJ: Viele Leute sind der Meinung, dass es eine rein männliche biologische Präferenz für diese Art von Begegnungen gibt. Ich finde das Quatsch, ich würde als Sozialwissenschaftler sagen, dass das soziale Konstruktionen sind.
Ich glaube, das hat damit zu tun, wie wir als Männer aufwachsen und sozialisiert werden. In einer patriarchalen Gesellschaft wird Männern beigebracht „Männlichkeit“ mit Dominanz, Kontrolle und Aggression gleichzusetzen. Damit einher geht die Angst vor Gefühlen, die zum Menschsein dazugehören, nicht nur Wut oder Dominanzverhalten sondern auch Verletzlichkeit. Und wenn man darauf trainiert wird diese Verletzlichkeit zu unterdrücken, hat das natürlich auch Einfluss auf sexuelle Beziehungen. Ich glaube das hat aber nichts mit Biologie zu tun sondern damit wie wir trainiert werden und das bedeutet, dass wir auch einen anderen Umgang mit Gefühlen lernen können und viele Männer entscheiden sich auch bewusst dafür, einen anderen Weg einzuschlagen.

[Frage 5: Ende der Männlichkeit?]

RJ: Im Gegenteil, ich würde für das Ende der Männlichkeit eintreten. Das Konzept der Männlichkeit, wie ich es in meinem Buch beschreibe, ist schädlich. Nicht nur für Frauen, die so oft Opfer der männlichen Gewalt werden, sondern auch für uns Männer, die durch diese patriarchischen Normen eingeschränkt werden. Ich plädiere dafür Männlichkeit abzuschaffen und die Unterschiede zwischen Männern und Frauen viel weniger wichtig zu nehmen. Natürlich gibt es biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen was die Hormone und die organischen Geschlechtsmerkmale angeht, aber in der patriarchischen Gesellschaft tendieren wir dazu, diese Unterschiede viel zu wichtig zu nehmen. Wenn wir mehr Zeit damit verbringen würden darüber nachzudenken, was es bedeutet ein Mensch zu sein anstatt darüber was es bedeutet ein Mann oder eine Frau zu sein, könnten wir viele dieser Einschränkungen ablegen.

[Frage 6: Männlichkeit positiv definieren?]

RJ: Das wäre eine reformerische Herangehensweise. Statt das Konzept von Männlichkeit als solcher abzuschaffen, könnte man auch versuchen, Qualitäten wie Stärke, Fürsorglichkeit und Mitgefühl als typisch männlich zu betonen. Natürlich sind das positive Eigenschaften aber sie sind nicht rein männlich, Frauen können genauso stark, fürsorglich und empathisch sein. Das sind menschliche Eigenschaften und keine „männlichen“ Eigenschaften. Egal wie sehr wir versuchen Männlichkeit neu zu definieren, solange wir nicht das Patriarchat abschaffen, werden auf dieser Grundlage von männlichen und weiblichen Eigenschaften, Männer immer Kontrolle und Dominanz anstreben.


[Musik 2]

In der letzten Sendung von Polyphon haben wir gehört, dass die Pornobranche eine Multimillionen-Dollar-Industrie ist. Eng damit verknüpft, sind auch Prostitution und Stripping. Robert Jensen hat mit Frauen und Männern, die in dieser Branche arbeiten, gesprochen. Was sind ihre Erfahrungen? Ist das eine Arbeit wie jede andere? Und wie steht es mit der Freiwilligkeit? Das und mehr hört ihr nun im nächsten Teil des Interviews mit Robert Jensen bei Polyphon zum Thema: Was macht die Pornographie mit uns?

[Frage 7: Pornographie, Prostitution, Stripping]

RJ: Natürlich gibt es Unterschiede zum Beispiel bezüglich der Risiken, die Frauen, die in diesen Industrien arbeiten tragen, sie sind aber gleichwertig in dem Sinne dass es in jeder dieser drei Industrien darum geht, weibliche Körper für die männliche Befriedigung zu kaufen und zu verkaufen. […] Deswegen glaube ich dass diese Industrien im Widerspruch zu Feminismus und jeder anständigen, nachhaltigen Gesellschaftsordnung stehen. Ich glaube nicht dass man eine respektvolle menschliche Gemeinschaft bilden kann in der eine Gruppe von Menschen, nämlich Frauen, zur sexuellen Befriedigung der anderen Gruppe, den Männern, routinemässig ge- und verkauft werden können. Solange diese Industrien existieren und akzeptiert werden, werden Frauen niemals den gleichen Status haben wie Männer.

[Frage 8: Fantasie oder Realität?]

RJ: Sicher ist der Mechanismus in allen drei Industrien ein anderer aber wir dürfen nicht vergessen, dass Pornos mit echten Menschen gedreht werden. […] Wir müssen die Lebensumstände und Erfahrungen der echten Frauen in Pornographie, Prostitution und Stripping betrachten und da sind die Tendenzen eindeutig. Die Frauen, die in diesen Industrien arbeiten, insbesondere prostituierte Frauen, haben überproportional häufig Gewalt und sexuellen Missbrauch erlebt, sie haben häufig Drogen- oder Alkoholprobleme, die meisten von ihnen kommen aus einem sozial schwierigen Umfeld und haben eine geringe Bildung. Die sexuell ausbeuterischen Industrien sind extrem gefährlich für Frauen sowohl psychisch als auch körperlich. Daher bin ich der Meinung dass Männer, die an Werte wie Respekt und Gleichberechtigung glauben, diese Industrien nicht unterstützen sollten. In der Diskussion geht es immer darum, dass Frauen freiwillig entscheiden als Prostituierte oder Stripperin zu arbeiten und das wir kein Recht haben das zu kritisieren und das würde ich auch nie tun – ich möchte die Entscheidungen, die Frauen im Patriarchat treffen, nicht kritisieren. Mir geht es darum die Entscheidungen von Männern zu hinterfragen, Männer zu fragen, warum sie ein Teil dieses Systems sind und weibliche Körper zu ihrer eigenen sexuellen Befriedigung kaufen und verkaufen. Und wie sie das mit ihren moralischen und menschlichen Werten vereinbaren können.

[Frage 9: Arbeitsbedingungen Sex-Branche]
RJ: Ich habe dreimal die jährliche Pornomesse in Las Vegas besucht. In diesem Umfeld sind Produzenten, Regisseure und Darsteller ein bisschen offener gegenüber kritischen Fragen. […] Produzenten und Regisseure wissen ganz genau dass besonders frauenverachtende, grausame Videos sich am besten verkaufen. […] Einer der Regisseure hat mir erzählt, dass er früher eine Darstellerin drei Monate, 6 Monate oder ein Jahr nach einem Dreh anrufen konnte, wenn er wieder mit ihr arbeiten wollte. Heute sind die Frauen oft nach zwei Monaten schon nicht mehr in der Lage diesen Job zu machen, weil die Gewalt psychisch und physisch, die ihnen angetan wird, einfach nicht länger auszuhalten ist.

[Frage 10: Rape-culture?]
RJ: Die US-amerikanische Kultur ist eine Kultur der Vergewaltigung in vielerlei Hinsicht. Darunter können wir die tatsächlichen sexuellen Übergriffe verstehen, die zu den alltäglichen Erfahrungen von Frauen gehören. Wir sehen, wie das Justizsystem Männer selten für sexualisierte Gewalt zur Verantwortung zieht. Frauen erleben ständig ungewollte sexuelle Blicke und Kontaktversuche. In diesem Sinne können wir schon sagen, dass wir in einer Kultur der Vergewaltigung leben.
Und Pornographie spiegelt diese Kultur wieder. Das kann man in vielerlei Hinsicht sehen. Es gibt unzählige Webseiten, wo man Vergewaltigungen sieht, Filme mit wirklichen sexuellen Übergriffen. Die Industrie, die kommerzielle Pornographie produziert, vermeidet diese extremen Vergewaltigungspornos. Aber sie machen viele Filme mit fiktiven Vergewaltigungen. Das sind Pornos, in denen der Sex in einer sehr gewalttätigen Form stattfindet, die Vergewaltigungen ähnelt. Das übliche Skript für solche Vergewaltigungsvideos ist, dass Männer sehr brutal sind und die Darstellerinnen diese Gewalt akzeptieren und so tun, als sei sie lustvoll für sie.
Das ist der Kern der Ideologie von Pornographie. Männliche sexuelle Gewalt wird nicht nur als natürlich darstellt. Die Ideologie besagt auch, dass es die Natur von Frauen sei, sich dieser männlichen Aggression hinzugeben. Das ist der Kern des Skripts in sehr sehr vielen heutigen Pornos. Es ist patriarchisch, es ist menschenunwürdig. Und ich würde sagen, dass es Teil einer grösseren Sache ist, es ist Teil einer Kultur der Vergewaltigung.
Also ich würde nicht sagen, dass Männer diese Filme schauen und automatisch Vergewaltiger werden. Das wäre eine dumme Vereinfachung der Sache. Ich würde sagen, dass Pornographie Teil einer grösseren patriarchischen Gesellschaft ist. Und Teil dieser patriarchischen Gesellschaft sind Ideen zu Vergewaltigung. Aber Pornographie trägt ihren Teil bei zu diesem riesigen Ausmass an sexualisierter Gewalt.

[Frage 11: Männer/Frauen/Race]
RJ: Das normale Porno-Skript erzählt den Männern, dass sie von Natur aus dominant seien beim Sex mit Frauen. Dass der beste und für Männer befriedigendste Sex aggressiv ist. Und dass Frauen, egal was sie sagen, diesen aggressiven Sex selbst lustvoll finden.
Die Botschaft an Frauen ist, dass das der Weg ist, um eine richtige Frau zu werden. Indem sie ihren Platz in der patriarchischen Hierarchie akzeptieren. Natürlich lehne ich solche Vorstellungen grundsätzlich ab.
Darüber hinaus ist Pornographie das mit Abstand rassistischste Massenmedium, was es heutzutage in den USA gibt. Natürlich gibt es auch in allen möglichen Hollywood-Filmen und Fernsehserien Rassismus, oft sehr subtil. Hier wird vorgeschlagen, dass weisse Dominanz etwas Natürliches sei. Also dass in Hollywood-Filmen Schwarze und Latinos sehr sehr oft als Gangster dargestellt werden, das ist Teil dieses subtilen Rassismus.
Pornographie ist da ganz anders. Pornographie nutzt ganz offen rassistische und stereotype Bilder und Handlungen. Also da braucht man sich nur anschauen, wie Schwarze in den Pornos dargestellt werden. Sie werden als die sexuell aggressivsten dargestellt. Das rührt aus einem gängigen Stereotyp her, das Männer als hypersexuell und das sexuelle Biest darstellt.
Den Rassismus sieht man auch in der Darstellung von anderen nicht-weissen Frauen. Schwarze Frauen werden oft als sexuell animalisch dargestellt. Das Stereotyp der heissen Latina, die viel sexbessesener dargestellt werden als weisse Frauen. Asiatische Frauen werden stereotyp als prüde dargestellt, die aber immer Männer befriedigen wollen, insbesondere weisse Männer.
All das sind wirklich krasse Stereotype, die es in anderen Massenmedien in dieser Form nicht mehr gibt. Aber sie sind Teil der Pornos, ohne dass man sich dafür rechtfertigen würde.

[Frage 12: Was können wir tun?]
Robert: Das übergeordnete Ziel ist natürlich, dass wir das Patriarchat überwinden. Und ich denke, wir können das in ungefähr eineinhalb Wochen erreichen. Ruf mich vielleicht noch mal in 10 Tagen an und dann erzähl ich dir, wie erfolgreich wir das Patriarchat abgeschafft haben.
Naja, sich so ein Ziel zu setzen wie das Ende des Patriarchats ist sehr idealistisch und nicht umsetzbar in einem Leben. Aber ich finde es wichtig, dieses Ziel vor Augen zu haben.
Institutionalisierte männliche Herrschaft ist das Problem. Wir müssen die Gesellschaft grundsätzlich verändern, um das zu überwinden.
Wie können wir das erreichen? Wir sollten uns die Institutionen vornehmen, in denen männliche Dominanz am stärksten anzutreffen ist. Und ich würde sagen, dass die Industrien, die sexuelle Ausbeutung betreiben so ein Ort sind. Ich finde, wir sollten die Pornoindustrie, Prostitution oder Strippen kritisieren. Damit meine ich nicht auf so eine moralische Art und Weise, die sehr eingeschränkte Vorstellungen von Sexualität hat.
Die Industrien, die sexuelle Ausbeutung betreiben, schreiben diese patriarchischen Vorstellungen fest.
Männer sollten versuchen, diesen engen patriarchischen Vorstellungen, wie ein Mann zu sein hat, zu entkommen. Ironischerweise würde ich sagen, dass der beste Weg für Männer ist, dass sie sich für Feminismus einsetzen. Die meisten Männer finden einen solchen Vorschlag völlig absurd. Feminismus wird von Männer oft als Bedrohung verstanden. Aber aus meiner eigenen Erfahrung kann ich berichten, dass Feminismus für Männer eine Befreiung bedeutet. Eine Befreiung von rigiden Vorstellungen, wie wir zu sein haben. Und für eine gerechtere Gesellschaft.
Ich finde, dass es sich immer noch lohnt über so eine radikale Veränderung der Gesellschaft zu diskutieren. Obwohl es sehr sehr schwierig ist so etwas zu erreichen.

[Musik 3]

Hallo, ihr hört gerade Polyphon zum Thema "Was macht die Pornographie mit uns?" Robert Jensen hat uns viel über die Verhältnisse in den USA gesprochen, aber wie sieht es eigentlich in der Schweiz aus?
Im zweiten Teil der Sendung hört ihr ein Interview mit Leena Schmitter. Sie ist Historikerin und hat sich intensiv mit der Geschichte des Feminismus und und der Geschlechterverhältnisse in der Schweiz befasst. Mit ihr gesprochen hat Sue von Polyphon

[Interview Leena]

[Musik]

Leena Schmitter geht davon aus, dass Jugendliche durchaus in der Lage sind beim Pornokonsum zwischen Fantasie und Wirklichkeit zu unterscheiden.
Dieser Annahme ist Tom von Polyphon weiter nachgegangen. Er hat sich mit Patrick Kollöfel getroffen. Patrick Kollöfel berät bei der Stiftung Berner Gesundheit unter anderem junge Menschen zu Fragen der sexuellen Gesundheit.

[Interview 3 – Patrick Kollöffel]

Das war Tom von Polyphon im Gespräch mit Patrick Kollöffel von der Stiftung Berner Gesundheit. Die Stiftung bietet unter anderem kurzfristig Beratungstermine zu den Themen Sexualität und Pornographie an.



Zum Nachhören gibt es die heutige Sendung übrigens im Internet auf unserer website polyphon-rabe.ch. Dort findest du auch alle anderen polyphonsendungen, wie auch weiterführende Links zum jeweiligen Thema der Sendung.
Zum heutigen polyphon beigetragen haben, Phillippe Blanc, Tom Brückmann, Sue Leuenberger und Michael Spahr.
Am Mikrophon verabschiedet sich Frida Meisner
Machts gut bis zum nächsten Mal!