Aufatmen in den Glaspalästen von Buenos Aires

ID 73893
2. Teil
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In der Stichwahl um das Präsidentenamt in Argentinien siegte der smarte konservative Milliardär Mauricio Macri. Vor allem die internationalen Banken sollen jetzt wieder ihren Geschäften nachgehen können.
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05:20 min, 4994 kB, mp3
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Upload vom 28.11.2015 / 11:21

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Politik/Info
Serie: sonar -aktuell-
Entstehung

AutorInnen: Jörg
Radio: bermuda, Mannheim im www
Produktionsdatum: 28.11.2015
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Der Konservative Mauricio Macri, derzeit Bürgermeister von Buenos AIres, wird der nächste Präsident Argentiniens. Er löst im Dezember die linke Präsidentin Cristina F K ab. In der Stichwahl vom vergangenen Sonntag errang Macro 51,4 %g gegenüber seinem Konkurrenten Daniel Scioli, der 48,6 % erhielt. 700000 Stimmen trennten die beiden.

Eine Epoche geht zu Ende - die Zeit der argentinischen Regierungen, die sich seit 2001 weigerten das Bedienen ihrer Auslandschulden über die Interessen ihrer Bewohner zu stellen.

“Adolfo Rodríguez Saá - im Dezember 2001 zum Interimspräsidenten gewählt - erklärte kurze Zeit nach seinem Amtsantritt ein Tilgungsstopp der argentinischen Auslandsschulden, um dieses Geld für soziale Zwecke einzusetzen. Er versprach eine Million neue Arbeitsplätze zu schaffen und jedem Familienoberhaupt ein Arbeitslosengeld in Höhe von 300 Peso und 60 Peso für jedes Kind unter 18 Jahren zu bezahlen.”

Und genau das wurde dann gemacht, erst unter die Präsidenten Duhalde, dann unter Nstor Kirchner und schließlich bis in diese Tage unter Nestor Kirchners Witwe Cristina de F C. Auslandsschulden wurden zurückbezahlt, aber in viel geringerem Maßstab und nur dann wenn die argentinische Ökonomie es verkraften konnte.

Nun klingt das alles sehr nach den Vorstellungen von Yanis Varoufakis, dem Ex-Finanzminister der linken griechischen Syriza-Regierung. Nur dass Varoufakis sich mit seinen radikalen Vorstellungen nicht durchsetzen konnte.

In Argentinien gelang genau dies auf den Monat genau für 14 Jahre. Das hat dem Land nur gut getan. Extremes soziales Elend verschwand fast vollständig, Armut und Arbeitslosigkeit gingen drastisch zurück, der Mittelstand und die Industrieproduktion wuchsen.

Mit Maßnahme wie der Exportbesteuerung - retenciones - wurden agrarische Exportüberschüsse umgeleitet in das Sozialsystem des Landes.. Mit einer Beschränkung des Devisenexportes - genannt CEPO - wurde der Kapitalflucht einen Riegel vorgeschoben. Wer für Auslandsreisen Devisen tauschen wollte, benötigte eine Bescheinigung der Finanzbehörden, dass es sich um versteuerte Einnahmen handelte. Außerdem wurde die Höhe der Devisen beschränkt.

Tja . betroffen von Retenciones und dem CEPO - waren die Agrarindustrie und der reisefreudige Mittelstand, der nicht unbedingt jeden Peso, den er verdiente, auch versteuerte. Und das Bündnis dieser beiden Interessengruppen war jetzt bei den Wahlen angetreten gegen die Kirchneristas - so werden die linken Peronisten genannt.

Eine Schlüsselrolle kam dem ehemaligen Kichnerista Segio Massa zu, dem Bürgermeister aus der Bs As nahen Stadt Tigre am Rio Delta. Massa erhielt im ersten Wahlgang 20 Prozent der Stimmen und seine Anhänger schlugen sich am vergangenen Sonntag mehrheitlich auf die Seite des Konservativen Macri.

Die eher wohlhabenden Einwohner der Großstadt haben genug von ihrem Bündnis mit den Ärmsten der Armen, sind nicht mehr bereit, dafür Opfer zu bringen. Die große Illusion der Argentinier greift wieder Platz: Teil der entwickelten Welt - Nordamerika und Westeuropa - zu sein, ein Land das nur durch puren Zufall in Südamerika verortet wird und genau so gut im Ärmelkanal liegen könnte.

Was passierte in dieser Woche?

Mauricio Macri macht immer Nägel mit Köpfen: Venezuela soll aus dem Staatenbund Mercosur geschmissen werden - verkündete er. Venezuela hat in einer Woche Parlamentswahlen. Alle linken Dominosteine des Subkontinentes sollen fallen: heute Argentinien, morgen Tabaré Vázquez Rosas in Uruguay, Venezuela mit Nicolás Maduro, Boliviens Evo Morales, Equadors Rafael Correa.

Gestern wurde Macris Ministerlist bekannt gegeben: neuer Finanzminister wird Alfonso Prat-Gay - Ex JP Morgan Manager. Weil Macri das Wirtschaftsministerium insgesamt aufgelöst hat, übernimmt der Finanzminister die Wirtschaftbereiche Transport, Produktion, Energie, Arbeit und Landwirtschaft.

Erklärtes Ziel ist die Abschaffung der Exportsteuer retenciones und des CEPO, der Devisenrestriktionen und der Zufluss neuen Kapitals - mit anderen Worten, das Land neu zu verschulden. Unmittelbar für die Staatsfinanzen zuständig wird der Ex-Deutsche Bank Funktionär Luis Caputo.

Wirtschafts- und Finanzpolitik aus dem Blickwinkel von JP Morgan und der Deutschen Bank. Inflation soll bekämpft werden durch ein System hoher Zinsen, was den Bankensektor begünstigt und dem produktiven Sektor schadet. Die Arbeitslosigkeit wird steigen und die Einkommen fallen - ganz nach dem Fahrplan des IWF.

Die fondos buitres - den Geierfonds - überwiegend aus New York -die notleidende Staatsfonds der 90 Jahre zu einem Spottpreis aufkauften und jetzt die Rückzahlung bei Fälligkeit von 100 Prozent verlangen - sollen nach einem Beitrag der arg Zeitung Pagina12 voll auf ihre Kosten kommen und damit Milliarden gewinne einfahren.

Die Abschaffung der Exportssteuer retenciones soll mit neuen Staatsschulden gegenfinanziert werden. - zu hohen Zinssätzen - angeblich zur Inflationsbekämpfung.

Und so wird der Traum des argentinischen Mittelstandes nach einer europäischen Identität -enden wie so oft - in einer hohen Auslandsverschuldung, in Sparprogrammen, die unweigerlich daran anknüpfen und in einem Sinken der Lebensqualität vor allem des armen Bevölkerungsanteils - und schließlich in einem neuen Staatsbankrott wie 2001. Es sei denn die Argentinier machen ihnen einen Strich durch die Rechnung.




Kommentare
16.12.2015 / 12:01 FRC Husum,
gesendez im Infomagazin
am 11.12. im FRC-Infomagazin gesendet. Vielen Dank!