Paris vaut bien un scam - zur Klimakonferenz

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Und so bestätigt sich eine alte Erfahrung: Hinter politischem Kitsch wie der Pariser Konferenz verbirgt sich immer eine faustdicke politische Lüge. Nicht der Planet soll gerettet, die Nuklearenergie soll durch die Hintertür wieder zum Kern der globalen Stromerzeugung gemacht werden.

Wir sollten zumindest dazu nicht klatschen.
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15:48 min, 14 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 17.12.2015 / 19:15

Dateizugriffe: 469

Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales, Umwelt, Politik/Info
Serie: sonar -aktuell-
Entstehung

AutorInnen: Jörg
Radio: bermuda, Mannheim im www
Produktionsdatum: 17.12.2015
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Kennt ihr das? Ihr kommt aus dem Kino, nicht unbedingt gelangweilt oder enttäuscht. Aber ihr könnt euch an kaum eine Einzelheit des Films erinnern. Das ist kein pathologisches Phänomen, sondern eher dem Umstand zu schulden, dass die Filmhandlung ziemlich genau deinen Erwartungen entsprach, dass nichts Unerwartetes oder Überraschendes geschah, was unsere Aufmerksamkeit mobilisiert hätte.

Und wie steht es mit der Klimakonferenz COP21, die am letzten Sonntag zu Ende ging? Nichts mehr da - wie ausradiert. Vielleicht noch Erinnerungsfetzen: Junge, bildhübsche Demonstranten mahnen zur Rettung des Planeten vor dem Hitzetod, eifrige Delegierte ringen um jedes Wort der Abschlusserklärung, Brandrede des französischen Präsidenten Hollande, dann der Erfolg, die Protagonisten erheben sich von ihren Plätzen, ältere Herrschaften fassen sich die Hände, der Eiffelturm leuchtet gegen den Klimawandel.

An dieser Stelle soll jetzt nicht eine weitere Erwartung bedient werde: Der Satz wird nicht fallen, wonach die Ergebnisse bei weitem nicht ausreichen, um den Klimawandel aufzuhalten, wonach das alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein sei.

Nein, der Beitrag hier dreht sich um die Wiedereinführung der Nukleartechnologie bei der Elektrizitätserzeugung - im Windschatten des Kampfes gegen den Klimawandel.

Denn darum ging es auch in Paris. Auch darum geht es immer schon in der Jahrzehnte alten Kampagne um die anthropogene Erderwärmung. Denn auch wenn wir uns kaum an Einzelheiten der Konferenzszenarien zum Klimawandel erinnern können, eines ist längst erreicht: Wir alle sind fest davon überzeugt, dass von allen menschgemachten Umweltkatastrophen die Erwärmung unseres Heimatplaneten die mit Abstand größte ökologische Bedrohung darstellt, dass die Emission von Kohlendioxid ursächlich dafür verantwortlich ist und dass wir uns auf diese Herausforderung konzentrieren müssen.

Nun gibt es genügend Argumente, die diese These stützen, es gibt auch Argumente dagegen. Problematisch ist allerdings, dass dem Ziel der Verlangsamung der Erderwärmung alle anderen Umweltthemen untergeordnet werden, dass inzwischen auch massiv an unserer Begrifflichkeit gearbeitet wird.

So sind eine ganze Reihe neuer Begriffe aufgetaucht, die dazu ausersehen sind, die Arithmetik unserer Standpunkte zu verschieben. Oberstes Ziel ist jetzt die Erzeugung von “low carbon electricity”, also kohlenstoffarme Energieerzeugung.

Auf den ersten Blick durchaus vernünftig: Statt Kohlekraftwerke lieber erneuerbare Energie wie Wind- und Wasserkraft und - wo möglich - Geothermie.

Die Abschlusserklärung der CAP21-Konferenz, die “Vereinbarung von Paris”, schreibt das so:

Zitat
“Wir erkennen die Notwendigkeit eines weltweiten Zugang zu nachhaltiger Energie in sich entwickelnden Ländern - besonders in Afrika - durch eine verbesserte Versorgung durch erneuerbare Energie.”
Zitat Ende

Gleich zweimal Energie: im Original sustainable energy und renewable energy, nachaltige und erneuerbare Energie. Wieder ein neuer Begriff - “sustainable energy”. Nun gut, könnte man meinen, zweimal das selbe, nur anders ausgedrückt.

Ist es aber nicht: Die UN lancierte 2014 eine Dekade namens “Sustainable Energy for all”, in der nicht nur der weltweite Zugang zur Energieversorgung ausgesprochen, sondern auch “the use of new and renewable energy technologies” eingefordert wird.

Gilt also die Formel

Nachaltige Energie ist gleich die Technologie der Erneuerbaren Energie plus neue Energietechnologien?

Was verbirgt sich genau hinter dem Begriff Nachhaltige Energie? Ein Blick in Wikipedia:

Und in der Tat finden wir unter dem entsprechenden englischsprachigen Lema die üblichen Kandidaten: Fossile Brennstoffe sollen durch Wasserkraft, Solarstrom, Windenergie, Gezeitenkraftwerke und so weiter plus eine verbesserte Energieeffizienz ersetzt werden.

Weiter unten im Eintrag “Sustainable Energy” aber etwas befremdlich:

Zitat
Thorium
Es gibt potentiell zwei Quellen für Kernenergie. Kernspaltung wird in allen gebräuchlichen Atomkraftwerken verwendet. Kernfusion ist ein Vorgang, der in Sternen einschließlich unserer Sonne vorkommt, bleibt nicht verfügbar für die Anwendung auf der Erde, weil Fusionsreaktoren derzeit nicht verfügbar sind. Allerdings ist die Kernenergie politisch und wissenschaftlich umstritten in Bezug auf Entsorgung des radioaktiven Abfalls, Sicherheit, auf das Risiko schwerer Unfälle und auf technische und ökonomische Probleme bei der Demontage alter Anlagen.
Thorium dagegen ist ein spaltbares Material, das in Thorium-basierten Nuklearanlagen Verwendung findet. Der Thorium-Brennstoff-Kreislauf bietet verschiedene Vorteile gegenüber dem Uran-Brennstoff-Kreislauf wie größere Verfügbarkeit, überlegene physikalische und nukleare Eigenschaften, ein besserer Schutz gegen die Verwendung als Nuklarwaffen und eine verringerte Produktion von Plutonium und anderen Actinoiden. Deshalb wid es mitunter als nachhaltig klassifiziert.
Zitat Ende

Na, da hätten wir doch eine neue Technologie zur nachhaltigen Erzeugung von Elektrizität. Thorium-Brennstoff-Kreislauf statt Uran-Brennstoff-Kreislauf!

Nicht zu übersehen war, als die Internationale Atomenergiebehörde IAEA gemeinsam mit der OECD und der UN-Nukearenergiebehörde NEA auf einer Veranstaltung im Rahmen und am Rande der Pariser CAP21 folgenden Argumentationsrahmen präsentierte:

Zitat
“Nuklearenergie steht hervorragend da im Vergleich mit anderen Nachhaltigkeits-Indikatoren. Nuklearenergie hat geringe Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt - verglichen mit anderen Quellen der Stromerzeugung, besonders den fossilen.

Künftige nukleare Technologien sind in der Lage, die Menge und Radioaktivität von hoch-radioaktivem Abfall zu reduzieren. Allerdings benötigt die Kernenergie eine bedeutsame Menge an Kühlwasser, doch eine höhere Effizienz in fortgeschrittener Technologie können dies in Zukunft reduzieren. Außerdem trägt die Kernenergie zu einer nachhaltigen Entwicklung im sozialen Kontext bei.”
Zitat Ende

Da ist sie wieder die Nachhaltigkeit, die Sustainability, gleich dreimal: sie schont Gesundheit und Umwelt und sichert soziale Entwicklung.

Das musste die Teilnehmerstaaten der CAP21 so überzeugt haben, dass sie die IAEA in der Abschlusserklärung ausdrücklich neben den Vereinten Nationen und Nichtteilnehmerstaaten als Beobachter zu weiteren Sitzungen eingeladen hat.

Wer immer noch nicht glaubt, dass das Theater von Paris, der Beschiss von Paris, wenig mit Klimapolitik und alles mit einem Relounch einer aufgemöbelten Kernenergie zu tun hat, suche sich auf Youtube die ARTE Sendung vom 5. Dezember 2015 “Mit offenen Karten - 2037: Eine Co2-Neutrale Welt?”

Hören wir einige Ausschnitte:

https://www.youtube.com/watch?v=sIWp1KCHSk0


Und da ist es wieder - das Thorium aus dem Wikipedia-Eintrag als Teil der Sustainable Energy, diesmal sogar als größter Anteil eines neuen Energiemixes. Mit sachlicher Stimme, Stil matter of facts, erklärt uns ARTE-Moderator Jean Christoph Victor, dass eine CO2-arme Energieversorgung der Zukunft nur mit Hilfe der Kernenergie überhaupt realisierbar ist. Das Argument: Erneuerbare Energie kann man schlecht speichern. Und so lieferten China und Indien den Kernenergiestrom der Zukunft, die Chinesen mit rückständigem Uranstrom, die Inder mit modernem Thoriumstrom. Wir werden später hören, dass es vermutlich genau umgekehrt sein wird.

Nun ist Thorium ein Element, das durch einen thermische Brutvorgang in spaltbares Uran umgewandelt werden kann, das wiederum Energie zur Stromerzeugung liefert. Plutonium fällt dabei auch an.

Die neue Technologie ist somit eine Modifizierung der Schnelle-Brüter-Technologie mit einem anderen weitaus billigeren Ausgangsstoff als angereichertes Uran.

Daneben sind neue Technologien wie etwa der Laufwellenreaktor, englisch Travelling Wafe Reacor (TWR) in der Pipeline der Low Carbon Energy. Ausgangsmaterial ist hier ebenfalls Thorium oder nicht angereichertes, abgereichertes, quasi natürliches Uran. In einem konzentrischen Brut- und Kernspaltungsvorgang soll das Ausgangsmaterial für die gesamte, etwa 60-jährige Laufzeit des Reaktors bereits vorhanden sein und nach dem Spaltungsprozess für alle Zeiten in seinem unterirdischen Containment verbleiben.

Ein Sahnehäubchen obendrauf: Der Laufwellenreaktor kann auch abgebrannte Brennstäbe konventioneller Atomkraftwerke recyceln. Entsorgungsproblem auch gelöst. Chapeau!

Der besonders gute Mensch Bill Gates hatte schon immer ein Herz für unseren Planeten und sich deshalb auch so seine Gedanken und Investionen gemacht. Unter anderem gründete er die Firma TerraPower, deren Kerngeschäft das Design von Laufwellenreaktoren ist.

Und das Geschäft nimmt neuerdings Schwung auf:

Laut der Zeitschrift “World Nuclear News” hat TerraPower im September 2015 eine Absichtserklärung mit der chinesischen National Nuclear Cooperation über den Bau eines 600-MW-Forschungsreaktors in nächster Zeit und den späteren Bau und Vertrieb von 1,1 GW-Anlagen auf der Basis der TWR-Technologie unterzeichnet.

Neben technischen Hindernissen hatte die TWR-Technologie bislang mit dem Problem zu kämpfen, dass ihr Konzept teurer war als konventionelle Kohlekraftwerke. Verabschiedet sich die Welt von fossilen Energieträgern - wie in Paris vereinbart - wäre dieses Problem durchaus gelöst.

Und so bestätigt sich eine alte Erfahrung: Hinter politischem Kitsch wie der Pariser Konferenz verbirgt sich immer eine faustdicke politische Lüge. Nicht der Planet soll gerettet, die Nuklearenergie soll durch die Hintertür wieder zum Kern der globalen Stromerzeugung gemacht werden.

Wir sollten zumindest dazu nicht klatschen.

Verwendete Online-Quellen:

ADOPTION OF THE PARIS AGREEMENT
http://unfccc.int/resource/docs/2015/cop...

Sustainable energy Wikipedia, the free Encyclopedia
https://en.wikipedia.org/wiki/Sustainabl...

Consider Nuclear Energy on Par in Climate Change Mitigation: IAEA at COP21 By Lenka Kollar, IAEA
https://www.iaea.org/newscenter/news/con...

Mit offenen Karten: "2037: Eine Co2-Neutrale Welt?" [HD] 05.12.2015
https://www.youtube.com/watch?v=sIWp1KCHSk0

TerraPower, CNNC team up on travelling wave reactor
25 September 2015
http://www.world-nuclear-news.org/NN-Ter...

Kommentare
04.01.2016 / 18:03 Michael:Rasenspieler, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
On air@sonar
Gesendet am 04.01.16 ab 17:00 Uhr-Danke für´s Produzieren